Das Hühnchen und der Osterhase*

Das Hühnchen und der Osterhase

„Ich werde mir die Welt anschauen“, beschloss das Hühnchen. Freudig piepsend lief es los. Plötzlich blieb es wie angewurzelt stehen. Ein schreckliches Ungeheuer kam ihm entgegen. Alles an ihm war groß und am allergrößten waren seine Ohren. Schnell rannte das Hühnchen zurück.
Das Ungeheuer war ein junger Hase, der sich plötzlich einem gefährlichen Vogel gegenüber sah. Dieser Vogel war zwar winzig, aber er blickte ihn mit scharfem, durchdringendem Blick an. Der spitze Schnabel war auch nicht gerade Vertrauen erweckend und so zog es der Hase vor, sich aus dem Staub zu machen.
Erst nach einigen Metern hielt er an und schaute nach, wie weit sein Verfolger gekommen war. Er sah gerade noch die Schwanzfedern um die Ecke verschwinden. Der Hase richtete sich stolz auf.
„Es gibt also ein gefährliches Tier, das Angst vor mir hat!“, dachte er, den doch alle immer den Angsthasen genannt hatten.
Auch das Hühnchen hatte aufgehört zu rennen. Neugierig trippelte es ein paar Schritte zurück und sah den Hasen in einiger Entfernung sitzen.
Vorsichtig gingen die beiden aufeinander zu und grüßten schüchtern.
„Na du“, sagte der Hase und das Hühnchen antwortete leise: „Na du.“
Sie schwiegen eine Weile und beäugten sich.
„Was bist du für ein Tier? So jemanden wie dich habe ich noch nie gesehen.“
„Danke gleichfalls“, der Hase hoppelte um das Hühnchen herum.
„Ich habe auch noch niemals einen solch komischen Vogel wie dich gesehen.“
„Von wegen, komischer Vogel“, piepste das Huhn aufgeregt, „ich bin ein Huhn und wenn ich größer bin kann ich Eier legen!“
„Ich lach mir ein Ohr ab“, feixte der Hase und schüttelte sich vor Lachen, so dass seine großen Ohren um den Kopf schlackerten. Das sah so komisch aus, dass das Hühnchen mitlachen musste, dabei schlug es aufgeregt mit den Flügeln und drehte sich im Kreis.
„Jetzt aber mal ernst bleiben“, sagte der Hase mit strenger Stimme. „Ich bin der Osterhase und die Eier legen unsere Frauen.“
Es war ja immerhin möglich, dass dieser komische Hase ebenfalls Eier legen konnte, dachte das Hühnchen.
„Wir schenken den Kindern Ostereier, die legt meine Mutter und wir Hasenkinder malen sie bunt an. In diesem Jahr darf ich auch mitmachen“, prahlte der Hase.
Das Hühnchen hatte für heute genug Neues gesehen und gehört.
„Ich muss jetzt nach Hause. Sollen wir uns Morgen wieder hier treffen?“, fragte es. Das Hasenkindungeheuer nickte.
„Okay, wir sehen uns nach dem Frühstück!“ Eilig hoppelte der neue Freund davon und das Hühnchen sah zu, dass es schnell nach Hause kam.
„Kind, wo warst du denn nur? Ich habe dich schon überall gesucht. Du weißt doch, dass ich mein Nest nicht lange verlassen kann, sonst nimmt mir der Bauer die Eier weg.“, schimpfte die Mutter.
„Diesen bösen Bauern werde ich noch ins Bein beißen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe!“ Das Hühnchen ärgerte sich.
„Das wirst du nicht tun, sonst gibt es was auf den Schnabel.“ Die Mutter gackerte aufgeregt, sie war froh, dass sie ein so prächtiges Kind aufziehen durfte, das war nicht selbstverständlich, denn die meisten Eier wurden vom Bauern eingesammelt.
„Mama, ich habe heute einen Osterhasen kennen gelernt, er hat mir erzählt, dass er Eier anmalt und verschenkt.“ Mutter Huhn schüttelte verärgert den Kopf.
„Der Prahlhans schmückt sich mit fremden Federn!“
„Er hatte aber keine Federn, Mama, sondern ein weiches Fell. Und er sagte, dass die Hasenfrauen Eier legen können.“
„Das ist es ja, Hasen können keine Eier legen, sie nehmen unsere und bemalen und verschenken sie. Eine Unverschämtheit ist das!“
Das Hühnchen zog es vor, nicht weiter nachzufragen.
In der Nacht träumte es von bunten Eiern und glücklichen Kindern und gleich mit dem ersten Sonnenstrahl hüpfte es aus dem Nest und trippelte zu der Stelle, an der es gestern den Osterhasen getroffen hatte.
Der neue Freund war auch schon da.
„Weißt du was“, schlug er vor, „ich nehme dich mit und zeige dir unsere Malstube.“
Das Hühnchen war begeistert. Sie machten sich auf den Weg und die Hasenfamilie nahm das Hühnchen freundlich auf.
„Wie schön, dass du uns besuchst“, Mama Hase freute sich, sie schnupperte lustig mit dem Näschen.
Dann zeigte sie dem Gast die Ostereiermalstube, in der vier Hasenkinder damit beschäftigt waren, die Eier zu färben. Überall standen Farbtöpfe und Pinsel herum und die Häschen waren auch schon ganz bunt.
„Ich möchte mitmachen“, bat das Hühnchen und rupfte sich eine Feder aus, die es in einen der Farbtöpfe tauchte. Dann malte es feine Muster auf ein schneeweißes Ei.
„Natürlich darfst du mitmachen, schließlich liefert ihr Hühner ja die Eier. Jedes Kind weiß das.“
„Liebe Frau Osterhase, aber dein eigenes Kind weiß es wohl nicht!“
Frau Hase musste nun lachen.
„Ich wollte nur ein bisschen angeben“, erklärte der Hasenjunge.
Dann machten sie sich an die Arbeit und so kam es, dass in diesem Jahr auch ein Hühnchen an der Ostereiermalaktion beteiligt war und es wurden ganz besonders feine Ostereier.

© Regina Meier zu Verl

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Bildquelle geralt/pixabay

Dies und das

Mein Leben ist gerade sehr bewegt. Eindrücke aus allen möglichen Richtungen geben sich hier die Klinke in die Hand und manchmal weiß ich gar nicht mehr, was ich zuerst und zuletzt denken soll.
Ich fange einfach mal an: das Wichtigste momentan ist der Wunsch, dass es meiner Mutter besser gehen möge. Sie ist nämlich letzte Woche mit dem Verdacht auf einen Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert worden und wir befürchteten das Schlimmste, immerhin ist sie 91 Jahre alt. Aber: ENTWARNUNG – es war kein Schlaganfall. Was genau die Ursache für die kleine Lähmung im Gesicht ist, wissen wir noch nicht, die Untersuchungen laufen noch und bisher wurde nichts Schlimmes aufgedeckt. Leider ist sie gestern CORONA positiv getestet worden und es geht ihr auch nicht gut.

Dann habe ich jede Menge Arbeit, Schreibarbeiten, die aber viel Spaß machen und die größte Freude daran ist, dass ich immer wieder neue Menschen kennenlerne, die ich dann treffe und über die ich schreiben darf. Gestern habe ich eine youtuberin besucht, die wunderschöne Junk-Journals herstellt. Ich habe sie per Zufall entdeckt und herausgefunden, dass sie hier im Kreis lebt und so kamen wir zusammen. Den Bericht im Magazin werde ich euch zeigen, es erscheint nächste Woche. Vorher verrate ich auch noch nicht, um wen es geht.

Heute Abend gehe ich in ein Konzert, das ich ganz vergessen hatte, meine Freundin hatte Karten besorgt, ich weiß nicht einmal, wer spielt – es sind mehrere irische Bands – ich bin gespannt und werde dann berichten, wie es gewesen ist.

Ansonsten habe ich viel Freude an meinen Enkelkindern. Nora und ich haben gestern zusammen gekocht. Sie ist ja erst 3,5 Jahr alt, aber sie hat mir so tüchtig helfen können, dass unser Mittagsessen soooooo lecker war, dass Nora zwei Mal nachnehmen musste. Selbstgekocht schmeckt eben doch am besten.
Morgen gehts weiter, ich muss was tun …..

Vaterfreuden

Vaterfreuden

„Hast du schon gehört, dass die wunderschöne Cleopatra Nachwuchs hat?“, fragt der rote Kater Leo seinen Freund, den getigerten Sam.
„Nein, nichts gehört, interessiert mich auch nicht!“, antwortet Sam schnippisch.
„Hey, mein Freund, was bist du so schlecht gelaunt heute?“ Leo erhebt sich und baut sich vor Sam auf. Der legt den Kopf zur Seite. Seine Miene zeigt deutlich, wie beleidigt er ist.
„Ich weiß es auch nicht von ihr selbst, man redet auf dem gesamten Hof darüber. Die Kleinen sollen ziemlich putzig sein, sind aber weder rot noch getigert!“, weiß Leo zu berichten.
„Nicht? Na, wie sehen sie denn aus, wenn sie weder rot noch getigert sind? Etwa lila?“, fragt Sam und man merkt, dass seine Laune deutlich besser wird.
„Na ja!“, meint Leo und jetzt klingt seine Stimme ein bisschen kläglich.
„Ich wüsste nicht, dass in meiner Linie jemals ein lilafarbenes Wesen zur Welt gekommen ist. Ich verstehe das nicht.“ Er schüttelt den Kopf.
„Das kann ich dir genau erklären.“ Sam grinst. „Die Frage ist nur, ob du es wissen möchtest.“
„Nun lass dich nicht lange bitten, sag schon!“, drängt Leo, aber schon als er es gesagt hat, beschleicht ihn ein sehr komisches Gefühl. Dabei hatte er sich eigentlich gefreut, als er von den jungen Kätzchen gehört hatte.
Als Sam anhebt, zu erklären, was er gesagt hat, unterbricht Leo ihn.
„Lass es lieber, ich will es nicht wissen!“ Er blickt Sam misstrauisch an. „Und wieso willst DU mit das erklären? Was weißt du, was ich nicht weiß?“ Er betont dieses DU besonders und es klingt, als wolle er ihm den Krieg erklären. Oder zumindest ein kleines Kämpfchen unter Gleichgesinnten, die nur für den Moment anderer Meinung sind.
„Ich habe sie beobachtet, die liebe Cleopatra. Ein seltsames Verhalten hat sie an den Tag gelegt und ganz ehrlich, ich hatte sie schon in Verdacht, sich mit dir zusammengetan zu haben. Aber das stimmt ja nicht, denn wenn das so wäre, dann hätte sie dir wohl von den Katzenkindern erzählt, oder nicht?“ Sams Augen funkeln nun verärgert, er hatte die schöne Cleopatra nämlich für sich gewinnen wollen. Und fast wäre es ihm auch gelungen. Fast. Wenn da nicht jene verflixte Nacht im späten Winter gewesen wäre. Er war ihr gefolgt auf ihrem Weg durchs Dorf und er wollte sie fragen, ob sie nicht gemeinsam durchs die Nacht spazieren wollten. Doch dann hatte ihn ein seltsam zischendes Geräusch für einen kurzen Moment abgelenkt und schon war Cleopatra im Dunkeln verschwunden. Die ganze Nacht hatte er nach ihr gesucht, doch es war vergebens gewesen. Sie hatte sich vor ihm versteckt.
Während Sam in Gedanken versunken ist, macht Leo sich aus dem Staub. Das ist ihm doch alles zu albern. Er will zu Cleopatra gehen und sich die Kleinen anschauen. Es nützt doch nichts, wenn man nur über sie redet und gar nicht recht weiß, was Sache ist. Blöd ist das, megablöd sogar.
Die Katzendame hat ihren Platz in der Scheune. Dort liegt sie in einem Nest aus Heu und beschützt ihre Kinder. Als Leo näherkommt, hebt sie kurz den Kopf.
„Na du“, flüstert sie und winkt Leo zu sich.
„Na du!“, flüstert Leo zurück. Er tritt näher an das Nest und betrachtet Cleopatras Kinder. Wie ruhig sie schlafen! Und wie hübsch sie sind! Fast so hübsch wie … er stutzt und taucht seinen Kopf noch näher in das Nest hinein. Ja, das kleine Katzenmädchen da, schimmert sein Fell nicht doch ein bisschen rot? Ein kleines bisschen?
„Sie sind wunderschön!“, sagt Leo ergriffen und fast versagt seine Stimme vor lauter Ergriffenheit. „Herzlichen Glückwunsch!“, flüstert er noch.
„Danke“, haucht Cleopatra. „Und…“, sie lächelt.
„Und?“, fragt Leo.
„Auch dir einen herzlichen Glückwunsch, Papa!“
Leo schluckt, er will etwas sagen, aber er kann nur seine kleine Familie ansehen und bestaunen.
„Meine Kinder!“, murmelt er schließlich und noch nie in seinem Leben war er so stolz wie in diesem Moment.
© Regina Meier zu Verl

Linus, das Bobbycar und Opa Baumann

Linus, das Bobbycar und Opa Baumann

Linus hat sein Bobbycar direkt neben Papas Auto geparkt. Er steigt ab, steckt die Hände in die Hosentaschen und betrachtet die beiden Fahrzeuge.
„Na, Linus, welches Auto gefällt dir besser?“, fragt Opa Baumann, der nebenan wohnt und gerade im Garten nach dem rechten schaut.
„Meins“, antwortet Linus. „Nein, das von Papa. Ist doch klar!“ Er überlegt und sieht den alten Nachbarn nachdenklich an.
„Nein, auch nicht“, meint er dann leise. „Dein Auto ist das Tollste. Weil es so alt ist und so toll rappelt, wenn der Motor läuft.“
Opa Baumann grinst und freut sich. Er liebt sein Auto und es macht ihn stolz, dass auch Linus erkannt hat, was für ein tolles Gefährt er besitzt. Trotzdem schmeichelt er dem Jungen: „Weißt du, Dein Auto, lieber Linus, ist aber das umweltfreundlichste von allen.“
„Um…welt…freund…lich?“, fragt Linus langsam und er denkt dabei über jede Silbe nach. Er hat das Wort schon oft gehört, aber so ein bisschen hat er lieber nicht hingehört. Es ist kein spannendes Wort und irgendwie auch langweilig und das sagt er gleich auch laut. Doch dann überlegt er: Freund ist drin in dem Wort, Freunde mag Linus. Und Welt ist ebenfalls drin. Die Welt ist schön, findet Linus. Ja, und spannend ist sie auch, die Welt! Ja, das gefällt ihm. Linus nickt.
„Das passt auch zu meinem Auto. Es ist das schönste auf der Welt und irgendwie ist es nun auch mein Freund.“ Er lacht. „Sag, Opa Baumann, ist dein Auto auch dein Freund?“
Opa Baumann nickt auch. „Aber so was von! Viel haben wir beide in vielen Jahren schon erlebt. Das kannst du mir glauben.“
„Erzähl doch mal!“, fordert Linus Opa Baumann auf. Der überlegt einen Moment, dann lächelt er und sagt eine Weile gar nichts. Linus stubst ihn an. „Na?“, fragt er ungeduldig.
„Ach so, ja, warte, wie fange ich denn an?“, fragt er grinsend.
„Am Anfang, Opa Baumann, immer am Anfang fängt man an!“
„Stimmt, du Schlaubär, einen Anfang braucht jede Geschichte, denn sonst könnte man sie nicht erzählen, nicht wahr?“ Opa Baumann nimmt die Mütze ab und kratzt sich erst einmal am Kopf. „Also, das war schon verrückt, denn eigentlich wollte ich kein Auto haben. Doch ein Auto schon, aber nicht diese Kiste. Sie war nämlich …“ Er lacht. „Rosa war sie. Mädchenrosa!“
„Iiiiiiigittigitt!“, kreischt Linus. „Mädchenrosa?“
„Ja, ganz ehrlich, aber ich habe schnell gehandelt und Abhilfe geschaffen. Später war er dann Grün, der Oskar!“
„Oskar? Heißt er so?“, Linus ist verwundert. Das hat er ja gar nicht gewusst!
„Klar! Grün kann nur Oskar heißen, denn Oskar ist auch grün“, sagt Opa Baumann.
Das versteht Linus gerade gar nicht. „Ein Oskar kann doch keine Farbe sein.“
„Doch! Oskar war mein Schmusetier, als ich so alt war wie du, und das war grün. Ein grüner Drache.“
„Verstehe! Und nun ist er nicht mehr grün, sondern blau – wie heißt er denn jetzt?“, will Linus wissen. Er streicht liebevoll über den Kotflügel des alten Autos.
„Gib du ihm einen Namen, irgendwann wird er ja dir gehören, mein Junge!“, sagt Opa Baumann. „Ich werde ihn gut pflegen und hegen, damit du noch viel Freude an ihm hast.“, verspricht er dem Jungen.
Linus springt vor Freude in die Luft. „Das ist toll!“, ruft er. „Ich bekomme einen uralten Mercedes und er wird blau bleiben und er wird Opa Baumann heißen!“
Opa Baumann lacht. Das gefällt ihm und der Linus, der gefällt ihm sowieso, der wird schon gut auf sein altes Auto aufpassen. Ein bisschen Zeit hat er noch, bis er ihn fahren darf. Und dann … wird Opa Baumann seinen Führerschein vielleicht abgeben, aber so ganz genau weiß er das noch nicht!

© Regina Meier zu Verl

Jahrestag

Du meine Güte, schon so lang her! Heute vor 12 Jahren habe ich mich bei WordPress angemeldet, davor hatte ich aber schon einige Jahre bei blog.de gebloggt. Nicht zu fassen!

WordPress gratuliert mir heute und ich lasse mich feiern, ohne Konfetti, aber mit einem Stückchen Kuchen, das von gestern noch übrig geblieben ist. Gestern hatte ich nämlich Besuch von einer lieben Freundin, mit der ich vor vielen Jahren für lange Zeit in einer Klinik war. Wir sehen uns nicht so oft, aber die Vertrautheit ist immer sofort wieder da, wenn wir uns treffen. Das war schön!

Ansonsten warte ich sehnlichst auf den Frühling, die ersten Vorboten durfte ich schon im Garten bewundern und schon bald werde ich auf der Terrasse mein Gesicht in die Sonne halten können. So lange male ich einfach noch weiter bunte Bilder und freue mich an denen.

Krümelkinder – The children and their crumbs

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Bildquelle Zoosnow/pixabay

Krümelkinder

„Na du, wartest du auf den Bus?“, fragt die Taube Tilli die Amsel, die sich gerade neben ihr auf dem Wartehäuschen niedergelassen hat.
„Auf den Bus? Wie kommst du darauf? Ich brauche keinen Bus, ich kann doch fliegen!“, antwortet diese und kichert. Dieses Kichern klingt wie eine schöne Melodie.
„Worauf wartest du dann?“, will Tilli wissen.
„Auf den Frühling, meine Liebe, und du?“ Die Amsel schüttelt ein paar Wassertropfen von ihrem Gefieder.
„Ich warte auf die Kinder. Sie müssen gleich aus der Schule kommen!“ Tilli späht aufgeregt von rechts nach links und wieder zurück.
„Und dann?“, fragt sie die Taube. „Was hast du vor mit den Kindern?“
„Mit ihnen habe ich nichts vor. Ich warte darauf, dass sie ihre Butterbrote auspacken und dann ist meine Zeit gekommen!“ Tilli lacht gurrend, eine gewisse Vorfreude ist ihr anzumerken. Die Amsel schaut Tilli verständnislos an.
„Wieso? Warum?“, fragt sie neugierig.
„Na, sie packen ihre Brote aus und dann krümeln sie! Ich liebe Kinder, die krümeln. Sie haben ein Herz für uns Vögel!“, erklärt Tilli. Langsam beginnt die Amsel zu verstehen.
„Aha, und dann pickst du die Krümel auf!“, lacht sie. „Aber sag: Reicht das denn für eine Mahlzeit?“
„Mal ja, mal nein. Man darf halt die Hoffnung niemals aufgeben!“ Das klingt ernst. Der Amsel tut das leid, sie selbst hat großes Glück in diesem Winter, sie hatte immer etwas zu essen gefunden.
„Wie heißt du eigentlich?“, will Tilli nun von der Amsel wissen.
„Ich heiße Alice, so wie die Alice aus dem Wunderland!“, flötet die Amsel.
„Alice, heute ist dein Glückstag!“, ruft Tilli fröhlich aus. „Ich lade dich zum Essen ein!“
In diesem Moment kommt eine Schar aufgeregt schwatzender Schüler auf die Bushaltestelle zu. Sie setzen sich auf die Bank im Unterstand und packen, genau wie Tilli es vorausgesagt hatte, ihre Pausenbrote, oder das, was davon übriggeblieben ist, aus. Ja, und sie krümeln was das Zeug hält. Tilli läuft das Wasser im Schnabel zusammen, doch noch traut sie sich nicht hinunter. Erst als der Bus alle Kinder aufgenommen hat, fliegen die beiden Vögel auf den Boden und picken die Krümel auf. Tilli findet sogar ein riesiges Stück Brotkruste, das sie mit ihrer neuen Freundin teilt.
Zum Dank dafür singt Alice ein herrliches Frühlingslied und wenn ich mich nicht irre, dann habe ich die beiden gerade in trauter Einigkeit auf meiner Terrasse entdeckt. Dort habe ich nämlich eine Handvoll Sonnenblumenkerne verstreut, wie jeden Morgen.

© Regina Meier zu Verl

The children and their crumbs

„Hi, are you waiting for the bus?“ Tilli the dove asks the blackbird, who had just landed next to her on the roof of the bus shelter.
“For the bus? What makes you think that? I don’t need a bus, I can fly!”, she answers with a giggle. This giggle sounds like a lovely melody.
“What are you waiting for then?” Tilli wants to know.
“For springtime, my dear, and you?” The blackbird shakes a few drops of water rain drops off her feathers.
“I’m waiting for the children. They’ll be coming out of school any minute now!” Tilli looks excitedly to the right, and to the left and back again.
“And then?”, she asks the dove. “What are you going to do with the children?”
“I’m not going to do anything with them. I’m waiting for them to unpack their sandwiches and then my moment has come!”, Tilli laughs cooing, a certain anticipation hangs in the air. The blackbird gives Tilli a blank look.
“Why, why?”, she asks, longing to know.
“Well, they unpack their sandwiches and then they make crumbs! I love children who make crumbs. They have a heart for us birds!”, Tilli explains. Slowly but surely the blackbird begins to understand.
“Ah ha, and then you peck up the crumbs!” she laughs. “But tell me: is it enough for a whole meal?”
“Sometimes it is, and sometimes it isn’t. You must never give up hope!” This has an earnest ring to it. The blackbird is sorry, she had always been lucky this winter; she had always found something to eat.
“What’s your name?”, Tilli asks the blackbird.
“My name is Alice, like Alice in Wonderland!”, the blackbird sings.
“Alice, today is your lucky day!”, Tilli calls out happily. “I’ll treat you to a meal!”
At this very moment a crowd of excitedly chattering pupils make their way towards the bus shelter. They sit down on the bench under the roof and just as Tilli had predicted, they unpack their sandwiches, or what’s left of them. Yes, and they make no end of crumbs. Tilli’s beak begins to water, but she doesn’t have the courage to fly down just yet. As soon as all the children have got onto the bus, both birds fly to the ground and peck up the crumbs. Tilli even finds and huge piece of crust, which she shares with her new friend.

To express her thanks, Alice sings a wonderful springtime song and if I’m not mistaken, I have just discovered them both in trusted unity on my patio. You, see, I have just scattered a handful of sunflower seeds there, as every morning.

© Regina Meier zu Verl für die Übersetzung Helen Swetlik

Oma Betty meditiert*

Oma Betty meditiert

„Oma, was machst du gerade?“, fragt Mila ihre Großmutter, die im Schneidersitz auf dem Teppich sitzt. Oma Betty öffnet kurz die Augen und lächelt.
„Ich meditiere!“, sagt sie leise.
„Ach so!“, sagt Mila. Sie überlegt eine Weile, dann startet sie einen neuen Versuch.
„Macht das Spaß, Oma, dieses Meditieren?“, fragt sie.
„Es tut gut!“, antwortet Oma. Mila betrachtet Omas Hände, die gefaltet auf ihrem Schoß liegen. Oma atmet ruhig ein und aus. Lustig klingt das Ausatmen, denn da pfeift immer so ein SSSS-Laut mit.
„Oma, warum machst du das?“ Mila hält ihr Ohr nahe an Omas Mund und lauscht.
„Das ist bewusstes Ausatmen, Mila. Versuch es doch auch einmal! Atme durch die Nase ein und dann durch den Mund auf SSS wieder aus!“, schlägt Oma vor.
Mila setzt sich ebenfalls in den Schneidersitz, faltet ihre Hände und atmet bewusst durch die Nase ein und durch den Mund auf SSS wieder aus.
„Ich merke nichts, Oma!“, kichert sie.
„Was solltest du denn merken?“, fragt Oma und öffnet die Augen wieder kurz.
„Na, dass es was mit mir macht. Mir geht’s wie eben, nicht besser und nicht schlechter!“, erklärt Mila.
„Man muss geduldig sein, Mila und regelmäßig üben!“
„Aber ich kann schon ganz lange atmen, Oma, das muss ich doch nicht üben. Jedes Kind kann das!“, meint Mila.
„Es geht nicht nur ums Atmen, es geht darum zur Ruhe zu kommen, den Geist zu erfrischen und auf die innere Stimme zu hören.“ Oma hat eine Engelsgeduld, auch wenn sie sich ein wenig gestört fühlt im Moment. Mila versucht es noch einmal. Fast zwei Minuten lange schafft sie es ganz still zu sein, dann springt sie auf.
„Oma, jetzt hat sie mit mir gesprochen!“, ruft sie fröhlich.
„Wer?“, fragt Oma.
„Die innere Stimme, sie hat geknurrt und gesagt: Mila, du hast Hunger! Was sagte deine Stimme, Oma?“
Oma lauscht, dann lacht sie laut auf.
„Meine innere Stimme sagt: Betty, steh auf und mach dem Kind ein Butterbrot!“
„Meditieren ist toll, Oma!“, sagt Mila und hüpft in die Küche. Morgen wird sie wieder mit Oma meditieren, ganz bestimmt!“

© Regina Meier zu Verl

Prinzessin Robert und ihre Prinzen

Prinzessin Robert und ihre Prinzen

Am Rosenmontag sollte in diesem Jahr ein Schulfest stattfinden.
„Lasst uns ein schönes buntes Fest feiern!“, hatte der Schulleiter in seiner Einladung geschrieben und darum gebeten, dass jedes Kind kostümiert zur Schule kommen sollte.
Die Eltern sollten für das leibliche Wohl sorgen und die Band der älteren Schüler würde für die Musik zuständig sein.
„Liebe Eltern!“, stand am Ende der Einladung. „Wir würden uns alle auch sehr freuen, wenn auch Sie sich kostümieren könnten. Schön wäre es auch, wenn sich einige Freiwillige finden würden, die uns helfen, den Saal zu schmücken. Es soll für die Kinder ein unvergessenes Fest werden, frei von all den Problemen unserer Zeit für ein paar Stunden. Ein kleiner Urlaub für unser aller Seelen. Bitte geben Sie Bescheid, ob wir mit Ihrer Mithilfe rechnen können.“
„Er hat recht!“, sagte Miras Vater Robert. „Wir sollten alle mal die Probleme für ein paar Stunden vergessen. Eine richtig gute Idee ist das!“
„Stimmt!“ Auch Miras Mutter fand die Idee richtig gut und schon überlegte sie, welche Kostüme es geben könnte. Auf dem Dachboden stand eine große Verkleidungskiste, mit deren Hilfe man vier Familien einkleiden könnte.
„Ich gehe als Prinzessin!“, verkündete Mira. „Haben wir so ein Kostüm?“
„Mehrere. Schau hier!“ Sie deutete auf einen alten Reisekoffer, mit dem die Urgroßeltern schon viele Reisen gemacht hatten. „Es sind alte Kostüme, die wir, meine drei Brüder und ich, ein paar Jahre lang immer wieder getragen haben.“
„Wir könnten alle drei diese Kostüme tragen, dann passen wir schön zusammen!“, fand Mama und das gefiel allen ganz gut.
„Nein“, entscheidet sich Mira schnell. „Wir machen es anders. Wir gehen als Prinzen, du und ich, Mama – und Papa ist die Prinzessin. Hurra! Das wird ein Spaß!“
Papa schaute ein wenig bedröppelt aus der Wäsche, so richtig gut gefiel ihm der Vorschlag nicht, aber seine beiden Frauen strahlten so, da mochte er ihnen den Spaß nicht verderben.
„Also gut!“, meinte er und fügte sie in sein Schicksal.
„Und was mache ich so als … Prinzessin“, fragte er und er klang wirklich gar nicht glücklich.
„Lächeln!“, sagte Mama.
„Lachen!“, rief Mira.
Und Papa lächelte und lachte gern, doch das konnte nicht alles sein, deshalb fragte er nach:
„Aber ich muss doch etwas tun als Prinzessin, außer schön zu sein und zu lächeln!“, sagte er.
„Stimmt!“, antwortete Mama. „Du musst den Prinzen sagen, was sie zu tun haben. Das können Frauen nämlich besser!“
Papa schluckte, fast wollte er sich schon ärgern, aber dann lächelte er und flüsterte Mama etwas ins Ohr, was Mira nicht verstanden hat.
Und Mama flüsterte zurück. Mira konnte wieder kein Wort verstehen.
„Versucht nicht, euch zu drücken!“, sagte sie lauter als beabsichtigt. Dann schnappte sie sich die Kostüme und stieg die Speicherleiter wieder hinab. „Wir sollten die nun anprobieren, ob sie passen! Kommt ihr?“
Kurze Zeit später standen alle drei in ihren Kostümen da. Mamas Brüder waren groß und schlank gewesen, so dass Mira und Mama kein Problem hatten mit den Größen. Papa allerdings passte das Prinzessinnenkleid nicht, eigentlich klar, oder? Aber all das Zubehör, Krone und Schmuck und noch so allerlei schmückendes Beiwerk war vorhanden, fehlte nur noch ein hübsches Kleid und das würde Mama schon irgendwie zaubern, denn sie war nicht nur ein Prinz, sondern auch eine Zauberin! Ehrlich!
Und eine Zauberin war sie auch dieses Mal. Großartig sah Papa aus, als Mama mit ihm fertig war. Fast wie eine echte Prinzessin. Nur das Gesicht passte nicht ganz dazu, denn es sah, irgendwie, leidend aus. Aber das gab sich dann auch, als sie beim Schulfest angekommen waren und am Ende sogar noch einen Preis für ihre Familienkostümierung erhielten.

© Regina Meier zu Verl