Lieblingstage, Reizwortgeschichte

Dummkopf, Donnerstag, denken, dreckig, dösen
Das waren die Reizwörter, die zu verarbeiten waren diesmal. Lest bitte auch bei meinen Kolleginnen, was ihnen dazu eingefallen ist:

Martina und Lore

Lieblingstag


Solange ich denken kann, ist der Donnerstag mein Tag. Als ich Kind war, hatte ich nämlich donnerstags Ballettunterricht. Den habe ich geliebt und somit war der Tag in der Woche, an dem wir uns zum Tanzen trafen mein Lieblingstag. Später, als ich das Ballett aus den Augen verloren hatte, besser gesagt: Ich hatte es mir aus dem Kopf geschlagen, weil es einfach nicht zu mir passte. Ich wollte da nur hin, weil Fräulein Monique so nett und ich verliebt in ihren französischen Akzent war. Ein weiterer Grund: Ich liebte Tutus, in Rosa. Ich war pummelig und rosa Tutus unterstrichen das auf ungünstige Art und Weise.
Später ging ich donnerstags zur Nachhilfe, nicht, weil ich etwa ein Dummkopf war, nein, ich verprasste mein Taschengeld für Manuel, den Studenten, der wiederum sein Taschengeld aufbesserte mit Nachhilfeangeboten in Spanisch. Ich war eine gute Schülerin, vor allem im sprachlichen Bereich hatte ich gar keine Probleme. Aber Manuel hatte es mir angetan und so büffelte ich für ihn spanische Vokabeln und Grammatik. Ich wollte ihn beeindrucken, das kostete eine Menge Kraft, da ich ja auch das Geld für die Nachhilfestunden noch verdienen musste, indem ich für die Nachbarn Rasen mähte oder für Tante Irmi Botengänge erledigte, die sie dann mit Küsschen und Barem honorierte. Ich wischte unser dreckiges Treppenhaus, trug Müllers den Müll runter (hihi, geniales Wortspiel, oder?) und war immer auf der Suche nach Geldquellen.
Als ich herausbekam, dass Manuel schwul war, hatte sich das für mich auch erledigt. „Du bist so gemein!“, hatte ich ihn angeschrien. „Das hättest du mir sagen müssen!“
Dafür schäme ich mich heute noch – damals wusste ich es einfach nicht besser, ich war verletzt und erschöpft.

Während ich hier in meinem Liegestuhl vor mich hindöse und an vergangene Zeiten denke, hat meine Enkelin Sandkuchen gebacken.
„Oma, komm probieren, ich habe einen schönen Kuchen gebacken!“, ruft sie mir zu und ich hieve mich aus dem Sessel und laufe zu ihr.
„Wie schön“, lobe ich den Kuchen und tu so, als probiere ich ein Stück. „Heute ist mein Lieblingstag!“, sage ich.
„Warum, Oma?“, fragt die Kleine.
„Weil du da bist!“, erkläre ich.
„Aber ich bin doch immer da!“ Sie grinst und tätschelt meine Wange mit ihren sandigen Händen.
„Eben! Deshalb ist auch jeder Tag mein Lieblingstag!“, fast versagt es mir die Stimme vor lauter Liebe und mein Herz macht kleine Ballettsprünge im rosa Tutu.

© Regina Meier zu Verl

2 Kommentare zu „Lieblingstage, Reizwortgeschichte

  1. Oh, ich gehe noch heute los, um mir ein rosa … oder nee, ich glaube, dass lasse ich doch lieber … aber vielleicht macht mein Herz ja auch ohne rosa Tutu Ballettsprünge … eine wunderbare Geschichte … zum Schmunzeln und zum Dahinschmelzen … von allem etwas! – Ich schicke dir liebe Grüße und Danke dir für diese wundervolle Geschichte!
    Martina

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  2. Hinter deinem Lieblingstag steckte also nicht nur der Donnerstag, Schmunzeln…
    Sondern ein Liebling!
    Hübsche Reizwortgeschichte
    Grüße dich ❤ lich
    Monika

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