Irgendwie schaut mein Frauchen heute etwas traurig aus der Wäsche. Was ist nur mit ihr los? Sie macht auch keine Anstalten, mich endlich für den Spaziergang anzuleinen. Das ist seltsam. Sonst sind wir um diese Zeit längst unterwegs. Ich müsste auch mal dringend pieseln.
Sie sitzt da auf ihrem Sessel und macht nichts, sie liest nicht, sie strickt nicht, sie telefoniert nicht. Ungewöhnlich ist das und so langsam mache ich mir echt Sorgen.
Da, jetzt legt sie schon wieder die Hände auf ihren Bauch und stöhnt. Ob sie Bauchschmerzen hat, so wie ich neulich?
Ich lege ihr meinen Kopf aufs Knie und versuche sie zu hypnotisieren. Gequält lächelt sie mich an und krault mich ein wenig hinter den Ohren. Das tut gut, aber es reicht nicht. Ich will raus! Jetzt!
Wäre ich noch etwas beweglicher, dann würde ich ihr auf den Schoß springen. Aber das kann ich nicht mehr, es ist schon blöd genug, dass ich nicht einmal mehr aufs Sofa kann. Dort war es immer so schön gemütlich, besonders dann, wenn Frauchen und ich gemeinsam dort lagen.
Wir sind zwei alte Damen, mein Frauchen und ich. Aber ich finde, dass wir beide noch ganz passabel aussehen und im Großen und Ganzen sind wir auch gesund, meist jedenfalls.
Ob ich einfach mal meine Leine holen sollte?
Doch, die hängt an der Garderobe und ich komme nicht dran. Ob es hilft, wenn ich sie anbelle, die Leine? Einen Versuch ist es wert. Also dann!
„Was machst du denn für ein Getöse, Emmi?“, fragt Frauchen. Endlich steht sie auf, seufzt, zieht ihre Schuhe an und die dicke Jacke. Dann befestigt sie die Leine an meinem Halsband und dann habe ich erreicht, was ich wollte. Es geht raus an die frische Luft. Das tut uns beiden gut. Frauchens Wangen röten sich sogar ein wenig.
„Hast recht gehabt, Emmi, nach draußen zu gehen war die beste Idee des Morgens. Schau mal, wie herrlich die Sonne scheint!“
Nach dreimaligem Pieseln und einmal „Ihr wisst schon was“, gehen wir noch ein Stückchen weiter. Hach, wie gut, dass ich mich durchgesetzt habe. Frauchen kann froh sein, dass sie mich hat!
„Wie froh ich bin, dass ich dich habe“, sagt Frauchen in diesem Moment. „Ohne dich hätte ich mich heute nicht aufraffen können!“
„Sag ich doch!“, denke ich und springe an ihr hoch. Wir tun uns gut, wir beide, echt!
„Ich werde mir die Welt anschauen“, beschloss das Hühnchen. Freudig piepsend lief es los. Plötzlich blieb es wie angewurzelt stehen. Ein schreckliches Ungeheuer kam ihm entgegen. Alles an ihm war groß und am allergrößten waren seine Ohren. Schnell rannte das Hühnchen zurück.
Das Ungeheuer war ein junger Hase, der sich plötzlich einem gefährlichen Vogel gegenüber sah. Dieser Vogel war zwar winzig, aber er blickte ihn mit scharfem, durchdringendem Blick an. Der spitze Schnabel war auch nicht gerade Vertrauen erweckend und so zog es der Hase vor, sich aus dem Staub zu machen.
Erst nach einigen Metern hielt er an und schaute nach, wie weit sein Verfolger gekommen war. Er sah gerade noch die Schwanzfedern um die Ecke verschwinden. Der Hase richtete sich stolz auf.
„Es gibt also ein gefährliches Tier, das Angst vor mir hat!“, dachte er, den doch alle immer den Angsthasen genannt hatten.
Auch das Hühnchen hatte aufgehört zu rennen. Neugierig trippelte es ein paar Schritte zurück und sah den Hasen in einiger Entfernung sitzen.
Vorsichtig gingen die beiden aufeinander zu und grüßten schüchtern.
„Na du“, sagte der Hase und das Hühnchen antwortete leise: „Na du.“
Sie schwiegen eine Weile und beäugten sich.
„Was bist du für ein Tier? So jemanden wie dich habe ich noch nie gesehen.“
„Danke gleichfalls“, der Hase hoppelte um das Hühnchen herum.
„Ich habe auch noch niemals einen solch komischen Vogel wie dich gesehen.“
„Von wegen, komischer Vogel“, piepste das Huhn aufgeregt, „ich bin ein Huhn und wenn ich größer bin kann ich Eier legen!“
„Ich lach mir ein Ohr ab“, feixte der Hase und schüttelte sich vor Lachen, so dass seine großen Ohren um den Kopf schlackerten. Das sah so komisch aus, dass das Hühnchen mitlachen musste, dabei schlug es aufgeregt mit den Flügeln und drehte sich im Kreis.
„Jetzt aber mal ernst bleiben“, sagte der Hase mit strenger Stimme. „Ich bin der Osterhase und die Eier legen unsere Frauen.“
Es war ja immerhin möglich, dass dieser komische Hase ebenfalls Eier legen konnte, dachte das Hühnchen.
„Wir schenken den Kindern Ostereier, die legt meine Mutter und wir Hasenkinder malen sie bunt an. In diesem Jahr darf ich auch mitmachen“, prahlte der Hase.
Das Hühnchen hatte für heute genug Neues gesehen und gehört.
„Ich muss jetzt nach Hause. Sollen wir uns Morgen wieder hier treffen?“, fragte es. Das Hasenkindungeheuer nickte.
„Okay, wir sehen uns nach dem Frühstück!“ Eilig hoppelte der neue Freund davon und das Hühnchen sah zu, dass es schnell nach Hause kam.
„Kind, wo warst du denn nur? Ich habe dich schon überall gesucht. Du weißt doch, dass ich mein Nest nicht lange verlassen kann, sonst nimmt mir der Bauer die Eier weg.“, schimpfte die Mutter.
„Diesen bösen Bauern werde ich noch ins Bein beißen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe!“ Das Hühnchen ärgerte sich.
„Das wirst du nicht tun, sonst gibt es was auf den Schnabel.“ Die Mutter gackerte aufgeregt, sie war froh, dass sie ein so prächtiges Kind aufziehen durfte, das war nicht selbstverständlich, denn die meisten Eier wurden vom Bauern eingesammelt.
„Mama, ich habe heute einen Osterhasen kennen gelernt, er hat mir erzählt, dass er Eier anmalt und verschenkt.“ Mutter Huhn schüttelte verärgert den Kopf.
„Der Prahlhans schmückt sich mit fremden Federn!“
„Er hatte aber keine Federn, Mama, sondern ein weiches Fell. Und er sagte, dass die Hasenfrauen Eier legen können.“
„Das ist es ja, Hasen können keine Eier legen, sie nehmen unsere und bemalen und verschenken sie. Eine Unverschämtheit ist das!“
Das Hühnchen zog es vor, nicht weiter nachzufragen.
In der Nacht träumte es von bunten Eiern und glücklichen Kindern und gleich mit dem ersten Sonnenstrahl hüpfte es aus dem Nest und trippelte zu der Stelle, an der es gestern den Osterhasen getroffen hatte.
Der neue Freund war auch schon da.
„Weißt du was“, schlug er vor, „ich nehme dich mit und zeige dir unsere Malstube.“
Das Hühnchen war begeistert. Sie machten sich auf den Weg und die Hasenfamilie nahm das Hühnchen freundlich auf.
„Wie schön, dass du uns besuchst“, Mama Hase freute sich, sie schnupperte lustig mit dem Näschen.
Dann zeigte sie dem Gast die Ostereiermalstube, in der vier Hasenkinder damit beschäftigt waren, die Eier zu färben. Überall standen Farbtöpfe und Pinsel herum und die Häschen waren auch schon ganz bunt.
„Ich möchte mitmachen“, bat das Hühnchen und rupfte sich eine Feder aus, die es in einen der Farbtöpfe tauchte. Dann malte es feine Muster auf ein schneeweißes Ei.
„Natürlich darfst du mitmachen, schließlich liefert ihr Hühner ja die Eier. Jedes Kind weiß das.“
„Liebe Frau Osterhase, aber dein eigenes Kind weiß es wohl nicht!“
Frau Hase musste nun lachen.
„Ich wollte nur ein bisschen angeben“, erklärte der Hasenjunge.
Dann machten sie sich an die Arbeit und so kam es, dass in diesem Jahr auch ein Hühnchen an der Ostereiermalaktion beteiligt war und es wurden ganz besonders feine Ostereier.
„Blaumeisen und Kohlmeisen sind auf jeden Fall täglich da, auch mehrere Rotkehlchen kommen immer wieder und die frechen Spatzen sowieso!“, erzählt Oma, die nichts mehr liebt, als vom Esszimmerfenster aus die Besucher auf ihrer Terrasse zu beobachten.
„Und die großen dicken da vorn, was sind das für Vögel?“, will Lio wissen und klopft an die Scheibe. Im Nu sind alle gefiederten Freunde verschwunden.
„Hey, du darfst sie nicht stören beim Fressen, sie haben doch Angst vor uns!“, schimpft Oma.
„Oh, das wollte ich nicht!“, sagt Lio schuldbewusst.
„Die Großen, das sind Drosseln“, erklärt Oma. „Die schaffen es nicht, an die Meisenknödel zu kommen und auch das kleine Futterhäuschen ist für sie schlecht zu erreichen, deshalb streue ich für sie immer ein wenig Futter auf den Schnee. Das darf aber der Opa nicht sehen, dann schimpft er mit mir!“, erzählt Oma und lacht.
„Warum das denn?“, will Lio wissen.
„Weil er sagt, dass ich die Mäuse damit anlocke und wenn sich dann mal eine im Haus verirrt, dann ist das meine Schuld, behauptet Opa.“
Nun muss auch Lio lachen. „Das ist doch Quatsch. Hast du schonmal in Opas Pferdestall geguckt? Da wohnen unzählig viele Mäuse, die fressen alles, was sie kriegen können, die kleinen Schelme!“
„Und die verirren sich natürlich nicht im Haus, die hat Opa erzogen, nicht wahr?“ Oma lacht zwar noch, aber ein bisschen ärgerlich wird sie nun doch.
„Na warte, mein Lieber!“, sagt sie drohend und meint damit nicht den Lio.
„Aber verrate nicht, dass ich dir das erzählt habe!“, bitte Lio.
„Ach was, das wusste ich doch längst“, sagt Oma. „Hast du Lust, eine Runde mit mir spazieren zu gehen?“, fragt sie und da ist Lio sofort dabei. Schnell ziehen die beiden ihre Winterstiefel, die dicken Jacken und Handschuhe an und Omas selbstgestrickte Mützen wärmen die Ohren.
„Was hast du im Sinn, Oma?“, fragt Lio, der seine Oma ganz schön gut kennt. Wenn sie freiwillig rausgeht, ohne im Garten zu arbeiten, was ja jetzt im Winter nicht möglich ist, dann braucht sie die frische Luft als Treibstoff für ihren Kopf. So hat sie ihm das einmal erklärt und oft entstehen dann nach den Spaziergängen Geschichten.
„Na, was werde ich wohl im Sinn haben?“ Oma lacht. „Eine Geschichte!“
Lio strahlt. Er mag Omas Geschichten sehr und meist ist er der Erste, der sie hören oder lesen darf.
„Worum geht’s diesmal?“, fragt er neugierig.
„Rate!“ Oma grinst, kein Anflug mehr von schlechter Laune.
„Geht’s um die Vögel auf der Terrasse?“
„Nein, die habe ich schon so oft für meine Geschichten verwendet!“
„Geht’s um Opa?“
„Nur ein bisschen, auf jeden Fall wird es eine Geschichte werden, die Opa zu denken geben wird – oder die ihn ärgert, je nachdem!“
„Du machst es aber spannend!“ Jetzt möchte Lio doch gern wissen, was Opa ärgern könnte, ob Oma ihn doch verraten würde. Nein, das sah ihr gar nicht ähnlich, vor allen Dingen dann nicht, wenn sie etwas versprochen hatte. Auf Oma war Verlass, immer.
Eine Weile schweigen beide. Dann sagt Oma: „Die Geschichte der Terrassen- und Stallmäuse! Das ist der Titel, damit du weißt, um was es geht und nun hilf mir beim Denken!“, fordert sie Lio auf und der schnattert auch sofort los.
„Es waren einmal ein paar Terrassenmäuse und viele, viele Stallmäuse…“
Das Stroh ist eingefahren, riesige Rundballen lagern in der Scheune. Die Felder sind leer, kein Hälmchen mehr, keine Kornblume, kein Klatschmohn. Schon bald wird der Trecker seines Amtes walten und das abgeerntete Feld grubbern oder pflügen. Ein ewiger Kreislauf! Während sich alle freuen, steht Marius mitten im Stoppelfeld und kämpft mit den Tränen. So schön war der Acker gewesen mit den geschmeidigen Kornhalmen und den Blüten, die so schöne Farbtupfer abgegeben haben. Oft hat er sich hier versteckt und die kleine Welt mit all den Tieren beobachtet. Und nun sind sie alle verschwunden. „Schade“ murmelt er. „Das finde ich auch!“, sagt eine feine Stimme. Marius kann niemanden sehen. Komisch! „Hier unten bin ich, sei vorsichtig mit deinen großen Füßen“, sagt die Stimme wieder. Marius beugt sich hinunter und sieht einen sehr kleinen Feldhamster, der noch ganz jung sein muss. „Oh!“ Marius ist verdutzt. „Ein Feldhamster, der sprechen kann?“ „Weiß der Himmel, warum ich eure Sprache verstehe.“ Der kleine Hamster seufzt. „Ehrlich gesagt weiß ich es auch erst seit eben. Vielleicht sind es nur deine Worte, die mich erreichen und ich muss sagen, es gefällt mir.“ Er seufzt noch ein bisschen mehr. „Es ist doch gut, dass man immer eine Sache hat, die sich gut anfühlt, denn ehrlich, dass ihr meine Heimat mit eurer großen Maschine zerstört habt, das, ja, das gefällt mir überhaupt nicht.“ „Ich verstehe dich so gut, lieber Hamster. Mir geht es nicht anders. Aber weißt du, wir brauchen doch das Korn, um es zu mahlen und aus dem Mehl dann Brot und Kuchen zu backen!“, versucht Marius dem Hamster zu erklären. So hat er es gelernt und es leuchtet ihm auch ein. Allerdings haben die Menschen früher nicht so riesige laute Maschinen dafür benutzt und die sind trotzdem satt geworden, oder? Aber das sagt er dem Hamster besser nicht, er würde es nicht verstehen. „Mehl? Brot? Kuchen? Braucht ihr Menschen das?“ Fragend sieht der kleine Kerl Marius an. „Ich kann zwar deine Worte verstehen, aber was sie mir sagen möchten, verstehe ich nicht immer.“ „Ob wir das unbedingt brauchen? Das weiß ich nicht, aber es ist lecker. Warte, ich glaube, ich einen Keks bei mir, dann kannst du mal probieren!“ Marius wühlt in seinen Hosentaschen und findet tatsächlich ein kleines Paket Butterkekse für den Notfall. Vorsichtig nimmt der kleine Hamster das seltsame Ding, das sich Keks nannte, in seine Pfötchen und schnuppert, dann probiert er, vorsichtig, ein bisschen misstrauisch auch, kaut, schluckt, beißt noch einmal ab und ein Strahlen überzieht sein Gesichtchen. „Hmmmm!“, macht er und noch einmal: „Hmmmm!“ Marius grinst. Es schmeckt dem Hamster, es ist nicht zu übersehen und zu überhören. „Siehst du, ich habe es doch gesagt, Kekse sind lecker!“, sagt er und beißt selbst noch einmal genüsslich ab. „Und dafür muss man das Korn mahlen?“, fragt der kleine Hamster. „Ja, genau. Man mahlt es zu Mehl und dann kommen ein paar weitere Zutaten dazu und es wird im Ofen gebacken. Brot ist auch sehr lecker und Kuchen auch. Wenn du willst, bringe ich dir beim nächsten Mal kleine Kostproben mit“, schlägt Marius vor. „Oh ja, oh ja, das wäre mir eine Freude, aber…“ Der kleine Feldhamster macht eine Pause und ringt nach Worten. „Ein nächstes Mal, das wird nicht möglich sein. Noch heute Abend werde ich mit meiner Familie umziehen, irgendwohin, wo die Menschen uns unsere Nahrung nicht wegnehmen. Schade, oder nicht?“ Er deutete eine kleine Verbeugung an. „Aaaber … du musst mir nur sagen, wohin ihr zieht, dann werde ich dich besuchen und bringe Kuchen mit, halt, ich habe eine noch bessere Idee …“ Marius will den kleinen Freund nicht so schnell wieder verlieren, deshalb will er ihn überreden, zu ihm in den Garten zu ziehen. Da gibt es einige schöne Stellen, wo er sich mit seiner Familie einrichten könnte, und niemand würde sie stören. Während er noch überlegt, wie er dem kleinen Hamsterfreund seinen Vorschlag schmackhaft machen könnte, hallt plötzlich Mamas Stimme über das Feld. „Marius! Hörst du mich? Marius! Kommst du? Wir wollen nach Hause fahren.“ Nach Hause? Jetzt schon? „Komme gleich!“, ruft er schnell und überlegt fieberhaft, was nun zu tun ist. „Lieber Hamster, können wir uns hier morgen früh noch einmal treffen? Ich würde dich und deine Familie gern in unseren Garten einladen. Aber ich muss das erst vorbereiten und dann brauche ich ja auch einen Korb oder sowas, in dem ihr mit mir auf dem Fahrrad mitfahren könnt!“ „Mit dem Fahrrad?“, fragt der Hamster ängstlich. „Ist das denn nicht gefährlich? Und wie sollen wir dann wieder nach Hause kommen? Und überhaupt. Ich würde sagen …“ Mehr sagt der Hamster nicht mehr, das heißt, mehr kann Marius nicht mehr hören, auch wenn er noch so sehr die Augen aufreißt und nach ihm Ausschau hält: Der Hamster ist verschwunden. „Seltsam!“, murmelt er und reibt sich die Augen. „Was hat ihn so erschreckt und wie konnte er verschwinden? Ich habe gar nichts gesehen. hm?“ „Komm jetzt, Marius“, ruft die Mutter schon wieder. „Und träume nicht andauernd.“
Natürlich setzt sich Marius am nächsten Morgen auf sein Rad und fährt zu dem abgeernteten Feld. Ob er da den Feldhamster antrifft? Oder hat er das nette Gespräch mit ihm nur geträumt. Als er aber an der Stelle vom Vortag einen halben Butterkeks entdeckt, musste ja wohl etwas dran gewesen sein an der Geschichte, oder?
Geräusch, Gitter, gehen, gelb, geräumig Das waren die Wörter, die heute mit eingebaut werden mussten. Wir sind heute nur zu zweit, da Lore sich von einem heftigen Sturz erholen muss. Wir wünschen ihr gute Besserung und freuen uns, wenn sie bald wieder dabei sein kann! Lest bitte auch bei MARTINA KLICK
Hier kannst du dir die Geschichte anhören:
Krümel träumt
Krümel hob seinen Kopf und stellte die Ohren auf. Da war doch ein Geräusch gewesen, mitten in der Nacht. Da! Schon wieder. Krümel bellte zweimal kurz „Wuff, Wuff!“ Dann lauschte er aufmerksam. Er hörte nichts mehr und legte sich wieder bequem hin. Ach, er war so müde und hatte auch überhaupt keine Lust, Einbrecher zu verjagen. Sicher hatte er geträumt. Er versuchte, sich zu erinnern, wovon er geträumt hatte. Es war doch gerade so schön gewesen. War da nicht ein Hundemädchen vorgekommen? Verflixt, Krümel wusste es nicht mehr und jetzt konnte er auch nicht wieder einschlafen vor lauter Denkerei. Wie blöd war das denn! Vielleicht könnte er mal kurz in die Küche gehen und einen Schluck trinken, sicher schaffte er es anschließend, wieder in seinem geräumigen Kuschelkorb einzuschlafen. Einen Versuch war es wert. Also, ab in die Küche. Dort schlabberte er den gesamten Wassernapf leer und bedauerte, dass da nicht ein einziges Leckerchen im Fressnapf lag. Dabei mochte er doch diese gelben Hunde-Biskuits so gern, bei denen vorn auf der Tüte diese süße Hundedame abgebildet war. Die war es auch, die ständig in seinen Träumen vorkam, jetzt fiel es ihm wieder ein. Was gäbe er dafür, die Süße jetzt betrachten zu dürfen, die Tüte dürfte auch ruhig leer sein. Irgendwo hatte er doch neulich eine dieser Verpackungen aus dem Müll gerettet und versteckt, wo war das nur gewesen? Krümel machte sich auf die Suche. Er fing in der Küche an. Unter dem Tisch war nichts, unter der Eckbank auch nicht. Die Schränke konnte er nicht öffnen und die Arbeitsplatte war unerreichbar für ihn. Weiter ging es im Wohnzimmer. Er krabbelte unters Sofa, schaute hinter den Sofakissen, wobei er sie im hohen Bogen ins Zimmer warf. Selbst in den großen Topfblumen fand er nichts auf Anhieb. Vielleicht hatte er die Tüte dort verbuddelt? Mit den Vorderpfoten schob er zunächst vorsichtig die Erde ein wenig zur Seite. Als er nichts fand, wurde er ärgerlich und schließlich vergaß er, dass er im Wohnzimmer war und nicht draußen im Garten, er buddelte also heftig, so dass die Blumenerde nur so flog. Die Tüte fand er nicht und nach der Niedergeschlagenheit meldet sich dann das schlechte Gewissen. Krümel zog den Schwanz ein und wimmerte. Was hatte er nur wieder angestellt. Da würde Mama sicher heftig schimpfen. Vor lauter Not musste er nun auch noch pinkeln, ganz dringend musste er. Er erleichterte sich auf der Blumenerde, die auf dem Teppich lag, oh, das tat gut! Als Mama am nächsten Morgen das Malheur entdeckte, kreischte sie so laut, dass Krümel vor lauter Schreck in den Flur flitzte und in seine Transportbox kletterte, die unter der Garderobe stand. Eigentlich mochte er diese blöde Box gar nicht leiden, weil er die Erfahrung gemacht hatte, dass es dann zum Tierarzt ging, und der piekte ihn dann mit dieser furchtbaren Spritze. Aber heute fühlte er sich in der Box in Sicherheit. Mit der Schnauze zog er sogar das Gitter von innen zu und sagte keinen Mucks mehr. Den ganzen Vormittag blieb er darin und als er sich sein Kissen zurechtschieben wollte, knisterte es ein wenig. Da war sie ja, die Tüte mit dem Portrait der Angebeteten. So wurde doch alles wieder gut und Mama, die beruhigte sich auch bald wieder, ganz bestimmt!
Ferien, Frühstück, flott, freuen und fauchen Das sind die Wörter, die diesmal mit eingebaut werden sollten. Bitte lest auch bei meinen Kolleginnen: Martina und Lore
Auseinander geliebt
Hannes arbeitete schon viele Jahre in einem Tierpark. Alle tierischen Bewohner waren ihm ans Herz gewachsen. Besonders gern aber hatte er die kleinen Ziegen. Besucher, die öfter herkamen, hatten ihm aus diesem Grund den Spitznahmen Ziegenhannes gegeben. Er freute sich über diesen Namen, erinnerte er ihn doch jeden Tag aufs Neue an seine Kindheit, in der man ihn immer Dackelhannes gerufen hatte. In seinem Zuhause hatten nämlich sechs niedlich anstrengende Dackel gelebt, sein Vater hatte eine Rauhaardackelzucht gehabt, und nachmittags ging Hannes mit allen sechs Hunden spazieren. Das war lange her, trotzdem träumte Hannes davon, irgendwann mal wieder einen Dackel, gern auch zwei oder drei, zuhause zu haben. Leider war seine Marianne völlig dagegen. „Ich kann nicht gut mit Hunden!“, beteuerte sie immer wieder. Hannes glaubte ihr, denn wenn sie bei einem Spaziergang mal auf einen Hund trafen, weiteten sich Mariannes Augen vor Schreck und sie zitterte vor Angst. Überhaupt hatte sie Probleme mit Tieren, von Katze bis Maus, von den Spatzen im Hof bis zu harmlosen Mücken. Und Ziegen. Nur Schmetterlinge, die liebte sie über alles, fanatisch fast. Hannes war, auch wenn er seine Marianne liebte, sehr traurig darüber. Ein einziges Mal in all den Jahren hatte sie ihn an seiner Arbeitsstelle besucht. Wenn er am Abend heimkam, musste er seine Kleidung flott in der Garage wechseln, weil Marianne den Geruch, der daran haftete, nicht ertragen konnte. Das machte ihn oft traurig, auch, weil er nicht herausfinden konnte, ob sie die Tiere nur fürchtete, oder ob sie sie schlicht nicht mochte. Wie konnte er sie da bedingungslos lieben? Und wie immer, wenn er darüber nachdachte, war er froh, dass sie den Gang zum Standesamt bisher nicht gewagt hatten. Seit 27 Jahren! Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn sie ein Kind gehabt hätten. Doch es war müßig, darüber nachzudenken, der Zug war wohl abgefahren und vielleicht war das ebenfalls auch besser so. Als Hannes und Marianne nach einer Ferienreise wieder zuhause angekommen waren, passierte etwas, das ihr ganzes Leben verändern würde: Alwin war gestorben! Einfach nicht mehr aufgewacht war Hannes‘ Kollege und bester Freund seit Kindheitstagen, der draußen vor der Stadt allein in seinem kleinen Häuschen mit dem großen Garten lebte. Und ihn, Hannes, hatte Alwin zum Alleinerben bestimmt für Haus, Garten und … für Königspudel Amadeus. „Du erwartest doch nicht, dass ich mit dir in diese „Bude“ ziehe!“, hatte Marianne gefaucht, als Hannes von der Testamentsverlesung nach Hause gekommen war. Seit Alwins Tod kümmerte sich Hannes schon um Amadeus und da er einen Schlüssel zu Alwins Haus hatte, war er schon ab und zu dageblieben, bevor er wusste, dass ihm das alles mal gehören sollte. Bude? Es war so ein schönes Haus, so ein friedliches, harmonisches und Amadeus ein Juwel. Nie hatte er einen friedfertigeren und klügeren Hund erlebt als ihn. Sollte er dieses liebevolle Geschöpf etwa in ein Tierheim bringen? Nein. „Sieh es dir doch einmal an!“, bat er Marianne eines Morgens nach dem Frühstück. „Du wirst es lieben. Und Amadeus auch. Er tut dir nichts zuleide. Ich verspreche es dir.“ Ein paar Wochen gingen ins Land. Marianne hatte sich nicht erweichen lassen und lebte nun allein in der Wohnung, die sie zuvor mit Hannes bewohnt hatte. Aber es hatte sich etwas verändert zwischen ihnen. So fuhr Hannes jeden Abend nach Dienstschluss zuerst zu Marianne, schaute, ob sie etwas brauchte, trank einen Kaffee mit ihr und bekam dafür eine liebevoll gekochte Mahlzeit mit nach Hause. Manchmal brachte er Blumen für sie mit und sie blieb stets am Fenster stehen und winkte ihm nach, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte. Doch irgendwann wurden seine Besuche seltener. Sie vertrugen sich nicht mehr so gut wie früher, und ohne es zu merken, waren sie irgendwann kein Paar mehr und jeder lebte sein Leben, das nicht mehr für zwei genügte. Einmal noch hatte Hannes sie gesehen. Im Park. Sie saß dort, angeregt plaudernd, mit roten Wangen vor Eifer, mit einer Freundin und zwei Schäferhunden und jede hielt eine Hundeleine in der Hand. Von Mariannes Furcht vor Hunden war nichts zu spüren. „Sie hat mich wohl nicht genügend geliebt“, murmelte Hannes. „Oder zu sehr. So sehr, dass sie kein weiteres Wesen in unserer Liebe ertragen konnte?“
Als ich die Bibliothek betrat, wusste ich noch genau, was ich dort wollte. Aber, wie das so ist, wenn man einer Fülle an Informationen ausgesetzt ist und sich Buch an Buch reiht, kann man schonmal vergessen, was der eigentliche Grund für den Besuch war.
Das ist aber auch gar nicht schlimm, denn Lesen bildet und es kann ja nicht falsch sein, sich einfach mal inspirieren zu lassen. Ich stehe also mit schräg gelegtem Kopf vor einem Regal und versuchte die Titel der dort stehenden Bücher zu entziffern. Ab und zu greife ich ein Buch heraus und lese ein paar Seiten, manchmal überfliege ich nur den Klappentext. Immer wieder stelle ich fest, dass ich eine große Zahl der Bücher kenne, was aber kein Wunder ist – ich stehe in meiner Lieblingsabteilung, der Kinderbuchoase. Hier kenne ich die Klassiker und die Bücher meiner Lieblingsautoren und immer wieder freue ich mich darüber, etwas ganz Neues zu entdecken. Ich tarne meine Gier damit, mir einzureden, dass ich es meinen Enkeln vorlesen möchte.
Mache ich auch und selbst das ist Eigennutz. Solange sie es lieben, werde ich das schamlos ausnutzen, das könnt ihr mir glauben. Bücher begeistern mich eben und das ist ja kein Charakterfehler, nicht wahr?
Ich gehe nach Stunden dann zur Ausgabe und lasse einen Stapel Bücher einlesen, den ich mit nach Hause nehmen möchte. Wie gut, dass ich meinen Hackenporsche* bei mir habe, das passt allerhand rein, denn zum Tragen sind die Bücher viel zu schwer.
Als ich nach Hause komme, brauche ich erstmal einen Kaffee und dann ein Enkelkind, oder auch mehrere, damit wir mit dem Schmökern anfangen können. Als das Telefon schellt, wird dieses Enkelkinderproblem schnell behoben. Nummer Eins kündigt sich an, das gefällt mir sehr und bei der Gelegenheit fällt mir auch wieder ein, was ich eigentlich in der Bibliothek ausleihen wollte:
„Gedächtnistraining im Alter“ – habe schon viel Gutes über dieses Buch gelesen, vielleicht hilft es ja.
Die alte Adelheid sitzt in einem Ruderboot und angelt. Dabei kommt es ihr gar nicht darauf an, etwas zu fangen, nein, sie genießt einfach die Ruhe und das Alleinsein. „Ich habe es so gut“, sagt sie sich und seufzt. „Welche Kuh hat so ein großes Glück wie ich und darf in aller Seelenruhe in einem Boot sitzen und angeln?“ Etwas ungewöhnlich ist das schon, oder habt ihr schon einmal eine schwarzbunte Kuh beim Angeln gesehen? Kaum jemand, oder? Ich möchte nicht angeben, aber ich habe eben einen Blick für so etwas und hier kommt mir entgegen, dass eine Kuh relativ groß und kaum zu übersehen ist, nicht wahr? Würde es sich um eine Ameise handeln, wäre mir so eine Sensation sicher verborgen geblieben. Die könnte man mit bloßem Auge kaum entdecken. Aber zurück zu Adelheid. Ich kann mich noch gut an ihre Ankunft auf unserem Bauernhof erinnern. Damals war es noch Brauch, dass, wenn eine Frau auf einen Hof „einheiratete“, die Nachbarn der Braut eine Kuh als Mitgift gaben. So war das auch bei Adelheid. Sie war eine Mitgift. Darauf war sie zunächst sehr stolz gewesen, denn man hatte sie gewaschen und herausgeschmückt mit einem wundervollen Blumenkränzchen. Aber sie hatte keinen leichten Start, denn alle anderen Stallgenossinnen kannten sich schon länger und Adelheid als Neue, wurde beäugt und gehänselt. Warum? Sie war schwarzbunt und im Stall gab es ausschließlich braune Kühe. Da Kühe aber ein recht gutes Sozialverhalten haben, lebte sich Adelheid bald ein und schloss auch Freundschaften mit der ein- oder anderen Kuhdame. Eigentlich sind Kühe den ganzen Tag mit dem Fressen beschäftigt, aber es bleibt schon Zeit für ein wenig Geplauder und da erzählt man sich auch von seinen geheimsten Wünschen. Als Freundschaftsbeweis leckt man sich dann gegenseitig das Fell und stößt zufriedene Seufzer aus. Liese, eine von Adelheids engsten Freundinnen, wünschte sich nichts sehnlicher, als einmal einen ganzen Eimer Erdbeereis verspeisen zu dürfen. Immer und immer wieder hatte sie Adelheid davon erzählt und als auf dem Hof einmal der Gefrierschrank ausgefallen war und eine Riesenportion Erdbeereis geschmolzen war, da war ihr Traum wahr geworden, denn die Bäuerin hatte den Kühen das cremige Dessert hingestellt mit den Worten: „Genießt es, ich kann es nicht mehr verkaufen!“ Da alle Lieses Herzenswunsch kannten, ließ man ihr den Vortritt. Schön, oder? Lächelnd erinnert sich Adelheid an diesen Tag, während sie hier in ihrem Boot sitzt und angelt. Dieser Wunsch war so einzigartig wie sie selbst und lange hatte sie nicht daran geglaubt, dass er sich erfüllen könnte. Dann hatte ihre Freundin Klärchen ihr aber verraten, dass alles möglich ist, wenn man nur fest genug daran glaubt und ihr einen Satz gesagt, den Clärchen selbst zu ihrem Lebensmotto gemacht hatte. Er lautet: „Wenn’s Beine hat, dann geht’s!“ Ihr seht, man muss nur fest dran glauben, Adelheid hat Beine und sitzt nun im Boot und angelt, das ist der Beweis, oder nicht?
Das waren die Wörter, die diesmal verwendet werden mussten. Bitte lest auch bei meinen Kolleginnen MARTINA und LORE
Dreckspatz Pepper
„Du glaubst doch nicht, dass du mit diesen schmutzigen Pfoten ins Haus darfst?“, fragte Conny Pepper, den kleinen Jack Russell Terrier, der mit freudig wedelndem Schwanz vor ihr stand. Anmutig legte er sein Köpfchen von einer Seite zur anderen. Er war offensichtlich sehr stolz, dass nicht nur seine Pfoten schlammig waren, sondern sein gesamtes Fell. „Hast du wieder jede Pfütze unterwegs mitgenommen?“ Conny schüttelte verärgert den Kopf. „Nein, nein, nein, ich fasse es nicht!“, schimpfte sie. „Mama, nicht schimpfen. Pepper kann gar nichts dafür. Weißt du, da war so ein Hundemädchen, das hatte es ihm angetan“, Florian verteidigte Pepper, obwohl er wusste, dass das fremde Hundemädchen keine Schuld traf. Er hätte besser aufpassen müssen und den Hund nicht von der Leine lassen dürfen. Das war klar. „Du hast ihn frei laufen lassen, gib es zu!“, sagte Mama Conny da auch schon. Florian hatte es geahnt. Seine Mutter konnte Gedanken lesen, das war doch zum Haare raufen. „Habe ich, es war aber weit und breit niemand zu sehen und dann kam da dieser kleine Hund um die Ecke. Die beiden tobten durch jede Pfütze.“, sagte Florian schuldbewusst und ärgerte sich insgeheim, dass er auf dem Nachhauseweg nicht einmal ein paar Blümchen für seine Mama gepflückt hatte. Dann wäre das Donnerwetter vielleicht halb so wild ausgefallen. „Du weißt, was nun zu tun ist?“, fragte die Mutter. „Ja, da ist wohl die Badewanne angesagt und anschließend wir das Fell gepflegt und dann muss das Badzimmer gewischt werden“, Florian seufzte. „Jawohl, genau in der Reihenfolge – aber warte, ich helfe dir“, versprach Mama Conny. Florian atmete auf, wenn Mama dabei war, dann war die Prozedur nur halb so wild, denn Pepper war, abgesehen von dreckigen Pfützen, absolut wasserscheu. Pepper spielte dann auch, wie erwartet, den wilden Kerl. Er wehrte sich und versuchte zu entkommen, doch er hatte keine Chance. Am schlimmsten war es, wenn das Hundeshampoo zum Einsatz kam. Wäre das nun pfeffrig gewesen, dann könnte man das ja verstehen, aber es roch lecker und war so mild, dass es sicherlich nicht in den Augen biss. Florian hatte aber Verständnis, denn ihm machte das Haarewaschen auch immer ein wenig Stress. „Beim nächsten Spaziergang passe ich besser auf!“, versprach Florian, als sie später mit dem frisch gebadeten Pepper im Wohnzimmer spielten. „Ich bitte darum!“, sagte Mama Conny lachend und dann erzählte sie mir die Geschichte von ihrer Hündin Jacky, die genauso gern durch Pfützen getobt war, wie unser Pepper. Damals war Mama das Kind gewesen und sie hatte nicht vergessen, dass so etwas eben mal passieren konnte. Gut so!