Das Schäfchen mit dem Sprachfehler

Das Schäfchen mit dem Sprachfehler

(unten auch zum Anhören)

„Muh“, machte das Schäfchen.
„Hey, du, du bist ein Schaf, Schafe machen nicht „Muh“, sie machen „Mäh“!“, sagte der Esel, der auf dem Weg nach Bethlehem schon seit Stunden neben dem Schaf hertrottete.
„Muh! Das weiß ich doch, aber es gelingt mir nicht!“, antwortete das Schäfchen traurig.
„Du musst üben“, meinte der Esel und machte es dem Schaf noch einmal vor. „Mäh, Mäh, Mäh, ist doch ganz einfach!“ Er lachte.
„Du hast gut lachen. Dir fullt es scheinbar nicht schwer, das Wort zu sagen. Ich übe doch schon immer, hör: Muh, Muh, Muh!“
Der Esel lachte noch immer, aber er dachte darüber nach, wie er dem Schaf helfen könnte.
„Sag mal ‚Schaf‘!“ Das Schäfchen gehorchte. „Schaf!“, sagte es brav. „Das ist einfach!“
„Und wie heißt ein kleines Schaf?“, fragte der Esel hinterlistig.
„Schufchen!“, blöckte das Schaf und es ärgerte sich, dass auch dieses Wort nicht gelang. „Siehst du, ich kann es einfach nicht.“
„Da muss doch was zu machen sein“, überlegte der Esel. „Es kann ja nicht sein, dass wir in Bethlehem ankommen und du sagst zur Begrüßung ‚Muh‘. Was soll das Christkind denn von uns denken?“ Traurig ließ er seine langen Ohren hängen, doch plötzlich stellte er sie wieder auf.
„Ich hab’s!“, rief er begeistert. „Du sagst ganz einfach keine Wörter mehr, in denen ein Ä vorkommt, denn das Ä ist ja wohl das Problem, oder?“
„Muh, ich glaube wohl“, antwortete das Schäfchen.
„Machen wir noch einen Test“, schlug der Esel vor. „Sag mal ‚Bär‘!“
Das Schäfchen begann zu zittern. „Muh, das sage ich nicht, vor dem habe ich Angst!“
„Ach ja, dann sag mal ‚Käse‘!“
„Kuse, verflixt nochmal!“
„Dann sag ‚Täter‘!“
„Nee, mach ich nicht, du lachst mich ja wieder aus“, das kleine Schaf verzweifelte mehr und mehr.
Sie hatten aber schon wieder ein langes Stück ihres Weges zurückgelegt. Eine Weile schwiegen beide, dann rief der Esel fröhlich:
„Jetzt weiß ich, wie wir’s machen!“
Dem Schaf gefiel dieses WIR sehr, es fühlte sich plötzlich nicht mehr allein mit seinem Problem und es tat ihm gut, dass der Esel zum Freund wurde und es ernst nahm.
„Pass auf“, sagte dieser jetzt. „Sag mal Esel!“
„Esel“, rief das Schaf, ohne jegliches Problem.
„Jetzt: Kerze rufen!“, befahl der Esel.
„Kerze!“, rief das Schaf.
„Bethlehem!“, schlug der Esel vor. Auch das klappte gut. Das Schaf wurde immer mutiger und posaunte die E-Wörter nur so raus.
„Tee!“, war das nächste Wort.
„Tee!“, rief auch das Schaf.
„Meh!“, das war wieder der Esel.
„Meh!“, blökte das Schaf begeistert. „Meh, Meh, Meh!“
„Na siehste!“, rief der Esel. „Ich bin stolz auf dich, Schaf!“
„Und ich bin auch stolz auf mich, denn nun weiß ich endlich, wie ich diesen blöden Buchstaben umgehen kann. Ich nehme einfach das E und weißt du was, lieber Esel?“, fragte das Schaf glücklich.
„Erzähle!“, meinte der Esel gespannt.
„Ich weiß nun auch, was eine Eselsbrücke ist!“ Das Schaf lachte und konnte sich kaum mehr einkriegen vor Lachen.
Ja, so war das!

 

Hier lese ich euch die Geschichte vor.

lamb-1081950_1280
Bildquelle Free-Photos/pixabay

© Regina Meier zu Verl

Zappel erzählt – Eine Geschichte von Schaf und Schäfer

Zappel erzählt – Eine Geschichte von Schaf und Schäfer
Heute möchte ich euch von dem Menschen erzählen, den ich sehr liebe. Wenn ich zu sehr ins Schwärmen gerate, dann seht mir das bitte nach. Er ist der wichtigste Mensch für mich und ohne ihn kann und will ich nicht leben. Gut, da sind noch meine Schwestern und Brüder. Sie geben mir Wärme und ich fühle mich wohl bei ihnen. Doch sie können mir nicht helfen, wenn ich in Not gerate. Er aber kann es und er ist immer für mich da.
Gerade steht er dort oben auf dem Hügel und betrachtet den Sonnenuntergang. Ein schönes Bild ist das. Er trägt seinen langen Mantel und den großen Hut. In seiner rechten Hand hält er einen langen Stab, und neben ihm sitzt Basil, der Hütehund. Vor ihm habe ich ein wenig Angst, denn er jagt mich und meine Leute durch die Gegend. Manchmal kläfft er mich an, wenn ich nicht schnell genug meinen Platz verlasse. Er will, dass ich mich mit den anderen Schafen auf den Weg mache. Meist ziehen wir dann weiter oder wir verbringen die Nacht dicht aneinander gedrängt. Ich versuche immer, möglichst nahe an meinen Schäfer heran zu kommen. Dann fühle ich mich sicher und ab und zu streichelt er mein wolliges Fell. Ich habe sogar einen Namen, Zappel. Den hat mir der Schäfer gegeben, als ich damals meinen ersten Unfall hatte. Wir Schafe haben ja sehr dünne Beine und das Gewicht unseres Wollmantels ist nicht zu unterschätzen. Wenn wir hinfallen, dann kann es sein, dass wir auf dem Rücken landen und es gibt keine Möglichkeit, wieder auf die Hufe zu kommen. Mir ist das auch passiert und das Schlimme daran war, dass ich mich zu weit von der Herde entfernt hatte und der Schäfer es zunächst gar nicht bemerkte. Basil hat mich dann gefunden und laut gebellt. Ich hatte Angst, furchtbare Angst. Doch dann kam mein Freund, der Schäfer und half mir wieder auf die Beine. Ich werde ihm immer dankbar sein. Mir ist es danach noch ein paar Mal so ergangen, dass ich stolperte und hinfiel. Aber da wusste ich, dass er mich finden würde. Wir Schafe sind nicht so blöd, wie es uns nachgesagt wird, ganz ehrlich nicht. Auch wenn es so scheint, als meckerten wir nur den ganzen Tag herum, so ist doch jedes Mäh, das wir von uns geben sinnvoll.
Ich sehe gerade, dass unser guter Hirte sich zum Schlafen hinlegt. Er wird wohl die Nacht hier draußen bei uns verbringen. Also muss ich mich beeilen, dass ich noch einen Platz in seiner Nähe bekomme.
Also, schlaft alle schön und denkt daran: Wenn es euch mal umschmeißt, dann zappelt und ruft. Es wird schon einer kommen, der euch wieder aufrichtet.

© Regina Meier zu Verl

Ob unser Zappel wohl auch dabei ist? Foto © Andrea Oberdorfer