Pias Gäste
„Du hast mir einen heftigen Schreck eingejagt, mit deiner Aussage „Der Amtsschimmel wiehert schon früh genug“!“ Pia schaut ihre Freundin entgeistert an. Wie kann sie sich erlauben, ihr solche Angst einzujagen. Sie wollte helfen und das ist schließlich nicht verboten, oder?
„Das war nicht meine Absicht, aber du musst dir darüber im Klaren sein, dass das was du tust illegal ist. Mag es auch noch so gut gemeint sein!“ Clara verteidigt ihren Standpunkt und möglicherweise hat sie recht mit dem, was sie sagt. Man hört da so manches!
„Überleg mal: wenn einer von denen, die du täglich mit Mittagessen versorgst, eine Allergie hat, oder aus irgendeinem Grund schleichen sich Salmonellen in deine Küche. Alle, die dein Essen „genießen“ werden krank und landen im Krankenhaus. Man wird dich zur Verantwortung ziehen!“ Clara holt aus: „Eine Nussallergie kann verheerende Folgen haben, Spuren von Nüssen können einem Allergiker den Atem rauben!“
„Um Himmels Willen, darüber habe ich nicht nachgedacht. Das hört sich ja alles schrecklich an. Was soll ich denn nur tun? Dann kann ich meine Hilfsaktion wohl vergessen!“ Pia hat Tränen in den Augen. Dabei war sie so glücklich, dass sie helfen konnte.
„Wie machen die das denn in den Suppenküchen? Die kochen doch auch für die Armen und die Obdachlosen!“, fragt Pia die Freundin.
„Das weiß ich auch nicht. Frag doch einfach einmal dort nach. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Einrichtungen vom Gesundheitsamt überprüft werden!“ Clara schiebt sich ein Stück Kuchen in den Mund und kaut genüsslich.
Pia überlegt. Es kann doch nicht sein, dass man einem Fremden, der Not leidet nichts zu essen geben darf. Ihr ist klar, dass sie Verantwortung übernimmt, aber das will sie ja auch. Sie kocht nicht anders, als sie für ihre Familie oder für Freunde kochen würde. Damit würde sie niemandem schaden, im Gegenteil. Sie hilft und das völlig ohne Hintergedanken.
Sie hat sich das auch richtig gut überlegt, sogar Achim ist einverstanden mit den „Gästen“, wie Pia immer sagt.
Das kam so: Anna-Lena fragte eines Tages, ob sie eine Schulfreundin mitbringen durfte zum Essen. Pia hatte nichts dagegen, sie fand es gut, die Kinder kennenzulernen, mit denen Anna-Lena zu tun hatte. So kam Dilara am nächsten Tag nach der Schule mit. Pia erfuhr, dass das Kind mit seinen Eltern in einem der Schwedenhäuser lebte, die dort für die Flüchtlingsfamilien aufgebaut wurden.
Dilara, die aus Syrien geflüchtet war, war sehr bescheiden und höflich. Am nächsten Tag brachte sie ihren Bruder mit, der schon ein wenig mehr Deutsch sprechen konnte. So ergab es sich, dass Pia einiges erfuhr von den Flüchtlingsfamilien und deren Problemen. Sie erlaubte Dilara, immer jemanden zum Essen mitzubringen. Das ging nun schon seit ein paar Wochen so und alle waren zufrieden. Anna-Lena und Pia hatten viele Menschen kennengelernt und das Miteinander tat ihnen allen gut. Wäre da nicht die liebe Clara gewesen, die Zweifel streute, ob die Sache denn wirklich rechtens sein konnte.
„Du weißt auch nicht, wer da an deinem Tisch sitzt!“, sagt Clara. „Hinterher wirst du noch bestohlen, oder Schlimmeres!“
„Jetzt hör aber auf! Diese Menschen sind dankbar und für mich ist es der direkte Weg um zu helfen. Reden tun alle, aber handeln …“ Pia wendet sich dem Herd zu und rührt die Gemüsesuppe um, die dort vor sich hin köchelt. Sie nimmt einen Löffel und probiert.
„Mmh, ich glaube, die ist ein wenig zu salzig geworden!“, sagt sie und bittet die Freundin, doch einmal zu probieren.
„Sie ist perfekt!“, sagt Clara und bindet sich eine Schürze um. „Wo kann ich helfen?“, sagt sie und knufft Pia in die Seite.
„Vergiss, was ich eben gesagt habe, ich möchte mitmachen in deinem Küchenteam!“, sagt sie. Pia strahlt. So kennt sie ihre Freundin und ein wenig recht hat sie ja auch mit den Einwänden, aber nur ein wenig. Pia wird sich erkundigen, wie die Suppenküchen das machen. Solange kocht sie einfach – und die Gäste essen. Punkt!
© Regina Meier zu Verl 2017