Lena, Luzie und der Vollmond

Lena, Luzie und der Vollmond

Hätte Frau Winter nicht so viel Kräutertee zum Abendessen getrunken, wäre die ganze Sache wahrscheinlich nicht ans Licht gekommen.
In dieser Nacht aber musste Mutter Winter zur Toilette und da sie nun schon aufgestanden war, wollte sie auch gleich nach Lena schauen. Leise öffnete sie die Tür zum Zimmer ihrer Tochter. Lena schien zu schlafen. Trotzdem trat die Mutter an das Bett und bekam einen Riesenschreck. Das war nicht Lena, die dort schlief. Es war Paul, der große Kuschelteddy.
„Wo ist sie denn nur?“, rief Frau Winter entsetzt und gleich darauf ließ sie einen Schrei los, der durch das ganze Haus schallte.
„Friedhelm!“
Lenas Vater schreckte hoch, sprang mit einem Satz aus den Federn und rannte zu seiner Frau.
„Was ist denn los, was machst du für ein Geschrei? Hast du eine Maus gesehen?“
Er war verärgert, schließlich musste er am Morgen früh raus und brauchte seinen Schlaf.
„Unser Kind…, sie ist weg!“ stammelte Frau Winter.
„Beruhige dich, das kann nicht sein. Sicher ist sie zu Oma gegangen. Lass uns bei deiner Mutter nachschauen.“
Friedhelm nahm seine Elisabeth an die Hand, dann gingen sie gemeinsam zu Omas Zimmer im Erdgeschoss. Friedhelm klopfte an die Tür.
„Mutter, ist Lena bei dir?“ Nichts, keine Antwort kam aus dem Zimmer.
„Sie hört uns nicht. Nachts legt sie die Hörgeräte ab. Du musst lauter rufen!“
Friedhelm versuchte es noch einmal.
„Mutter“, brüllte er, „wach werden, es gibt ein Problem!“
Mit der Faust trommelte er an die Zimmertür, die gleich darauf geöffnet wurde.
„Was ist denn hier los, brennt es?“ Oma stand in einem langen weißen Nachthemd vor ihnen, ihre Haare, die sie tagsüber zu einem Knoten gedreht trug, hingen fast bis zu den Hüften herunter.
„Ist Lena bei dir?“, schrie Elisabeth.
„Bitte? Was sagst du?“ Oma legte die Hände wie einen Trichter hinter die Ohren.
Elisabeth schob ihre Mutter beiseite und riss die Bettdecke aus dem Bett. Dann schaute sie hinter das Sofa und auch in den Kleiderschrank.
Derweil hatte Oma ihre Hörgeräte in die Ohren gesteckt. Friedhelm erklärte ihr, dass Lena nicht in ihrem Bett war.
Oma grinste über das ganze Gesicht. Elisabeth verstand die Welt nicht mehr. Sollte ihre Mutter auf ihre alten Tage komisch werden. Verstand sie denn den Ernst der Lage nicht?
„Kommt mit“, befahl Oma und grinste noch breiter. Dann setzte sie sich in Bewegung und Elisabeth und Friedhelm folgten ihr im Gänsemarsch.
Sie durchquerten das Wohnzimmer und gelangten in den Wintergarten.
Der Raum wurde vom Licht des Mondes erhellt. In dem großen Sessel lagen zwei aneinander gekuschelte Gestalten, Luzie, die Bobtail-Dame und Lena.
„Das darf ja wohl nicht wahr sein!“ flüsterte Elisabeth. Friedhelm schüttelte den Kopf, ihm fehlten die Worte.
„Wieso?“, triumphierte Oma. „Ihr habt ihr doch verboten, Luzie zu sich ins Bett zu holen und da ist Lena eben in Luzies Bett gekrochen. Luzie kann doch bei Vollmond nicht so gut schlafen und fürchtet sich.“
Leise verließen die Erwachsenen den Wintergarten.
Als Friedhelm und Elisabeth wieder in ihrem Bett lagen und Oma längst wieder eingeschlafen war, sagte Elisabeth:
„Darüber reden wir morgen früh aber noch ein ernstes Wort!“

© Regina Meier zu Verl

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