Opas Chaiselongue
„Opa machte seinen Mittagsschlaf stets auf der Chaiselongue. Oma ärgerte sich darüber, denn dann musste sie nach dem Essen leise sein, durfte nicht mit dem Geschirr klappern, geschweige denn es abspülen. Einen Geschirrspüler gab es damals noch nicht und auch keine Küchentür, die sie hinter sich schließen konnte“, erzählte Mama. Jakob hat sie darum gebeten, ein wenig von ganz früher zu erzählen, weil sie in der Schule gerade von der Zeit sprachen, als seine Eltern noch Kinder gewesen waren.
„Was ist denn eine Chaise… was weiß ich, wie das Dings heißt?“, fragte Jakob.
„Das ist so eine Art Sofa, ich zeige dir mal so ein Möbelstück, wenn du willst“, sagte Mama und holte ihren Laptop. Dort gab sie ‚Chaiselongue‘ in die Suchmaschine ein und schon konnte Jakob sehen, wie so ein Sofa aussah. Im Grunde war es ein verlängerter Sessel. Große Menschen konnten sicher nicht so gut darauf schlafen, weil das einzige Kopfende hochgestellt war.
„Interessant!“, sagte Jakob, der seinen Uropa gern kennengelernt hätte. Aber das war ihm nicht vergönnt. Frieder Paulsen aus seiner Klasse hatte sogar noch beide Urgroßeltern. Das kam nicht so oft vor, meinte Mama.
„Hat der Uropa denn gar nicht beim Spülen helfen müssen?“, will Jakob jetzt von seiner Mutter wissen, denn gerade fällt ihm ein, dass sein Papa, als der Geschirrspüler einmal kaputt war, immer helfen sollte. Die Kinder mussten dann alles wegräumen. Das war blöd gewesen, hatte Papa auch gesagt und schnell dafür gesorgt, dass der Elektriker die Maschine wieder reparierte.
„Nein, ich glaube, er glaube, er hat nicht im Haushalt geholfen. Oma sorgte sogar dafür, dass man ihn in Ruhe ließ, wenn er aus dem Stall kam und das Vieh versorgt hatte. Ich erinnere mich noch gut daran, dass alle dann mucksmäuschenstill sein mussten.“
Jakob überlegte einen Moment, bevor er die nächste Frage stellte.
„Durfte Uroma dann auch mal auf die Chaiselongue?“, er war ganz stolz, dass ihm das schwere Wort wieder eingefallen war.
„Ich glaube schon“, antwortete die Mutter. „Aber weißt du, was richtig schön war?“
„Nein, erzähl doch schon“, drängelte Jakob.
„Das war, wenn Opa auf seiner Chaiselongue saß wie auf einem Pferd, also mit ausgebreiteten Beinen. Dann klopfte er auf das Polster und das hieß, dass ich dann zu ihm mit auf sein Ross kommen durfte und wir taten so, als ritten wir wie die wilden Kerle durchs Wohnzimmer. Das war schön!“ Mama hatte rote Wangen von Erzählen bekommen und vom Erinnern. Das tat gut!
„Mama?“
„Ja, Jakob?“
„Ich wünschte, wir hätten auch eine Chaiselongue!“, flüsterte Jakob.
„Wir nehmen einfach die Sofalehnen, komm!“, rief Mama und schon ritten wir wie die wilden Kerle durchs Wohnzimmer.
© Regina Meier zu Verl