Walter erzählt – Aus dem Alltag eines Dackels

Walter erzählt – Aus dem Alltag eines Dackels

Ich weiß nicht wie mich meine Mama genannt hat. Ich habe sie kaum gekannt. Drei Monate war ich alt, als sie mich weg gab. Bestimmt hat sie das nicht freiwillig gemacht, sicher hat sie mich lieb gehabt. Meinen richtigen Papa habe ich nie gesehen. Böse Zungen haben behauptet, dass er sich immer herum treibt und es nirgends lange aushält.
Aber ich will mich nicht beklagen. Es geht mir gut und einen richtigen Namen habe ich auch bekommen: Walter.
Meine neue Mama ist sehr lieb, ich bin glücklich, wenn sie in meiner Nähe ist. Auch Papa mag ich sehr. Wenn er zu Hause ist, dann spielt er mit mir. Schade, dass er immer zur Arbeit muss und erst spät am Abend nach Hause kommt.
Mit Julian habe ich ein paar Probleme. Mein Gefühl sagt mir, dass ich nur dann für ihn wichtig bin, wenn seine Freunde ihn besuchen. Dann heißt es plötzlich: „Ja, der Walter ist mein bester Freund.“ Und wenn mich seine Freunde ansprechen, oder gar hinter den Ohren kraulen, dann ist er eifersüchtig, das spüre ich. Bettina hat neulich gesagt: „Du bist der schönste Hund der ganzen Welt.“ Da war ich vielleicht stolz, denn ich weiß, dass es viele, viele Hunde gibt. Schon allein hier in unserer Straße sind es sechs…

Manchmal geht Julian mit mir spazieren, nicht oft und auch nicht gern. Er zieht dann immer so furchtbar an der Leine, weil er schnell wieder nach Hause will. Das tut ganz schön weh am Hals. Mama lässt mich immer ein wenig schnuppern und das macht tierischen Spaß. Einmal hat Julian sogar „Blöder Köter“ zu mir gesagt. Wenn ich reden könnte, so hätte er aber was zu hören gekriegt. Aber ich weiß ja, was sich gehört. Ich stamme nämlich aus einer vornehmen Familie, jedenfalls von Seiten meiner Mutter. Papa war ein Herumtreiber, aber das sagte ich ja schon. Ich bin nicht lange beleidigt, wenn man mich beschimpft. Ich bin ja froh, wenn man mit mir nach draußen geht. In die Wohnung pinkle ich nicht mehr, das hat man mir ganz schnell abgewöhnt. Jedes Mal, wenn mir das passiert war, hat mir Mama eins mit der Zeitung auf den Hintern gegeben. Das mag ich gar nicht. Schon dieser Knall macht mich ganz nervös. Allerdings muss ich mich immer lautstark bemerkbar machen, wenn es mal ganz dringend wird und dann kann es sein, dass keiner Lust hat, mit mir raus zu gehen oder es in Strömen regnet. Die Menschen haben es gut, sie können eine Toilette benutzen. So etwas gibt es sogar für Katzen; nur wir armen Hunde müssen bei jedem Hundswetter raus. Kann sich da nicht mal jemand was einfallen lassen?

Im Nachbarhaus wohnt eine Katze. Ich kann sie gut leiden, aber sie mich nicht. Wenn ich im Garten bin, dann schleicht sie dort auch herum und wenn ich ihr zu nahe komme, dann faucht sie. Das macht mir ganz schön Angst. Dabei würde ich so gern mit ihr spielen. Bisher habe ich ihre scharfen Krallen noch nicht zu spüren bekommen und diese Erfahrung möchte ich auch lieber nicht machen. Also spiele ich allein, buddele Löcher und verstecke meine Schätze darin. Ab und zu bringt Papa mir einen Kauknochen mit, manchmal kann ich auch ein altes Brötchen ergattern. Das schmeckt erst dann ganz köstlich, wenn es so richtig schön dreckig ist. Außerdem muss ich für schlechte Zeiten vorsorgen, das haben wir Hunde so drin. Instinkt nennt man das.
Mein Instinkt lässt mich auch nicht im Stich, wenn es darum geht, Menschen einzuschätzen. Mama hat eine Bekannte, die kann ich auf den Tod nicht ausstehen. Sie riecht schon so seltsam und sie hat mich noch kein einziges Mal gestreichelt. Muss sie jetzt auch nicht mehr, ich bin ja ein guter Hund, aber bei ihr könnte ich doch schon mal etwas weiter gehen, als sie nur an zu knurren.
Mama ist das peinlich. „Was hat der Hund denn nur? Walter, geh in dein Körbchen und schäm dich!“, ruft sie dann und ich bin sauer. Warum versteht sie denn nicht, dass ich diese Frau nicht mag, sie sollte mal an ihr schnuppern. Ekelhaft, sag ich euch.
Wenn Mama dann noch sagt: „Anni, hast du einen neuen Duft?“ , verstehe ich die Welt nicht mehr. Mama wird doch hoffentlich nicht auf die Idee kommen, sich auch einen solchen Gestank zuzulegen.
Am besten riechen kann ich Mama und dann kommt Julian. Ich mag besonders gern seine Turnschuhe beschnuppern. Das ist ein Genuss, da verzichte ich doch glatt mal auf ein Leckerchen.
So, das wäre es erst mal für heute, ich flitze jetzt mal eine Runde durch den Garten. Ich will doch mal sehen, ob der Postbote schon da war. Der fürchtet sich nämlich so herrlich vor mir. Dabei bin ich doch nur ein ganz kleiner friedlicher Dackel, nicht ganz reinrassig aber das sieht ja keiner.

© Regina Meier zu Verl

Elina und die rosafarbenen Stulpen

Elina und die rosafarbenen Stulpen (unter dem Text auch zum Anhören)

„Oma, was machst du denn da?“
„Ich ruhe mich aus, Elina!“ Oma Betty sitzt in ihrem Fernsehsessel und hat die Beine hochgelegt.
„Könntest du mir einen Gefallen tun, während du dich ausruhst?“, fragt Elina mit zuckersüßer Stimme.
„Das kommt darauf an“, sagt Oma.
„Worauf kommt es an?“, will Elina wissen.
„Also, wenn ich mich weiter dabei ausruhen kann und die Beine liegen bleiben dürfen, dann könnte ich dir einen Gefallen tun. Worum geht es denn?“
„Ich gehe doch jetzt immer zum Ballettunterricht. Die anderen Mädchen dort haben Stulpen über der Strumpfhose. Das gefällt mir gut. Ich möchte auch welche haben.“ Elina zeigt ihrer Oma, von wo bis wo die Stulpen gehen und erklärt dann, dass diese langen Socken ohne Fuß den Sinn haben, die Waden schön warm zu halten.
„Weißt du Oma, man kann sich leicht verletzen, wenn die Muskeln kalt sind!“
„Ich verstehe!“, sagt Oma. „Und nun möchtest du, dass ich dir ein Paar Stulpen stricke, stimmt’s?“
Elina strahlt. Sie wusste, dass Oma ein offenes Ohr für sie hatte und schnell ihren Wunsch erraten würde.
„Genau, rosa sollen sie sein. Genauso rosa wie mein Ballettkleid!“
„Dann müssen wir Wolle besorgen und ich muss doch meinen Sessel verlassen. Außerdem wird es gleich schon dunkel und wir schaffen es nicht mehr im Hellen zurück!“
„Mama könnte uns fahren, oder wir nehmen eine Taschenlampe mit“, schlägt Elina vor. Dann fällt ihr ein, dass Mama ja gar nicht zu Hause ist und Papa kommt erst spät, da er heute noch in die Stadt fahren wollte nach Feierabend.
„Mmh“, macht Oma. „Mmh“, macht auch Elina. Dann schwingt Oma die Beine vom Sessel und steht auf. Sie strickt ja viel zu gerne und möchte am liebsten heute noch beginnen mit den rosa Stulpen.
„Also gut, dann mal los, junge Dame!“
„Oma, du bist die Beste!“
Schnell packen sich die beiden warm ein und schreiben einen Zettel auf dem steht: Wir sind im Wollgeschäft, Stulpenwolle kaufen!
Oma nimmt vorsichtshalber noch das Handy mit, dann geht es los.
Nach einer Viertelstunde erreichen sie die Einkaufsstraße, an der auch Frau Wortmanns Wollgeschäft zu finden ist.
„Schau, Oma, das ist die richtige Farbe!“ Elina hat schnell ihre Wunschwolle gefunden. Oma kauft noch zwei Knäuel Sockenwolle zusätzlich und schon machen sie sich wieder auf den Heimweg. Als sie das Geschäft verlassen, ist es tatsächlich schon fast dunkel. Natürlich haben sie die Taschenlampe vergessen. Elina ist ein wenig mulmig zumute.
Auch Oma gefällt das gar nicht, denn ein Stück des Weges ist eine Landstraße ohne Bürgersteig. Da wird man schlecht gesehen und es ist ganz schön gefährlich. Erst im letzten Jahr ist ein Kind dort angefahren worden.
„Wir gehen ins Café und trinken einen heißen Kakao und dann rufen wir Mama an, dass sie uns später hier abholen kommt!“, schlägt Oma vor. Das findet Elina toll, denn sie bibbert schon jetzt vor Kälte. Ein schlechtes Gewissen hat sie auch, weil sie Oma ja überredet hat. Mama wird das gar nicht gefallen.
„Ich werde Mama sagen, dass ich mich verplaudert habe bei Frau Wortmann. Dann schimpft sie nicht!“, sagt Oma, die genau gemerkt hat, dass ihre Enkelin immer stiller wird.
„Guck, nun strahlst du wieder. Das ist super, denn das passt so gut zu dir wie dein Name?“
Elina weiß, dass Elina „Die Strahlende“ bedeutet. Das hat Mama ihr erklärt und seitdem gefällt ihr der eigene Name noch viel besser.
„Du strahlst wie ein Stern am sternenklaren Himmel, meine Kleine!“, schwärmt Oma, aber jetzt wird es Elina dann doch zu viel.
„Jetzt isses aber gut, Oma! Meinst du, ich könnte zum Kakao noch ein Stückchen Kuchen bekommen?“

© Regina Meier zu Verl

Hier lese ich dir die Geschichte vor:

Elina und die rosafarbenen Stulpen

Zu früh für den Hundehimmel

Zu früh für den Hundehimmel

Es hatte sich angefühlt, als ob jemand die Welt zum Stillstand gebracht hätte. Er hatte das Licht ausgeschaltet und eine große Käseglocke über meine kleine Hundewelt gestülpt, die jedes Geräusch fernhielt und jedes Eindringen verhinderte.
„Komisch“ dachte ich noch und wollte mich genauer umsehen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Auch meine Stimme gehorchte nicht, als ich nach jemandem rufen wollte, der die Glocke wieder hochnähme. Doch plötzlich wurde es schwarz um mich herum, tiefschwarz und kalt.
Als ich wieder zu mir kam und vorsichtig mit den Augen blinzelte, nahm ich leise Stimmen wahr.
„Da ist sie wieder!“, sagte eine fremde Stimme und jemand streichelte meinen Rücken.
„Gott sei Dank!“ Das war Frauchen, wie gern hätte ich mit dem Schwanz gewedelt, aber das ging nicht. Nicht einmal den Kopf konnte ich anheben, dabei hätte ich mein Frauchen so gern angeschaut.
„Was machst du nur für Sachen, Assi. Wir haben uns solche Sorgen gemacht!“, sagte Frauchen jetzt und ganz nah klang ihre Stimme, so nah, dass ich beinahe ihren Atem wahrnehmen konnte. Aber ich konnte sie nicht sehen. Sie hielt ihre Hand an meine Nase und tätschelte mich sanft. Oh, wie gut das tat. Ich schnupperte und konnte gar nicht genug davon bekommen.
„Sie hat Sie erkannt! Das ist ein sehr gutes Zeichen!“, sagte die andere Stimme nun wieder. Das war auch eine Frau und ich mochte ihre Stimme auf Anhieb. Aber warum sollte ich mein Frauchen nicht erkennen? Das leuchtete mir nun gar nicht ein. Schließlich kannte ich sie schon mein Leben lang und ich kann euch sagen: Sie ist das beste Frauchen der Welt, das vergisst man doch nicht.
Ich erinnerte mich daran, dass mir plötzlich so kalt war und dass es dunkel wurde. Nun, dunkel war es noch immer, aber ich lag offensichtlich auf einer Wärmflasche, so einer, wie Frauchen sie auch besaß. Oft lagen wir abends gemeinsam auf der Couch und dann durfte ich auch mal eine Weile auf die herrliche Wärmflasche, die so herrlich nach meinem Frauchen roch. Das fühlte sich gut an. Doch warum konnte ich nichts sehen? Das war doch seltsam. Mir tat nichts weh, mir war warm, aber es war dunkel.
„Sicher können wir den Verband schon bald abnehmen, damit sie auch wieder etwas sehen kann!“, sagte die fremde Stimme jetzt. „Sie bekommt dann einen Trichter, damit sie sich nicht kratzen kann und ihre Wunden in Ruhe lässt!“
Wunden? Was war denn nur passiert? Hatte ich etwa wieder ein Kämpfchen mit dem Nachbarhund gehabt? Nein, daran würde ich mich erinnern.
„Sie hat viel Glück gehabt. Der Fahrer, dem sie vor das Auto gelaufen ist, hat sich liebevoll gekümmert und so konnten wir Assi sofort von der Straße holen und sie versorgen. Was für ein Glück, dass Sie gerade in der Nähe waren, Frau Doktor!“
Aha, so langsam dämmerte es, ich war vor dieses blöde Auto gelaufen. Weinrot war es, das weiß ich noch und ich weiß auch, wohin ich wollte. Schräg gegenüber stand mein Freund Mattis auf dem Bürgersteig. Zu dem wollte ich, ja genau! Oh je, der arme Mattis, was der wohl für einen Schreck bekommen hat. Das muss ich unbedingt wieder gut machen. Wenn es doch nur nicht so dunkel wäre.
Ich versuchte ein kurzes Wuff und als das gelang, wurde ich mutiger und bellte.
„Hey!“, rief Frauchen. „Das klingt gut, jetzt bist du richtig wach, meine Süße. Aber du musst dich noch ausruhen, damit du wieder ganz gesund wirst, hörst du?“
Klar, das hatte ich gehört, aber jetzt wollte ich was sehen, unbedingt.
Mein Kopf wurde ein wenig angehoben und man steckte ihn in einen Trichter. Dann wurden meine Augen vom Verband befreit und tatsächlich, es wurde hell. Zuerst sah ich noch verschwommen, aber ich konnte sehen. Die Frau Doktor leuchtete mit einer grellen Lampe in meine Augen, das war nicht angenehm, musste aber wohl sein. Als sie dann sagte: „Sie sieht!“ und dabei ganz glücklich klang, da war ich auch glücklich und wie glücklich ich war und mein Frauchen auch, das kann man kaum beschreiben. Die da oben im Hundehimmel würden noch ein bisschen auf mich warten müssen. Ich hatte es noch einmal geschafft!

© Regina Meier zu Verl

 

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Hanna malt ihre Gedanken

Hanna malt ihre Gedanken

Hanna schleicht seit Minuten um mich herum. Stören will sie nicht, aber einfach nur dasitzen und warten, das will sie auch nicht. Amüsiert betrachte ich das Treiben aus dem Augenwinkel, auf meinen Text kann ich mich sowieso nicht mehr konzentrieren. Aber das ärgert mich nicht, das Leben ist hier und jetzt, schreiben kann ich später noch.

„Na, Hanna, ist dein Bild schon fertig gemalt?“, frage ich deshalb, um das Kind zu erlösen. Ihre Augen beginnen zu leuchten, „Endlich“ kann ich darin lesen und freue mich gleich mit.
„Ja, schau mal, ich habe eine Geschichte gemalt und bin sehr gespannt, ob du erkennst, welche es ist!“

Ich betrachte das Bild, das wundervoll bunt ist und viele Details zeigt, die in Ruhe betrachtet werden wollen. Hanna platzt vor Ungeduld, als ich schaue und schaue.
„Na, hast du’s?“
Ich schüttle den Kopf. ‚Manchmal darf auch eine Oma schummeln‘, denke ich und kann das Lachen kaum noch unterdrücken.

„Dieser Frosch hier kommt mir bekannt vor“, sage ich und mache eine Pause, bevor ich mich über das fantasievolle Kleid des weiblichen Wesens auslasse, das dort auf einem Brunnenrand sitzt und weint.
„Jetzt müsstest du aber wissen, welche Geschichte das ist!“, schimpft Hanna empört.
„Weiß ich auch, es ist das Märchen vom Froschkönig!“
Hanna strahlt.
„Du bist die weltbeste Erkennerin!“, lobt sie mich und zieht das nächste Bild hinter ihrem Rücken hervor.

Jetzt wird es schwieriger. Eine alte Frau sitzt in einem Sessel, neben ihr hockt eine Katze auf der Sessellehne. Die Frau hat ein Buch auf dem Schoß, sie liest aber nicht, denn ihre Augen sind geschlossen. An der Wand hängt ein Bild, auf dem ein Hund zu erkennen ist, ein Dackel.
„Hilf mir, Hanna, gib mir einen Tipp“, bitte ich.
„Schau hin“, sagt Hanna und kichert, „du wirst erkennen, welche Geschichte auf dem Bild ist.“
Neben dem Sessel steht ein Korb mit Wolle, aus dem ein halbfertiger Socken heraushängt. Der kommt mir bekannt vor.
„Das ist ja mein Wollkorb!“, rufe ich und freue mich, dass ich der Sache nun auf die Spur komme.
Hanna grinst.
„Dann bin ich wohl die Frau im Sessel, oder?“
Hanna schüttelt energisch den Kopf.
„Nein, das kannst du doch nicht sein, du bist doch allergisch gegen Katzen.“
Das stimmt, ich bin also auf der falschen Fährte. Seltsam ist ja auch, dass die Frau rote Turnschuhe mit neongrünen Bändern trägt.

„Hey, solche Schuhe hast du doch, Hanna, oder?“
„Ja, hier schau, ich habe sie ja an!“
„Die sind aber der Frau auf dem Bild zu klein“, behaupte ich. Hanna überlegt bevor sie antwortet:
„Sie hat sich neue gekauft, in größer.“
„Ach so, dann könnte es ja sein, dass du diese Frau bist, nicht wahr?“
„Stimmt“ Hanna lacht und klatscht übermütig in die Hände.
„Jetzt rate weiter, was ist da los auf dem Bild? Guck doch mal das Buch an, das ich da auf dem Schoß habe“, rät sie.

Auf einmal weiß ich es, das ist das Buch, das ich für Hanna geschrieben habe. Alle Geschichten sind drin, die ich für sie erdacht habe und sie hat es von mir zur Einschulung bekommen. Aber warum ist Hanna so alt auf dem Gemälde und wo bin ich?
Hanna errät wohl meine Gedanken, denn sie fängt an zu erzählen:
„Pass auf! Wir haben heute in der Schule für Lisas Mama gebetet. Du weißt doch, dass sie sehr krank ist und Lisa war heute nicht da und Frau Kruse hat uns gesagt, dass ihre Mama gestorben ist. Alle waren ganz traurig und es tut mir so leid für Lisa, denn nun ist sie allein mit ihrem Papa und eine Oma hat sie auch nicht. Und da musste ich daran denken, dass dir oder Mama auch mal was passieren könnte und dann habe ich auch geweint. Da hat Frau Kruse gesagt, dass von jedem Menschen etwas bleibt, etwas, das uns an ihn erinnert und so bleibt dann dieser Mensch immer im Herzen, auch wenn er mal nicht mehr auf der Welt ist.“

Hanna hat ganz leise erzählt und mir fehlen gerade die Worte, so ergriffen bin ich von ihren Gedanken, denn ich erkenne plötzlich, was sie mir mit dem Bild sagen will.

„Du wirst immer bei mir sein, Oma. Wenn ich mal alt bin, dann setze ich mich in einen Sessel und nehme dein Buch und dann denke ich an dich, oder ich denke mir auch Geschichten aus und schreibe sie in ein Buch und die Katze wird mir dabei zuschauen, denn dann darf ich ja eine Katze haben, weil, wenn du ein Engel bist, dann bist du sicher nicht mehr allergisch, oder?“
„Nein, Hanna, Engel haben sicher keine Allergien!“

Ich setze mich in meinen Sessel und Hanna krabbelt auf meinen Schoß. Ich genieße diesen innigen Moment mit ihr und ihr Bild werde ich in einem schönen Rahmen über mein Bett hängen.

© Regina Meier zu Verl

HIER auch als Hörbuch im Magazin CARL

Rosen alt

Man kann ja nicht alles wissen

Man kann ja nicht alles wissen

Laura und Simone unterhalten sich über ihre Mütter. Die Freundinnen haben es sich im Kinderzimmer gemütlich gemacht, während die Mütter im Wohnzimmer bei Kaffee und Kuchen ein Plauderstündchen halten.
„Meine Mama hat zu jedem Paar Schuhe eine passende Handtasche“, verrät Laura ihrer Freundin. Simone kichert und nimmt ein Schlückchen Tee aus der winzigen Tasse des Puppengeschirrs. Sie überlegt einen Moment und kommt zu dem Schluss, dass ihre Mutter wohl nur zwei Handtaschen besitzt. Damit kann sie also nicht punkten.
„Meine Mama backt die besten Pfannkuchen der Welt!“, behauptet sie und schlägt zufrieden die Beine übereinander, so wie sie es von Mama gesehen hat. Sie findet das sehr elegant.
„Das stimmt!“, gibt Laura zu. „Bei euch schmecken die Pfannkuchen besonders gut.“
Laura schenkt Simone noch etwas Tee ein und bietet ihr ein Plätzchen an. Dann lehnt sie sich wieder zurück und  erzählt:
„Ohne Kajak geht meine Mama niemals auf die Straße!“
In Simones Augen leuchten deutlich Fragezeichen auf, sie gibt sich aber nicht die Blöße zuzugeben, dass sie nicht weiß, was Kajaks sind.
„So, so!“, sagt sie also und knirscht innerlich mit den Zähnen. „Ich verstehe!“
„Ja, Mama sagt immer, dass so ein Kajak einen glasklaren Blick macht. Sie hat gleich mehrere, in verschiedenen Farben.“  Laura merkt, dass Simone keine Ahnung hat, worum es geht, denn die fragt nun:
„Passend zu jeder Handtasche?“
„Nein, komm mit ins Bad, ich zeige sie dir!“
Die beiden Mädchen bewegen sich fast lautlos und schleichen leise am Wohnzimmer vorbei, um die Mütter nicht auf sich aufmerksam zu machen. Sie sind in geheimer Kajakmission unterwegs.
Im Badezimmer angekommen steigt Laura auf den Hocker und öffnet den Spiegelschrank. Sie nimmt einige Stifte aus einem Schälchen und klettert wieder hinunter.
„Schau, hier sind sie. Schon die alten Ägypterinnen haben diese Kajaks benutzt. Sollen wir das auch mal ausprobieren?“
„Was macht man denn damit, es sind doch ganz normale Farbstifte, oder?“, will Simone wissen.
„Man malt rundum das Auge eine Linie, dann sehen die Augen schön aus und strahlen. Früher sagte man, dass diese Bemalung die Fliegen abschreckt und sogar Krankheiten am Auge heilen kann.“
Simone ist beeindruckt von Lauras Wissen.
Laura holt den Schminkspiegel von der Fensterbank. Dann setzt sie sich auf den Fußboden und fängt an, tiefschwarze Farbe auf Ober- und Unterlid zu verteilen. Das sieht lustig aus und Simone möchte es auch versuchen. Sie wählt ein dunkles Blau und weil das so toll aussieht, kommen nun auch noch die Lippenstifte von Lauras Mutter zum Einsatz.
„Deine Mutter hat tolle Sachen, besonders die Kajaks gefallen mir!“, schwärmt Simone und dann beschlie0en die beiden, ihren Müttern zu zeigen, was sie für schöne Töchter haben.
Die beiden Mütter sind nicht so richtig begeistert und Lauras Mutter ruft laut:
„Ach, meine schönen Kajalstifte, hoffentlich habt ihr sie nicht abgebrochen, die waren nämlich sehr teuer!“
Nachdem sie festgestellt hat, dass den Stiften nichts passiert ist, müssen dann aber doch alle vier herzlich lachen und die Mädchen erfahren den Unterschied zwischen Kajak und Kajal. Letztendlich finden sie dann erstgenanntes als noch ein wenig spannender, denn mit einem Kajak im Wildwasser zu paddeln, das stellen sie sich supertoll vor. Sinnvoll wäre es, in so einem Fall beides einzusetzen, Kajak und Kajal, ihr wisst schon: Wegen der Fliegen!

© Regina Meier zu Verl 2016

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Bildquelle kinkate/pixabay

 

Fritzchen erzählt – Gedanken eines Kanarienvogels

Wir hatten zu Hause immer einen Kanarienvogel, sein Name war Hansi und er gehörte zur Familie. Später: Wir Kinder waren schon alle ausgezogen und hatten eigene Familien, da zog wieder ein Vogel bei Mama ein, ein zitronengelber Kanarienvogel, Hansi.

Natürlich habe ich an ihn gedacht, als ich die nachfolgende Geschichte geschrieben habe. Trotzdem heißt er hier Fritzchen, denn die Story ist erfunden. Doch, wie das in jeder kleinen Geschichte ist, steckt auch hier ein Fünkchen Wahrheit drin.

Fritzchen erzählt – Gedanken eines Kanarienvogels

Sie ist einsam, ich weiß es. Gestern Abend hat sie wieder geweint. Ich werde ganz traurig, wenn ich ihre Tränen sehe. Ich bin ein Mann und sie ist eine Frau. Ich möchte ihr eine Freude machen und singe für sie. Meine schönsten Koloraturen lasse ich erklingen. Das kann ich. Mehr kann ich nicht für sie tun. Bin ja selbst einsam und singe gegen die Traurigkeit an. Früher hat sie auch gesungen, mit ihrer Geige. Manchmal haben wir dann einen richtigen Wettbewerb veranstaltet. Oft habe ich gewonnen und sie hat ihre Geige in den Kasten mit dem roten Samtbezug zurückgelegt. Ein anderes Mal hat sie mich einfach ausgesperrt.
„Du kannst mich ganz schön aus dem Konzept bringen!“, hat sie dann lachend gerufen und mich samt Käfig auf den Balkon verfrachtet, nicht ohne mir vorher ein leckeres Salatblatt zwischen die Stäbe zu schieben. Ich glaube, dass alle Kanarienvögel das frische Grün lieben. Bei dem Gedanken daran bekomme ich Lust darauf. Ich setze noch einmal zu einer neuen Arie an, lege meinen Herzschmerz in das Lied. Einsame Frau, ich liehihibe dich sohoho!
Sie kommt aus der Küche, dann ist ihr Gesicht ganz nah bei mir. Vorsichtig klemmt sie ein kleines Apfelstück zwischen das Gitter.
„Mein Kleiner, was wäre ich nur ohne deinen Gesang“, flüstert sie. Obwohl mir das Wasser im Schnabel zusammenläuft, lasse ich es mir nicht nehmen, noch eine kurze Zugabe zu singen. Sie lächelt, endlich lächelt sie. Dann kann ich mich ja beruhigt über den Apfel hermachen.

© Regina Meier zu Verl

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Bildquelle Widerstroem/pixabay

 

Gespräch vor dem Einschlafen

Gespräch vor dem Einschlafen

Ich liege auf der Seite und betrachte meinen Enkel. Wie er da liegt, klein und zart. Er lächelt im Schlaf und ab und zu seufzt er. Ich wage es nicht, mich zu bewegen. Möchte ihn nicht aufwecken, ihn einfach nur anschauen und den Augenblick genießen.
Ein schönes Einschlafgespräch haben wir geführt. Ich rufe es noch einmal in meine Gedanken zurück, damit ich es nicht vergesse.

„Oma!“
„Ja, was ist denn, Lukas?“
„Wir haben doch einen richtigen Bauernhof, ne?“
Es ist so süß, wenn er hinter jede Frage ein langgezogenes „ne“ hängt, mich rührt das sehr, denn es erinnert mich an die Fragen meiner Kinder vor vielen Jahren. Sie machten das auch.
„Na ja, einen richtigen Bauernhof haben wir nicht!“, sage ich und warte auf die nächste Frage.
„Aber wir haben doch einen Trecker und der gehört mir doch auch, ne?“
„Ja sicher, wir sind ja eine Familie, da gehört dir auch alles was wir haben.“
„Und wir haben ein Pony, ne?“
„Ja, haben wir.“
„Dann sind wir doch ein Bauernhof, ne?“
„Richtige Bauernhoftiere haben wir nicht, keine Kühe, keine Schweine …“, wende ich ein und füge noch hinzu, dass richtige Bauern ihre Höfe bewirtschaften.
„Ja, aber Opa macht doch auch Heu für das Pony, ne?“
„Ja, Zwiebelchen muss ja was zu fressen haben.“
„Oma?“
„Ja?“
„Können wir nicht ein paar Hühner kaufen, dann sind wir auch ein richtiger Bauernhof, ne?“
„Gute Idee, früher hatten wir mal Hühner, das war toll. Jeden Tag gab es ein paar Eier und wir mussten keine mehr kaufen“, fällt mir ein.
„Sollen wir Opa morgen mal fragen, ob er ein paar Hühner haben will?“
„Ja, das können wir machen.“
„Oma, aber wir essen nur die Eier, nicht die Hühner, ne?“

Langsam wird Lukas müde und die Augen fallen ihm zu, ab und zu blinzelt er noch mal und dann lächelt er mich an. Wahrscheinlich wird er von Hühnern träumen und ich überlege mir, wo wir die unterbringen. Der alte Hasenstall ist noch da, den könnte man umbauen. Wie gut, dass Opa Tischler ist, der kann das!

© Regina Meier zu Verl

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Schnuffel wohnt jetzt bei Oma

Schnuffel wohnt jetzt bei Oma

Oma Schulz hat einen Hasen, so einen niedlichen kleinen mit Schlappohren. Den hat sie von ihrer Enkelin bekommen, die mit den Eltern nach Spanien ausgewandert ist.
„Damit du immer an mich denkst“, hatte Mira gesagt und Oma den Hasen samt Stall und Heu auf den Balkon gestellt.
Seitdem wohnt Schnuffel bei Oma Schulz und das ist gut so. Warum?
Nun ja, man kann sich vorstellen, wie allein sie sich gefühlt hat, als Mira und ihre Eltern abgereist waren. Mira hatte viele Stunden bei Oma verbracht, wenn die Eltern arbeiteten. Das war eine schöne Zeit gewesen und natürlich kommt einem alles leer und sinnlos vor, wenn man am Morgen aufsteht und keiner da ist, um den man sich kümmern kann. Keiner da, der einem mal einen Schmatzer auf die Wange drückt, niemand, der um Schokoladenpudding bettelt und auch niemand, den man trösten muss, wenn das Knie mal wieder aufgeschlagen ist, weil das Fahrrad einfach immer zu schnell ist.
Oma Schulz ist traurig, aber sie ist auch froh, dass Schnuffel da ist. Ihm kann sie alles erzählen und manchmal nimmt sie ihn und streichelt sein weiches Fell. Das tut gut.
Was auch gut tut ist, dass die Kinder aus der Nachbarschaft den Schnuffel oft besuchen. Für Oma Schulz ist das die allerschönste Zeit. Dann ist sie nicht allein und manchmal kocht sie schon am Morgen Schokoladenpudding, weil sie hofft, dass die Nachbarkinder kommen.
Geh doch auch mal hin, sie freut sich sicher und wenn du nicht in der Nähe wohnst, dann gibt es sicher auch bei euch eine einsame Oma oder einen Opa, der sich über ein Kinderlachen freut, wetten?

© Regina Meier zu Verl

Zappel erzählt – Eine Geschichte von Schaf und Schäfer

Zappel erzählt – Eine Geschichte von Schaf und Schäfer
Heute möchte ich euch von dem Menschen erzählen, den ich sehr liebe. Wenn ich zu sehr ins Schwärmen gerate, dann seht mir das bitte nach. Er ist der wichtigste Mensch für mich und ohne ihn kann und will ich nicht leben. Gut, da sind noch meine Schwestern und Brüder. Sie geben mir Wärme und ich fühle mich wohl bei ihnen. Doch sie können mir nicht helfen, wenn ich in Not gerate. Er aber kann es und er ist immer für mich da.
Gerade steht er dort oben auf dem Hügel und betrachtet den Sonnenuntergang. Ein schönes Bild ist das. Er trägt seinen langen Mantel und den großen Hut. In seiner rechten Hand hält er einen langen Stab, und neben ihm sitzt Basil, der Hütehund. Vor ihm habe ich ein wenig Angst, denn er jagt mich und meine Leute durch die Gegend. Manchmal kläfft er mich an, wenn ich nicht schnell genug meinen Platz verlasse. Er will, dass ich mich mit den anderen Schafen auf den Weg mache. Meist ziehen wir dann weiter oder wir verbringen die Nacht dicht aneinander gedrängt. Ich versuche immer, möglichst nahe an meinen Schäfer heran zu kommen. Dann fühle ich mich sicher und ab und zu streichelt er mein wolliges Fell. Ich habe sogar einen Namen, Zappel. Den hat mir der Schäfer gegeben, als ich damals meinen ersten Unfall hatte. Wir Schafe haben ja sehr dünne Beine und das Gewicht unseres Wollmantels ist nicht zu unterschätzen. Wenn wir hinfallen, dann kann es sein, dass wir auf dem Rücken landen und es gibt keine Möglichkeit, wieder auf die Hufe zu kommen. Mir ist das auch passiert und das Schlimme daran war, dass ich mich zu weit von der Herde entfernt hatte und der Schäfer es zunächst gar nicht bemerkte. Basil hat mich dann gefunden und laut gebellt. Ich hatte Angst, furchtbare Angst. Doch dann kam mein Freund, der Schäfer und half mir wieder auf die Beine. Ich werde ihm immer dankbar sein. Mir ist es danach noch ein paar Mal so ergangen, dass ich stolperte und hinfiel. Aber da wusste ich, dass er mich finden würde. Wir Schafe sind nicht so blöd, wie es uns nachgesagt wird, ganz ehrlich nicht. Auch wenn es so scheint, als meckerten wir nur den ganzen Tag herum, so ist doch jedes Mäh, das wir von uns geben sinnvoll.
Ich sehe gerade, dass unser guter Hirte sich zum Schlafen hinlegt. Er wird wohl die Nacht hier draußen bei uns verbringen. Also muss ich mich beeilen, dass ich noch einen Platz in seiner Nähe bekomme.
Also, schlaft alle schön und denkt daran: Wenn es euch mal umschmeißt, dann zappelt und ruft. Es wird schon einer kommen, der euch wieder aufrichtet.

© Regina Meier zu Verl

Ob unser Zappel wohl auch dabei ist? Foto © Andrea Oberdorfer