Familie Feldhamster muss umziehen

Familie Feldhamster muss umziehen

Das Stroh ist eingefahren, riesige Rundballen lagern in der Scheune. Die Felder sind leer, kein Hälmchen mehr, keine Kornblume, kein Klatschmohn. Schon bald wird der Trecker seines Amtes walten und das abgeerntete Feld grubbern oder pflügen. Ein ewiger Kreislauf!
Während sich alle freuen, steht Marius mitten im Stoppelfeld und kämpft mit den Tränen. So schön war der Acker gewesen mit den geschmeidigen Kornhalmen und den Blüten, die so schöne Farbtupfer abgegeben haben. Oft hat er sich hier versteckt und die kleine Welt mit all den Tieren beobachtet. Und nun sind sie alle verschwunden.
„Schade“ murmelt er.
„Das finde ich auch!“, sagt eine feine Stimme. Marius kann niemanden sehen. Komisch!
„Hier unten bin ich, sei vorsichtig mit deinen großen Füßen“, sagt die Stimme wieder. Marius beugt sich hinunter und sieht einen sehr kleinen Feldhamster, der noch ganz jung sein muss.
„Oh!“ Marius ist verdutzt. „Ein Feldhamster, der sprechen kann?“
„Weiß der Himmel, warum ich eure Sprache verstehe.“
Der kleine Hamster seufzt.
„Ehrlich gesagt weiß ich es auch erst seit eben. Vielleicht sind es nur deine Worte, die mich erreichen und ich muss sagen, es gefällt mir.“
Er seufzt noch ein bisschen mehr.
„Es ist doch gut, dass man immer eine Sache hat, die sich gut anfühlt, denn ehrlich, dass ihr meine Heimat mit eurer großen Maschine zerstört habt, das, ja, das gefällt mir überhaupt nicht.“
„Ich verstehe dich so gut, lieber Hamster. Mir geht es nicht anders. Aber weißt du, wir brauchen doch das Korn, um es zu mahlen und aus dem Mehl dann Brot und Kuchen zu backen!“, versucht Marius dem Hamster zu erklären. So hat er es gelernt und es leuchtet ihm auch ein. Allerdings haben die Menschen früher nicht so riesige laute Maschinen dafür benutzt und die sind trotzdem satt geworden, oder? Aber das sagt er dem Hamster besser nicht, er würde es nicht verstehen.
„Mehl? Brot? Kuchen? Braucht ihr Menschen das?“ Fragend sieht der kleine Kerl Marius an.
„Ich kann zwar deine Worte verstehen, aber was sie mir sagen möchten, verstehe ich nicht immer.“
„Ob wir das unbedingt brauchen? Das weiß ich nicht, aber es ist lecker. Warte, ich glaube, ich einen Keks bei mir, dann kannst du mal probieren!“ Marius wühlt in seinen Hosentaschen und findet tatsächlich ein kleines Paket Butterkekse für den Notfall.
Vorsichtig nimmt der kleine Hamster das seltsame Ding, das sich Keks nannte, in seine Pfötchen und schnuppert, dann probiert er, vorsichtig, ein bisschen misstrauisch auch, kaut, schluckt, beißt noch einmal ab und ein Strahlen überzieht sein Gesichtchen. „Hmmmm!“, macht er und noch einmal: „Hmmmm!“
Marius grinst. Es schmeckt dem Hamster, es ist nicht zu übersehen und zu überhören.
„Siehst du, ich habe es doch gesagt, Kekse sind lecker!“, sagt er und beißt selbst noch einmal genüsslich ab.
„Und dafür muss man das Korn mahlen?“, fragt der kleine Hamster.
„Ja, genau. Man mahlt es zu Mehl und dann kommen ein paar weitere Zutaten dazu und es wird im Ofen gebacken. Brot ist auch sehr lecker und Kuchen auch. Wenn du willst, bringe ich dir beim nächsten Mal kleine Kostproben mit“, schlägt Marius vor.
„Oh ja, oh ja, das wäre mir eine Freude, aber…“ Der kleine Feldhamster macht eine Pause und ringt nach Worten.
„Ein nächstes Mal, das wird nicht möglich sein. Noch heute Abend werde ich mit meiner Familie umziehen, irgendwohin, wo die Menschen uns unsere Nahrung nicht wegnehmen. Schade, oder nicht?“ Er deutete eine kleine Verbeugung an.
„Aaaber … du musst mir nur sagen, wohin ihr zieht, dann werde ich dich besuchen und bringe Kuchen mit, halt, ich habe eine noch bessere Idee …“ Marius will den kleinen Freund nicht so schnell wieder verlieren, deshalb will er ihn überreden, zu ihm in den Garten zu ziehen. Da gibt es einige schöne Stellen, wo er sich mit seiner Familie einrichten könnte, und niemand würde sie stören.
Während er noch überlegt, wie er dem kleinen Hamsterfreund seinen Vorschlag schmackhaft machen könnte, hallt plötzlich Mamas Stimme über das Feld.
„Marius! Hörst du mich? Marius! Kommst du? Wir wollen nach Hause fahren.“
Nach Hause? Jetzt schon?
„Komme gleich!“, ruft er schnell und überlegt fieberhaft, was nun zu tun ist.
„Lieber Hamster, können wir uns hier morgen früh noch einmal treffen? Ich würde dich und deine Familie gern in unseren Garten einladen. Aber ich muss das erst vorbereiten und dann brauche ich ja auch einen Korb oder sowas, in dem ihr mit mir auf dem Fahrrad mitfahren könnt!“
„Mit dem Fahrrad?“, fragt der Hamster ängstlich. „Ist das denn nicht gefährlich? Und wie sollen wir dann wieder nach Hause kommen? Und überhaupt. Ich würde sagen …“
Mehr sagt der Hamster nicht mehr, das heißt, mehr kann Marius nicht mehr hören, auch wenn er noch so sehr die Augen aufreißt und nach ihm Ausschau hält: Der Hamster ist verschwunden.
„Seltsam!“, murmelt er und reibt sich die Augen.
„Was hat ihn so erschreckt und wie konnte er verschwinden? Ich habe gar nichts gesehen. hm?“
„Komm jetzt, Marius“, ruft die Mutter schon wieder. „Und träume nicht andauernd.“

Natürlich setzt sich Marius am nächsten Morgen auf sein Rad und fährt zu dem abgeernteten Feld. Ob er da den Feldhamster antrifft? Oder hat er das nette Gespräch mit ihm nur geträumt.
Als er aber an der Stelle vom Vortag einen halben Butterkeks entdeckt, musste ja wohl etwas dran gewesen sein an der Geschichte, oder?

© Regina Meier zu Verl

Dies ist Hubert, so ähnlich könnte der kleine Feldhamster ausgesehen haben, Habt ihr ihn gesehen? (Bild Regina Meier zu Verl)

Was wächst denn da?

Als ich diese Geschichte geschrieben habe, hatte ich meinen Sohn vor Augen, der als kleiner Junge genau diese Mundbewegung gemacht hat und ständig einen Sandbart hatte, so wie der Steffen …

Was wächst denn da?

Steffen kann schon ganz allein Traktor fahren. Sein Vater ist darüber sehr froh, denn auf dem Bauernhof fällt gerade im Sommer sehr viel Arbeit an. Da wird jede helfende Hand gebraucht.
Während Steffen mit dem Traktor und Pflug dahinter das riesige Feld pflügt, kann der Vater sich schon mal um die Saat kümmern.
„Steffen, ich fahre mal schnell zur bäuerlichen Genossenschaft und hole das Saatgut. Kommst du allein zurecht?“
„Klar, Papa, ich bin doch schon groß“, antwortet Steffen und macht ein wichtiges Gesicht. Einen Bart hat er auch schon, der ist aber nicht echt, sondern vom Sand, der beim Pflügen durch die Luft wirbelt. Steffen hat die Angewohnheit, dass er sich mit der Zungenspitze um die Lippen leckt, wenn er sich konzentrieren muss und das muss man beim Trecker fahren. Der schwarze Sand haftet besonders gut auf der feuchten Oberlippe und es sieht aus, als habe er schon einen richtigen Männerbart.
Papa grinst und schon ist er weg.
Nach ein paar Minuten kommt Onkel Josef mit seinem Fahrrad angefahren. Er stellt sich an den Ackerrand und schaut dem Steffen bei der Arbeit zu.
Steffen beschließt, mal eine kurze Trinkpause einzulegen und stoppt den Traktor auf Onkel Josefs Höhe.
„Hallo Steffen, du bist ja ein fleißiger Bauer“, ruft der ihm zu.
Steffen steigt vom Traktor ab, steckt die Hände in die Hosentaschen, wie die großen Männer das auch tun und geht auf den Onkel zu.
„Ja, ja“, sagt er. „Der Papa ist ganz schön froh, dass er mich hat.“
Der Stolz blitzt ihm aus den Augen und Onkel Josef klopft ihm anerkennend auf die Schulter.
„Ja, das kann ich verstehen. Du bist ja auch schon eine große Hilfe, das ist gar nicht so selbstverständlich. Was sät ihr denn in diesem Jahr hier aus?“
Der Steffen kratzt sich kurz am Kopf und denkt nach.
„Ich weiß nicht genau, aber ich glaube Stroh.“

© Regina Meier zu Verl


Das Feld mit der geheimnisvollen Aussaat, Foto © Regina Meier zu Verl

Zwetschgenzeiten

Zwetschgenzeiten

„Halloooo! Wo seid ihr? Will uns denn keiner haben? Halloooo?“
Laut und turbulent ging es zu auf der Obstwiese. Besonders hinten beim Zwetschgenbaum, wo sich die reifen Zwetschgen laut zu Wort meldeten.
„Will uns denn keiner ernten?“
„Hört auf zu jammern, da oben!“, schimpfte der Zwetschgenbaum. Ihr seid noch gut dran. Meine Schmerzen müsstet ihr haben, dann wüsstet ihr, wie schwer die Last ist, die ich zu tragen habe. Ich wünsche, es käme ein Wind, der euch abschüttelte!“
„Abschütteln? Uns? Nein! Was fällt dir ein!?“
Aufgeregt schrien die Zwetschgen ihren Ärger in den Tag hinaus.
„Nicht auszudenken, was uns alles passierte, lägen wir auf dem Boden“, ereiferte sich eine.
„Vom Bodensturz ganz abgesehen“, sagte eine andere. „Wer weiß, wie wir uns dabei verletzen könnten.“
„Oh, oh, das gäbe blaue Flecken!“, klagte eine dicke Zwetschge, die weit oben in den Zweigen hing.
Da musste der Baum herzlich lachten. „Blaue Flecken, dass ich nicht lache, ha ha! Ihr seid doch sowieso blau, ihr blöden Zwetschgen, hahaha!“
Er lachte so sehr, dass gleich ein paar Zwetschgen hinunter purzelten.
„Au, aua, autsch!“, heulten die Zwetschen auf. Die, die auf den Boden fielen, heulten ebenso laut wie die, die sich an ihren Plätzen in den Zweigen festhalten konnten. Sie waren halt etwas zimperlich, diese blauen Früchtchen.
„Wenn ihr erst entsteint, aufgeschnitten und mit Zimt und Zucker bestreut auf einem Kuchenteig in den Backofen geschoben werdet, sehnt ihr euch gerne danach, einfach nur auf den Boden fallen und dort für alle Zeiten liegen bleiben zu dürfen“, brummte der Zwetschgenbaum, dem die zickigen Früchtchen etwas auf die Nerven gingen.
Die Zwetschgen schwiegen. Sie mussten darüber nachdenken, was der Baum gesagt hatte. Gut hörte sich das nicht an. Vielleicht sollten sie doch lieber nicht zu laut schreien. Aber genau wussten sie es auch nicht.
„Mir passiert das mit dem Kuchen nicht“, rief die Zwetschge, die kaum einer mehr beachtete, weil sie schon seit Tagen einen Wurm in ihrem weichen, überreifen Bauch beherbergte. „Ich bin so etwas wie eine Mutter geworden. Eine Wurmmutter. Und sagt, wer würde einer Mutter etwas antun?“
Ein Wanderer kam des Wegs. Er sah die reifen Früchte, pflückte eine ab, polierte sie an seinem Hemdsärmel und biss genussvoll hinein.
„Lecker, lecker!“, lobte er und machte sich wieder auf den Weg.
Beim Zwetschgenbaum war es still geworden. Man hörte auch in den nächsten Tagen keine Rufe mehr. Irgendwann kam die Bäuerin mit Korb und Leiter und pflückte alle Früchte ab. Die ergaben sich klaglos in ihr Schicksal. Sie lebten noch lange ein zweites Leben und verfeinerten in den dunklen Monaten des Jahres viele Mahlzeiten mit ihrem köstlichen Geschmack, dass die Menschen „Zwetschgen sind unsere liebsten Früchte“ sagten. Ja, so war das!

© Elke Bräunling & Regina Meier zu Verl 2016


Zwetschgenzeit, Bildquelle © congerdesign/pixabay

Vom kleinen Trecker, der so gern gebraucht werden wollte 5

Mein Bauer, der Josef, hat mir versprochen, mich am Sonntag mit zum Bauernmarkt zu nehmen. Da sind wir früher auch immer gewesen. In den letzten zwei Jahren allerdings hat er mich nicht mitgenommen, sondern den dicken Grünen.

Ich verstehe das nicht, habe ich denn als Ältester keine Vorrechte, so wie der Großvater auf dem Bauernhof? Der darf doch auch alles machen, was ihm Spaß macht. Na ja, fast alles!

Geduld ist nicht meine Stärke, ich kann es nicht erwarten, bis endlich Sonntag sein wird. Dabei sollte ich in meinem Alter doch gelernt haben, dass nicht alles von jetzt auf gleich geht. Gelassenheit, die würde ich mir wünschen. Aber im Motorherzen bin ich immer noch Kind geblieben und das will ich auch gar nicht anders haben.

„Na, mein Kleiner, freust du dich?“, fragt der Josef und tritt mit Schwung an einen der dicken Hinterreifen.

„Aua, das tut doch weh!“, rufe ich.

„Wollen wir doch mal testen, ob du genug Luft hast für eine Spazierfahrt!“, sagt er noch und schon ist er auf die andere Seite gelaufen und tritt nochmal zu.

„Aua!“, kreische ich, aber das stört den Josef nicht die Bohne. Nie hören sie einem zu, meinen immer, dass sie alles besser wissen. Er hätte mich ja nur fragen müssen, ich weiß genau, wie es um meine Luft bestellt ist.

„Alles in Ordnung!“, bemerkt Josef. Habe ich ja gesagt, alles ist okay mit mir. Bis auf den Staub, den müsste mal einer abputzen, am liebsten wäre es mir, wenn der kleine Lukas das machte, denn der ist immer so vorsichtig, weil er mich doch liebt. Das hat er mir jedenfalls gesagt und darauf bin ich besonders stolz. Wenn seine kleinen Hände mich putzen, dann ist das ein so angenehmes Gefühl, dass ich am liebsten wie eine Katze schnurren würde. Aber ich will Lukas nicht erschrecken.

Und tatsächlich, am Samstag kommt mein kleiner Freund. Er hat eine Arbeitshose an und die Gummistiefel und schon geht die Schönheitspflege los. Jetzt verstehe ich auch, warum Josefs Frau immer so gern zum Friseur geht. Ich werde abgespült und eingeschäumt und dann wieder abgespült und dann trocken gerieben. Heiliger Auspuff, ist das gut! Jeden Tag könnte ich das genießen. Aber morgen geht es ja nun erst einmal auf den Bauernmarkt, mit Josef und Lukas. Die Frauen und Großvater kommen mit dem Auto nach.

Am nächsten Tag versammeln sich alle in der Scheune. Ich bekomme noch ein schönes Schild, auf dem steht wie ich heiße, wann ich geboren bin und wie lange ich schon bei Josef lebe. Dann steigt Josef auf, Lukas lässt sich auf den Kindersitz plumpsen und schon geht es los. Mit lautem Getöse und voller Übermut hupend erreichen wir das Gelände, auf dem der Markt stattfindet.

Wohlwollend betrachten mich die Menschen. Ich werde gestreichelt und gelobt. Ist das schön! Das ist wie pflügen, säen und ernten am gleichen Tag, einfach nur traktorisch genial.

Eine anmutige junge Dame interessiert sich besonders für mich. Sie ist Lukas‘ Freundin aus dem Kindergarten und möchte gern mal eine Runde mitfahren.

Dagegen habe ich nichts einzuwenden, schließlich fährt man nicht jeden Tag eine solche Schönheit durch die Gegend. Sie hat ein bisschen Angst, aber Lukas nimmt ihre Hand und hilft ihr beim Hochklettern.

„Ich pass schon auf sie auf“, flüstert er mir zu und dann fährt der Josef mit seiner kostbaren Fracht los, eine ganze Rund ums Gelände.

Ein schöner Tag war das, denke ich, als ich am Abend wieder in meiner Scheune stehe.

„Lasst mich nicht so lange warten, bis ich wieder gebraucht werde!“, bitte ich leise und dann schlafe ich ein, so erschöpft bin ich.

© Regina Meier zu Verl

So war das früher bei der Kartoffelernte

So war das früher bei der Kartoffelernte

Wenn wir die Kartoffelernte einfuhren, dann kam immer die ganze Familie zusammen. Wir Kinder halfen fleißig mit, aber auch die Tanten und Onkel reisten an, denn alle bekamen ihre Ration an Kartoffeln mit nach Hause und die musste dann über den Winter reichen. Die Verwandten brachten selbstverständlich auch alle ihre Kinder mit. Ging ja auch nicht anders, wo hätten sie die sonst lassen sollen. Junge, war das eine Freude, wenn alle Cousinen und Cousins versammelt waren.
Oh, wir hatten viel Spaß bei der Arbeit und am Abend waren wir schwarz wie die Kohlenkerle. Einer wie der andere. Gut, ich gebe es zu: die Mädchen etwas weniger. Dann wurde gebadet, in der großen Zinkwanne in der Küche. Der Sauberste zuerst und streng nach Geschlechtern getrennt. Öffentlich badeten natürlich nur die Kinder, die Erwachsenen machten das unter sich aus. Aber die waren auch meist nicht so dreckig wie wir, da reichte es, sich zu waschen. Das glaube ich jedenfalls. Als ich selbst erwachsen war, pflanzten meine Großeltern keine Kartoffeln mehr an, höchstens ein paar Meter für den eigenen Bedarf.
Manchmal waren seltsame Formen zu finden, Herzen, oder sogar Gesichter. Wir haben uns kaputtgelacht, wenn wir wieder einen Zwerg mit langer Nase oder irgendein hässliches Gebilde gefunden hatten. Die Herzen bekamen die Mädchen, die wollten sie für ihren Liebsten verwahren. Wie albern! Die wurden doch grün oder sogar faul, bis sie den gefunden hätten. Na ja.
Zum Abendessen gab es Milchsuppe und Butterbrote. In der großen Gemeinschaft schmeckte mir sogar das, obwohl ich eine deftige Scheibe Wurst vorgezogen hätte. Aber davon gab es nicht so viel, denn ein Schwein wurde immer erst kurz vor dem Winter wieder geschlachtet.
Wenn alle Äcker abgeerntet waren, dann machten wir ein großes Fest, das Kartoffelfeuerfest. Das Laub der Erdäpfel wurde aufgeschichtet, dazwischen Kleinholz und Reisig. Wir Kinder sammelten das mit Feuereifer, denn je mehr von dem Holz aufs Feuer kam, desto länger brannte es. Manchmal qualmte es so sehr, dass wir heftig husten mussten. Das hielt uns aber nicht davon ab, noch näher ranzugehen, unsere Hände zu wärmen und im Schein des Feuers Spielchen zu machen. Hast du schon einmal gesehen, wie gruslig das aussieht im Feuerschein, wenn du furchtbare Grimassen ziehst? Da kann einem angst und bange werden.
Das Allertollste beim Kartoffelfeuerfest waren aber die Kartoffeln, die in der Glut gegart wurden. Die waren so lecker, danach hätte ich mir alle zehn Finger ablecken können. Jeder war für seine eigene Kartoffel verantwortlich, die er dann mit einem Stock aus dem Feuer fischte. Kohlrabenschwarz war die Kartoffel dann. Wenn man sie aufbrach, dann leuchtete das weiße Kartoffelfleisch und es duftete köstlich. Ich hatte immer einen eigenen Salzstreuer in der Hosentasche, das war praktisch.
Onkel Jupp holte dann zur Feier des Tages seine Quetschkommode und alle sangen mit. Die Großen kannten alle Texte auswendig und wir Kinder lernten sie schnell, zumindest die Kehrreime.
Wenn dann alle wieder abreisten, waren wir Kinder doch recht traurig. Denn nun kam erstmal die Jahreszeit, in der man nicht so viel draußen rumtoben konnte wie im Sommer. Alle zusammen waren wir dann erst wieder zu Weihnachten, aber das dauerte. Ist ja immer so, wenn man sich auf etwas ganz besonders freut, nicht wahr?

© Regina Meier zu Verl 2016

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(c) Regina Meier zu Verl