Der Prinz mit den goldenen Haaren
Feli lag in ihrem Bett und versuchte, sich an das Lied zu erinnern, das Oma am Nachmittag vorgesungen hatte. Es hatte ihr so gefallen, aber sie bekam es einfach nicht mehr zusammen. Von einem goldenen Wagen war die Rede gewesen und Feli erinnerte sich noch, dass Oma gesagt hatte, dass es sich um eine Kutsche handelte.
Doch alles Grübeln half nichts. Morgen würde sie Oma fragen. Und mit diesem Gedanken schlief sie ein.
Wenn man vorm Schlafen grübelt, dann kann es passieren, dass das Grübelthema sich in den Traum schleicht. Genau das erlebte Feli. Ein goldener Wagen fuhr an ihr vorbei und darin saß ein junger Mann mit goldenen Haaren. Nun, wahrscheinlich waren sie blond, aber im Traum und im Märchen ist alles möglich, nicht wahr?
Viele Menschen standen am Straßenrand und winkten ihm zu. Doch der junge Mann verzog nur arrogant das Gesicht und beachtete die Menge nicht.
„Wer ist das?“ fragte Feli einen Mann, der neben ihr stand.
„Du kennst den nicht?“, antwortete der verärgert. „Das ist unser hochwohlgeborener Prinz, der trägt seine Nase so hoch, dass er nicht merkt, dass sein Volk beinahe verhungert!“
Die Frau neben ihm stieß ihn in die Seite. „Sei still Mann, man könnte dich hören!“
„Soll doch ruhig jemand hören, kein Wort ist gelogen, alles ist wahr!“, sagte der Mann noch eine Spur lauter und erzählte weiter. „Der Prinz ist auf der Suche nach einer Frau Gemahlin, aber er wird niemals eine finden!“, er lachte laut auf. „Wer will schon so einen Schnösel heiraten?“
Feli erschrak, hoffentlich hatte der Prinz das nicht gehört. Sie mochte ihn nämlich. Er sah doch so wunderschön aus mit den langen blonden Haaren und den wundervollen Kleidern aus Samt. Der arrogante Ausdruck in seinem Gesicht gefiel ihr allerdings auch nicht so gut.
Am Ende des Weges drehte das Gespann um. Schnell lief Feli auf die andere Seite, um noch ein weiteres Mal einen Blick auf den Prinzen zu erhaschen und vielleicht sah er sie ja dann auch. Felis Herzchen klopfte etwas schneller bei dem Gedanken.
Da hatte sie sich aber getäuscht, genau wie die anderen Zuschauer am Straßenrand war sie nur Luft für ihn. Dann eben nicht! Empört drehte Feli ihm den Rücken zu. Auf einmal hörte sie es splittern und dann einen markerschütternden Schrei.
Feli setzte sich im Bett auf. „Mama!“, rief sie laut. Doch alles war ruhig im Haus. ‚Es war nur ein Traum‘, flüsterte Feli und ließ sich zurück ins Kissen sinken. Ans Einschlafen war aber nicht mehr zu denken. Ganz genau erinnerte sich Feli an den Traum und zu gern hätte sie nun gewusst, wer da geschrien hatte und was zu Bruch gegangen war. Schließlich packte Feli ihren Teddy und ging hinüber ins Elternschlafzimmer, wo sie sich zu Mama kuschelte. Ach, das tat gut. Hier fühlte sie sich sicher.
„Was ist denn los,“ murmelte die Mutter.
„Ich habe schlecht geträumt.“
„Dann erzähl mal, aber leise, damit Papa nicht wach wird.“ Flüsternd erzählte Feli von Omas Lied, das ihr nicht einfallen wollte und dann von ihrem Traum. Die Mutter schmunzelte und sang ihr leise ins Ohr.
„Machet auf das Tor, machet auf das Tor, es kommt ein goldner Wagen. Wer sitzt darin, wer sitzt darin, ein Mann mit goldnen Haaren.“ Feli kicherte. „Der Prinz in meinem Traum war ja auch wunderschön und hatte goldene Haare, aber besonders nett war er nicht.“
„Nun, es ist nicht alles Gold was glänzt!“, sagte Mama und sang leise weiter: „Was will er will er denn, was will er will er denn? Er will die Feli holen …“ Feli hörte das nicht mehr, sie war längst wieder eingeschlafen und träumte von Prinzen mit goldenen Haaren.
© Regina Meier zu Verl
