Das Weihnachtstheater
„Wer hat sich denn nur diesen Blödsinn ausgedacht?“, schimpft Mama, als ich ihr erzähle, dass im diesjährigen Weihnachtsspiel fast alle Darsteller Weihnachtsgebäck sind. Ich soll die Rolle eines Zimtsternes übernehmen.
„Na, das war der, der das Theaterstück geschrieben hat“, versuche ich Mama zu erklären. Aber das macht es nicht besser. Mama ist verärgert. So gern hätte sie mich wieder in ein Engelkostüm gesteckt und meine Haare in Engelshaar verwandelt. Mama liebt Engel und sie näht doch so gern.
„Ein Lebkuchenmann, das wäre ja noch möglich oder ein Spekulatius, aber ein Zimtstern. Wie soll man den verkleiden?“, fragt sie und rauf sich die Haare.
„Ganz einfach, hellbraun und weiß!“, schlage ich vor, weiß aber selbst nicht so genau, wie man das umsetzen soll, dass es auch der Zuschauer erkennt. Dabei liebe ich Zimtsterne sehr, ich habe mich über die Rolle sogar gefreut, denn der Zimtstern hat viel Text auswendig zu lernen und das macht mir Spaß.
„Kannst du nicht mit jemandem tauschen?“, fragt Mama hoffnungsvoll.
„Nein, das kann ich nicht – und das will ich auch nicht!“ Jetzt bin ich auch ärgerlich. „Ich frage Oma, die hat immer gute Ideen!“
Mama ist beleidigt. „Dann geh doch zu Oma und viel Erfolg euch beiden, ich bin dann raus!“, wettert sie.
Ich ziehe meine dicke Jacke an, denn es ist lausig kalt an diesem Tag. Dann mache ich mich auf den Weg zu meinen Großeltern, die nur ein paar Häuser weiter wohnen. Unterwegs denke ich fieberhaft nach, wie ich das mit Mama wieder in Ordnung bringen kann. Ich will doch keinen Streit, schon gar nicht in der Adventszeit. Ach, ist das blöd!
„Komm schnell rein, du frierst ja!“, sagt Oma, als sie mir die Tür öffnet. Sie hat immer Angst, dass ich mich erkälte. Opa sitzt in der Küche, er studiert die Sonderangebote. Das ist sein Hobby, er liebt Prospekte und weiß immer genau darüber Bescheid, was wo wie teuer ist.
„Zimtsterne sind im Angebot!“, sagt er dann auch schon, bevor er mich begrüßt. „Grüß dich, Mini!“
„Hallo Opa, ich heiße Djamila und nicht Mini und Zimtsterne sind genau mein Thema!“, verkünde ich und lasse mich auf die Eckbank fallen. „Puh, sie verfolgen mich, diese Zimtsterne!“
Erstaunt blickt Opa von seinem Prospekt auf. „Das klingt aber nicht so gut! Was ist denn los?“
Ich erzähle Oma und Opa von dem Theaterstück, in dem die kleine Hanna sich so sehr danach sehnt, einmal in ihrem Leben auch Weihnachtsgebäck essen zu dürfen. Sie ist nämlich zuckerkrank und darf das nicht. Das Weihnachtsgebäck denkt sich etwas aus, um der Kleinen doch eine Freude zu machen, ohne, dass sie es essen muss. Sie studieren einen Tanz ein und erscheinen in der Nacht zum Heiligen Abend in ihrem Zimmer, um den Tanz ganz allein für sie aufzuführen. Alle sind dabei, Stutenkerle, Lebkuchenmänner, Spekulatiusplätzchen, Printen, der Christstollen … und ich, der Zimtstern.
„Oha!“, sagt Oma. „Eine schöne Idee, aber nicht so leicht umzusetzen!“
„Eben!“, stimme ich ihr zu und erzähle auch gleich, dass Mama eingeschnappt ist, weil ich Omas Rat einholen will. „Das ist blöd, weiß ich ja. Aber sie hatte gar keine Idee und ich auch nicht. Oma, du bist meine letzte Rettung!“
„Printen finde ich viel schwerer“, sagt Oma da auch schon und man kann ihr ansehen, dass es in ihrem Kopf bereits rattert. „Zimtstern, Zimtstern“, murmelt sie vor sich hin. Opa und ich schweigen erstmal, wir wollen sie nicht beim Denken stören. Dann hat sie’s wohl, man sieht es an ihrem funkelnden Blick. Sie verrät aber nichts, zieht nun ihrerseits eine dicke Jacke an und macht sich auf den Weg zu Mama. „Wir müssen was besprechen!“, ruft sie noch. Opa grinst, ich grinse und dann vertilgen wir gemeinsam die Zimtsterne, die in einem Schälchen auf dem Tisch stehen.
Opa schlägt vor, dass wir eine Runde Mau Mau spielen könnten und da bin ich doch gern dabei. Mit Opa Karten zu spielen, das ist eine wahre Freude, er verliert nämlich meist und wenn er sich darüber ärgert, dann ist er immer so niedlich. Hach, ich liebe meinen Opa.
Als Oma nach einer Stunde noch immer nicht zurück ist, beschließen Opa und ich mal nach dem Rechten zu schauen. Die beiden Frauen sitzen mit hochroten Köpfen in der Küche. Vor ihnen liegt ein Zeichenblock, auf dem sie verschiedene Notizen gemacht haben. So richtig erkennen kann ich noch nichts, aber Mama erklärt: Ich nähe ein braunes Unterkleid, darüber kommt aus weißem, fast durchsichtigen Stoff das Oberkleid, das ist der Zuckerguss. Oma bastelt braune Sterne mit weißem Guss drauf, die werden überall am Kleid befestigt und auf dem Kopf wird ein großer Stern thronen. Dann bist du ein Zimtstern, Mini!“
Ich sehe ihr ausnahmsweise das „Mini“ mal nach, weil ich doch so froh bin, dass sie gar nicht mehr ärgerlich klingt und das Kostüm kann ich mir nun gut vorstellen.
„Wir können ja die Haare trotzdem ein wenig beglitzern, dann bin ich eben ein englischer Zimtstern!“, schlage ich noch vor und habe die Lacher auf meiner Seite. Ich werde ein toller Zimtstern sein, ganz bestimmt.
© Regina Meier zu Verl
