Lebensdrabble 24 – Philodendron und Fransen

Ich hatte ehrlich gedacht, ich mache meiner Mutter eine Freude, wenn ich die hässlichen Luftwurzeln der großen Philodendron Pflanze abknibbele. Ich fand jedenfalls, dass sie so viel schöner aussah. Mama fand das nicht, sie liebte ihr Philodendron. Auch der Pflanze gefiel es nicht, sie reagierte nach ein paar Tagen mit gelben Blättern, die Pflanze. Mama war direkt beleidigt, auch, weil das nicht die einzige wohlgemeinte Hilfe war an diesem Tag. Elke und ich hatten feinsäuberlich die Teppichfransen im Wohnzimmer teils geflochten, teils verknotet. Mann, war das eine Arbeit gewesen und dann dieser Undank! Ich mag heute weder Teppichfransen noch Philodendren.

100 Wörter

Lebensdrabble 23 „Hansi“

Das Haustier unserer Kindheit war „Hansi“, ein Kanarienvogel. Er passte gut zu uns, denn es wurde bei uns zu Hause immer gesungen und musiziert. Hansi war dann voll in seinem Element. Er gab sein Bestes, um uns zu übertönen. Manchmal reichte es auch, einfach den Wasserhahn aufzudrehen, damit er vom Plätschern animiert wurde. Er nahm dort auch gern mal eine Dusche, war überhaupt sehr zutraulich und gar nicht menschenscheu. Er pickte auch gern am Butterbrot mit Leberwurst, das wir alle gern zum Abendbrot aßen. Hier füge ich ein Stilleben unseres Abendbrottisches ein. Von links nach rechts, Mama, Ich, Elke, Uwe.

100 Wörter

Lebensdrabble 22 „Mareili im Märchenwald“

In der Schule probten wir ein Theaterstück „Mareili im Märchenwald“. Ich wurde Dornröschen. Wie jedes Mädchen freute ich mich, eine Prinzessin sein zu dürfen. Meine Mutter gestaltete mein Kostüm, das aus einem rosa Nachthemd bestand, auf das rote Rosen aus Krepp-Papier aufgenäht waren. Rote Schuhe und eine Krone aus Pappe rundeten das Bild ab. Was gäbe ich für ein Foto aus dieser Zeit, gibt es aber leider nicht. Es war 1962, da fotografierte man nicht wild in der Gegend rum, sondern musste jedes Foto gut bedenken. Die Schuhe waren zu groß, man behalf sich mit Toilettenpapier, das vorn reingestopft wurde.

100 Wörter

Lebensdrabble 21 „Wer sich die Musik erkiest“

Wir sind eine musikalische Familie. Beide Eltern spielten Klavier, es lag nahe, dass ich Klavierunterricht bekommen sollte. Mit Mama klappte das nicht gut, mit Papa aber auch nicht, weil der einfach zu wenig Zeit hatte. Also beschloss die kleine Regina, ein anderes Instrument zu erlernen, eines, das die Eltern nicht konnten und somit auch nicht dazwischen reden würden. Eine Geige musste her. Die fand sich auf dem Dachboden eines guten Freundes meiner Eltern und wurde für mich restauriert. Mein Bruder wollte auch, deshalb teilten wir uns das Instrument eine Weile. Darauf komme ich noch zurück, 100 Wörter reichen hier nicht!

100 Wörter

Lebensdrabble 20 „Stilles Örtchen“

Stilles Örtchen

Wir wohnten in einer Werkswohnung. Diese war sehr geräumig und es gab einen großen Balkon. Unsere Küchentür, sowie das Wohnzimmerfenster der Nachbarn führten auf den Balkon. Und: das Fenster der gemeinsamen und zunächst einzigen Toilette. Nun waren wir fünf Personen, die Nachbarn vier Leute. Und wenn alle mal aufs Klo mussten, dann konnte man sich keine langen Sitzungen erlauben. Die Klobrille wurde praktisch nicht kalt. Ich erinnere mich, dass ich einmal im Toilettenraum war, die Tür abschloss und dann aus dem Fenster auf den Balkon stieg und verschwand. Die Schlange vorm Klo löste sich erst, als jemand meine „Schandtat“ bemerkte.

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Lebensdrabble 19″Geburtstagsständchen“

Geburtstagsständchen

„Bitte spielen Sie zu Vaters neunzigstem Geburtstag!“ Die Tochter bucht unsere Band als Überraschung.
Ich sage gern zu.
An dem besagten Abend findet unsere Musik guten Anklang, nur das Geburtstagskind ist zurückhaltend. Als ich ihm gratuliere, versteht er mich nicht und schaut mich hilflos an.
„Vater, du musst dein Hörgerät einschalten!“, rät die Tochter. „Wissen Sie, mein Vater hört fast nichts mehr.“
Der Vater fällt ihr ins Wort: „So, jetzt höre ich Sie, es ist alles eine Sache der Einstellung.“
Er lacht wie ein kleines Kind. „Und wenn später die Musik wieder so laut ist, schalte ich einfach wieder ab.“

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Lebensdrabble 18 „Haarträume“

Jedes Mädchen träumt den Traum von langen Haaren. Ich auch, besonders, weil meine Mutter meinte, meine Haare seien zu dünn, zu verwirbelt. Ein wenig stimmte das, trotzdem trage ich meine Haare heute eher lang als kurz und fühle mich damit sehr wohl. Heute gibt es sogar, ich benutze sie nicht, Extensions. Damals gab es stattdessen Pelzmützen mit langen Bindebändern dran, wenn man die nicht zuband, sondern offen hängen ließ, dann sah das aus, als habe man lange Haare. Himmel, waren wir schick! Alternativ nutzten wir Strickröcke, die man auf dem Kopf tragen konnte, die „Ersatzhaare“ gingen dann bis zum Po.

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Lebensdrabble 17 „Zu Besuch in der Hundehütte“

Zu Besuch in der Hundehütte

„Braves Hündchen!“, soll ich gesagt haben, als ich mich, ungefähr vierjährig, in die Hütte des angeketteten, sehr gefährlichen Schäferhundes begeben hatte, um ihn mit meiner Liebe zu überschütten. Der Hund gehörte zu der Gaststätte. Ich selbst kann mich daran nicht mehr erinnern, aber Mama erzählte, dass ihr fast das Herz stehen geblieben ist, denn alle hatten furchtbare Angst vor dem Hund. Mit leisen Worten versuchte man mich dann aus der Hütte zu locken, was erst nach langem Hin und Her gelang. Mit hat’s da wohl gefallen. Angst vor fremden Hunden habe ich erst später entwickelt, hält sich aber in Grenzen.

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Lebensdrabble 16 „Papa lässt die Leute tanzen“

Papa lässt die Leute tanzen

Mein Vater machte an den Wochenenden Tanzmusik. Damit besserte er das Familieneinkommen auf. Es hieß aber für uns, dass wir am Samstag und am Sonntag leise spielen mussten, weil Papa den versäumten Schlaf nachholen musste. Früher gingen Hochzeiten noch über den ganzen Tag, dann spielte meine Mutter nachmittags ein paar Stunden Klavier zur Unterhaltung und am Abend kam dann Papa mit seiner „Kapelle“ zur Ablösung. Waren sie mal beide unterwegs, passte Tante Strothmann auf uns auf. Sie war für uns Kinder wie eine dritte Oma. Die beiden anderen Omas wohnten in Bielefeld und konnten nicht mal eben auf uns achten.

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Lebensdrabble 15 „Das weiße Eheschlafzimmer“

Das weiße Eheschlafzimmer

Ein Nachbar hatte für Schwesterchen Elke und mich ein „Eheschlafzimmer“ gebaut, weiß lackiert. Ehebett, Kleiderschrank, Frisierkommode und zwei Nachschränkchen gehörten dazu. Mein Bruder hatte ein eigenes Zimmer, wollte aber nicht da schlafen, sondern bei uns in der Mitte. Wir wehrten uns gern dagegen, aber Uwe gewann meist und lag dann selig in der Besucherritze. „Gina, erzählst du uns eine Geschichte?“, bat er, und ich erzählte. Immer aus dem Kopf und immer lustig. Wir lachten und kicherten um die Wette, bis unsere Mutter Einhalt gebot und wir leise weitermachten. So kommt es, dass ich schon mein ganzes Leben lang Geschichten erzähle.
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