Der Igel sucht einen Freund Eine Freundschaftsgeschiche
„Immer bin ich hier allein“, jammerte der Igel. „Ich habe zwar alles, was sich ein Igel wünschen kann, aber ich hätte so gern einen Freund!“ Aha, er war also einsam, der kleine Igel und das kann man ja auch verstehen. Jeder braucht einen Freund, einen, an den man sich anlehnen kann, der einem zuhört, der da ist, wenn es einem schlecht geht. Aber auch dann, wenn es einem gut geht braucht man einen Freund, einen, mit dem man eben alles teilen kann, Freud und Leid. Unser kleiner Igel hatte sich nun so in seinen Kummer hineingesteigert, dass ihm die Tränen kamen. So richtig dicke Igeltränen waren es und weil er immer trauriger wurde, unterstrich er die Tränen mit einem herzerbarmenden Geheul. Habt ihr schon einmal einen Igel heulen hören? Nein? Es klingt wie das jämmerliche Schreien eines Kindes und geht einem durch Mark und Bein, ganz ehrlich. Allerdings hilft es unserem Igel gar nicht, wenn er einfach nur laut heult. Aktiv muss er werden und vielleicht mal einen Blick über den Tellerrand, besser gesagt Gartenzaun, wagen. Denn, dass er im Garten allein ist, das weiß er ja schon. Also los, kleiner Igel, mach dich auf die Socken und suche dir einen Freund oder eine Freundin, noch ist Zeit, denn schon bald musst du dich nur noch um ein gutes Fettpolster kümmern, damit du den Winterschlaf gut überstehen kannst. Bedenke aber, dass du deine Regenwürmer, Insekten und sonstige Leckerchen teilen musst, wenn du einen Freund hast. Das macht man so unter Freunden! „Aber wo soll ich nur hingehen?“, fragte sich der Igel. „Ob ich mal in den Wald spaziere? Das Rotkehlchen hat neulich so ein Loblied auf den Wald gesungen. Vielleicht finde ich da einen Freund, ist doch egal, ob es ein Igel ist, oder ein anderes Tier. Mir ist alles recht, solange ich nicht allein sein muss. Dafür teile ich meine Würmer und alle anderen Leckerchen gern, ganz ehrlich!“, sagte er. „Na, so richtig kuschelig bist du ja nicht!“, kicherte das Eichhörnchen, das gerade wieder ein paar Nüsschen im Garten vergraben hatte. „Ich kann mir etwas Schöneres vorstellen, als mit dir zu kuscheln!“, rief es noch und sprang davon. „Dafür bist du aber … ach, da fällt mir gar nichts ein, wie man dich bezeichnen könnte, du, du …!“, rief der Igel wütend und schon wieder kamen ihm die Tränen. Entschlossen schluckte er sie aber herunter und lief los. Er krabbelte unterm Gartenzaun durch und gelangte auf eine riesige Wiese, auf der die Kuh Berta und ihr Kalb in aller Seelenruhe grasten. „Hallo!“, sagte der Igel zur Begrüßung. Berta kaute weiter, sie hob erst den Kopf, als sie bemerkte, dass ihr Kalb sich für den stachligen Gesellen interessierte. „Komm da weg!“, befahl sie dem Kleinen und kaute weiter. „Entschuldigung, ich wollte nicht stören“, versuchte der Igel die Unterhaltung nochmals aufzunehmen. „Tust du aber, verschwinde!“, sagte Berta und drehte dem Igel ihren dicken Hintern zu. Sie hob den Schwanz und wäre der kleine Igel nicht schnell weitergelaufen, hätte es wohl ein Unglück gegeben. Völlig außer Atem kam er am Waldrand an und musste erst einmal eine Weile verschnaufen, so schnell war er gerannt. „Du sitzt im Weg“, wisperte ein feines Stimmchen. Der Igel schaute sich um, sah aber niemanden. „Ich bin hier unten, bist du blind?“, fragte die Stimme unfreundlich. „Igel sehen sehr schlecht!“, verteidigte sich der Igel. „Wer bist du denn überhaupt?“ „Ich bin Lotti Ameise und meine Schwestern werden gleich hier eintreffen, wir haben Stöckchen für unseren Ameisenbau gesammelt und müssen hier durch, also troll dich!“, befahl sie. Der Igel erhob sich und ging ein Stückchen zur Seite. Er kniff die Augen ein wenig zusammen, um besser sehen zu können und tatsächlich, da sah er die Ameisenkolonne, die schwer beladen ihres Wegs zog und Lotti rief, so laut sie konnte: Eins, zwei drei, kommt hier vorbei und eins, zwei drei, kommt hier vorbei!“ Der Igel schüttelte den Kopf. So etwas hatte er noch nie gesehen, aber auch, wenn er sich ein bisschen über Lottis Unfreundlichkeit ärgerte, bewunderte er insgeheim die fleißigen Ameisen. Er war schon ein wenig hungrig geworden und fühlte sich, als sei er schon stundenlang unterwegs, trotzdem trieb er sich an. „Weiter, alter Junge! Wird schon werden!“ Eine Weile lang traf er auf kein anderes Tier, außer auf eine dicke grüne Raupe, die ihm gerade recht kam. Er hatte nämlich Hunger und freute sich über diesen Leckerbissen. „Na du!“, sagte die kleine Raupe. Sie hatte eine so niedliche Stimme, dass es der Igel nicht über sich brachte, sie einfach so zu verspeisen. Er konnte sich genauso gut eine Weile mit ihr unterhalten. Was später war, würde man dann sehen. „Na du!“, antwortete er deshalb recht freundlich. „Wie geht es dir?“ „Ach“, antwortete die Raupe, „ich bin so traurig, meine Freundinnen sind alle schon verpuppt, nur ich bin noch da und finde keinen guten Platz, um es ihnen gleich zu tun. Schätze ich muss als Raupe überwintern!“, sagte die Kleine. „Das tut mir leid!“ Der Igel hatte Mitgefühl mir der Raupe und brachte es nicht übers Herz, sie zu verspeisen. „Ich muss mir auch bald einen Platz zum Überwintern suchen! Wollen wir uns nicht zusammentun?“, schlug er vor. „Gern!“, sagte die kleine Raupe. „Dann sind wir beide nicht allein, das stelle ich mir schön vor!“ Sie lächelte den Igel an, wurde aber sogleich wieder traurig. „Aber, wie soll das gehen? Ich kann nicht so schnell laufen wie du, ich würde dich nur behindern!“ Der Igel schüttelte schnell den Kopf. Er wollte auf keinen Fall, dass die gerade gewachsene schöne Idee wie eine Seifenblase zerplatzte. „Ich nehme dich einfach mit, du bist klein und zart und wiegst fast nichts. Krabble auf meinen Rücken, das hast du eine gute Aussicht. Du kannst mir sagen, wohin ich gehen soll. Ich sehe nämlich nicht so gut, weißt du!“, ereiferte sich der Igel. „Aber, aber du hast Stacheln, du würdest mich verletzen!“, sagte die kleine Raupe traurig. „Nein, das werde ich nicht. Meine Stacheln benutze ich nur, wenn ich bedroht werde, aber schau hier“, der Igel richtete sich ein wenig auf, so dass die Raupe seine Unterseite sehen konnte. „Hier unten und im Gesicht habe ich gar keine Stacheln, du könnte hier einen schönen warmen Platz für dich finden!“ Die Raupe schaute genau hin und nickte dann. „Okay, wir versuchen es.“ Vorsichtig kroch sie am Igelbein hoch und an der Seite lang bis hinter sein linkes Ohr. Dort saß sie sicher und hatte einen guten Ausblick. Der Igel schlug vor, dass sie gemeinsam in „seinen“ Garten zurückkehren könnten, da es dort wunderbare Verstecke gab und auch genügend Nahrung für das Winterpolster, das er sich noch anfressen musste. Raupen würde er nicht mehr fressen, denn er hatte ja nun eine Freundin und Freunde hat man lieb. Ist doch so, oder?
Was aus unseren beiden geworden ist möchtet ihr wissen? Da unser Igel mit Katzenfutter gefüttert wurde, das die Gartenbesitzer ihm hinstellten, wurde er dick und rund. Die Raupe fraß nichts mehr, im Frühjahr würde sie sich auch verpuppen und irgendwann ein wunderschöner Schmetterling sein. Schon bald konnten sich die beiden einen Platz aussuchen, an dem sie gemeinsam überwintern konnten. Sie redeten und redeten, erzählten sich lange Geschichten, lachten und weinten miteinander und irgendwann schliefen sie eng aneinander gekuschelt ein. Schön, oder?
Heute habe ich mir im Gartencenter ein Vogelhaus angesehen, aber noch nicht gekauft, weil ich hoffe, dass mein Mann mir eines bauen wird. Wir standen gerade auf der Terrasse und berieten, wie groß es werden sollte, da schlich die dicke Nachbarkatze über die Wiese hinterm Haus. Sofort sprangen meine Geschichtenhirnzellen an. Das Ergebnis stelle ich hier vor.
Gerade nochmal gut gegangen
Aufgeregt ließ sich Frau Blaumeise auf dem Apfelbaumzweig nieder, direkt neben Frau Kohlmeise.
„Haben Sie es schon gehört? Es ist sensationell, meine Liebe!“, zwitscherte sie.
„Was soll ich denn gehört haben, nun sagen Sie schon!“, erwiderte Frau Kohlmeise.
„Auf der Terrasse der alten Betty steht ein neues Vogelhaus!“, erzählte Frau Blaumeise stolz. Sie wähnte sich als Entdeckerin dieser unglaublichen Sensation.
„Na und?“, fragte Frau Kohlmeise. „In vielen Gärten stehen Vogelhäuser. Was nützt uns das, wenn nichts drin ist?“
„Das ist es ja eben! Bei der alten Betty ist was drin und was für tolle Sachen das sind. Ich bin pappsatt und kann heute kein Körnchen mehr hinunterbringen! Diese Nüsschen, ich sage Ihnen, die sind köstlich!“, schwärmte Frau Blaumeise.
„Erzählen Sie es nur nicht zu oft herum, rate ich Ihnen. Dann bleibt nichts mehr für uns!“, meinte Frau Kohlmeise, dann machte sie sich auf, um das Vogelhaus in Augenschein zu nehmen. Sie bat Frau Blaumeise nicht einmal, mit ihr zu kommen. Auch hätte sie sich bedanken können. Frau Blaumeise war verstimmt und ärgerte sich nun, dass sie überhaupt etwas verraten hatte. Dabei hatte sie es gut gemeint, schließlich hatten doch alle Vögel Hunger.
Sie flog ein paar Zweige höher im Apfelbaum, da sie von dort einen besseren Blick auf den Garten der alten Betty hatte. Es fing schon an zu dämmern und im Garten war alles still. Doch da, was war das? Schlich da nicht der dicke Theodor ums Vogelhaus? Frau Blaumeises Gefieder stellte sich aufrecht, das ist so, wenn Meisen Gänsehaut bekommen. Gefahr! Große Gefahr! Der dicke Theodor war nämlich ein gefräßiger Kater und sicher hatte er Frau Kohlmeise bereits im Blick.
‚Ich muss helfen‘, dachte Frau Blaumeise. Aber das war gar nicht so einfach, was konnte sie schon gegen einen dicken Kater ausrichten?
So schnell sie konnte, flog sie zum Garten der alten Betty, setzte sich aufs Fensterbrett und zwitscherte und piepste so laut, wie es ihr möglich war. Immer wieder hackte sie mit dem Schnabel an die Fensterscheibe und es dauerte auch gar nicht lange, da öffnete Betty das Fenster und streckte den Kopf heraus.
„Was ist denn hier los?“, fragte sie und schon ging ihr Blick zum Vogelhaus und gleich erfasste sie die Lage. „Theodor!“, kreischte sie. „Komm sofort da weg!“
Theodor schlich mit hängenden Schultern zur Katzenklappe, durch die er noch gerade so durchpasste.
„Macht euch keine Sorgen, liebe Vögelchen!“, versprach die alte Betty. „Gleich morgen werde ich einen Draht unterhalb des Hauses anbringen, dann kann euch niemand etwas zuleide tun!“
Frau Blaumeise war erleichtert und Frau Kohlmeise, die diese Gefahr erst erkannt hatte, als schon alles vorbei war, war sehr dankbar.
„Frau Blaumeise, Sie sind die Beste!“, zwitscherte sie und von diesem Tage an waren die beiden Freundinnen.
Dein grauer Mantel wärmt mich nicht, November. Doch hüllt er mich ein, schmeichelt mir und lässt meine Linien weicher erscheinen. Ich habe das bunte Herbstgewand neben das zitronengelbe Sommerkleid gehängt. Das Grau schmücke ich mit farbenfrohen Tüchern, so wie ich meine Fenster mit Kerzenlicht erhelle.
Die Gedanken an das keimende Leben in der Natur verscheuchen die Tristesse, die wieder mal Gast in mir sein will. Ich habe gelernt damit umzugehen und habe mir ein Lächeln ins Gesicht gemalt, versuche es zu halten und siehe da, wie gespiegelt lächeln die Menschen zurück. Wo noch eben Missmut spürbar war, zaubert das Lächeln ein Licht um sie und strahlt immer heller. Freundliche Gesichter, warme Worte, ein Miteinander wie ich es mir wünsche. Es ist so leicht, warum machen wir es uns immer so schwer?
Mein Herz tut sich auf und erkennt die Schönheit der Nebelschleier, gnädig verhüllen sie die Welt, geben ihr etwas Geheimnisvolles. Im Abendlicht funkeln Tropfen wie Glasperlen an feinen Spinnfäden. Ich suche nach Elfen und Waldgeistern in dieser zauberhaften Natur und manchmal habe ich Glück und entdecke ein Waldwesen in einer Baumrinde oder einer vergessenen Blüte. Ich umarme die Bäume, spüre ich Kraft und wünsche mir, dass ich wie sie den Lebensstürmen trotzen kann. Und plötzlich weiß ich: Ich kann! Ich muss es nur wollen und ich will. Dankbar bin ich und demütig. Ich bin eins mit der Natur, sie nimmt mich auf und das wird sie auch tun, wenn meine Erdenzeit zu Ende sein wird. Der Kreislauf des Lebens, es ist die Zeit, in der wir der Verstorbenen gedenken und ihre Gräber schmücken mit Farbe und Licht. Wir tragen sie in uns und sie stehen uns zur Seite, immer, nicht nur im November.
Vorfreude erwacht, kindliches Staunen, das mit großen Augen auf die Lichter schaut, die nach und nach die Fenster erleuchten. Schon erahne ich die ersten Schneekristalle, die auf meiner Nasenspitze schmelzen und mit der Zunge fahre ich über die Lippen, um den Winter zu schmecken. Willkommen, November, ich mag dich und deine Eigenheiten. Dein Geruch ist ausgeprägt in meiner Erinnerung, wie liebe ich den Duft des Laubes. Das Rascheln unter meinen Füßen singt mir ein Lied und ganz leise klingen schon die Glocken des Advents mit.
Der Sommer ist Hannas liebste Jahreszeit. Sie liebt es barfuß durch den Garten zu laufen, am besten gleich am Morgen nach dem Aufstehen, gern auch im Schlafanzug. Das hat sie von Mama abgeguckt, die macht das auch. Dazu gehört bei Mama aber noch eine Tasse Kaffee, unbedingt. Kaffee trinkt Hanna nicht, der ist ihr zu bitter. Aber neuerdings nimmt sie ihre Lieblingstasse, gefüllt mit Mineralwasser und wandert durch den Garten. Während des Wanderns denkt sie, so wie Mama. Die denkt nämlich über ihre nächste Geschichte nach und ab und zu kommt es vor, dass sie schnell die Kaffeetasse irgendwo abstellt und ins Haus saust, weil sie eine zündende Idee hatte, einen Gedankenblitz. Hanna findet das toll. Sie möchte auch Geschichten schreiben, vielleicht über einen verborgenen Schatz, mit dessen Hilfe sie dann steinreich werden kann. Deshalb wartet sie auf so eine Blitzidee. Seit sie mit Mineralwasser wandert, kommt ab und zu ein kleiner Rülpser, aber ein Blitz war noch nicht dabei. Schade! So richtig kann sie sich das aber sowieso nicht vorstellen. Wie soll das gehen? Es blitzt im Kopf und dann? Eigentlich müsste es dann donnern, aber es handelt sich wohl nicht um ein richtiges Gewitter. Na ja, Hanna muss Mama einmal genauer befragen, vielleicht funktioniert es dann auch bei ihr mit den Gedankenblitzen. Noch bevor Hanna ihre Mutter interviewen kann, passiert es heute Morgen. Es blitzt ein Gedanke in Hannas Kopf. Schnell stellt sie die Tasse ab und saust in ihr Zimmer. Ein Block und ein Stift liegen dort bereit, für den Fall, dass sie schnell etwas aufschreiben muss. Hanna nimmt den Bleistift und schreibt: «Das Geheimnis der Kaffeetassen». Das war der Blitzgedanke, aber wie soll es weitergehen? Hanna ist unsicher. Dabei gibt es viele Möglichkeiten. Die Tassen könnten verschwinden, oder sie fangen an, miteinander zu reden. Vielleicht sind im Garten Kobolde, die Geschirr sammeln und die Tassen in ihre Behausungen schleppen. Es hilft nichts, Hanna muss wieder in den Garten, vorsichtshalber nimmt sie noch eine Tasse mit Mineralwasser mit, das hat ja scheinbar geholfen. Über dem Garten hängt zwar eine dicke Wolke, aber noch regnet es nicht und Mama ist auch gerade unterwegs und denkt. Sie lächelt Hanna kurz zu und legt dann den Zeigefinger auf die Lippen. Das heißt: Bitte jetzt nicht stören! «Natürlich nicht!», mault Hanna leise. Hanna wandert und wandert, die zweite Tasse ist schon wieder leer und der Bauch wölbt sich von der vielen Kohlensäure. Wieder lässt das Mädchen ein paar kleine Rülpser ab, nicht zu laut, um Mama nicht zu stören. Hanna grinst. Bereits beim nächsten Rülpser kommt eine neue Idee. Wieder stellt sie die Tasse ab und flitzt ins Haus, sie überholt Mama, die ebenfalls gerade auf dem Weg an ihren Schreibtisch ist. Beide lächeln und schweigen, damit sie ihre Gedanken nicht verlieren. In der Überschrift hat sie von geheimnisvollen Kaffeetassen geschrieben, aber jetzt erst weiß sie, wie es weitergehen soll. Also schreibt Hanna: Es war ein schöner Tag Ende August. Die großen Ferien waren zu Ende und endlich durfte man die Freundinnen und Freunde wiedersehen, die man so sehr vermisst hatte. Lea hatte in den Ferien einen Kaffeebecher mit Porzellanfarben angemalt. Den schenkte sie ihrer besten Freundin Lotta, die sich darüber sehr freute. Für sich selbst hatte Lea genau den gleichen Becher bemalt, nur dass ihr Name draufstand und auf Lottas Becher eben Lottas Name, logisch, oder? Die Namen hatte sie auf eine Kutsche geschrieben, nämlich auf die Kürbiskutsche, die sie in ihrem Märchenbuch gefunden hatte und mit der Cinderella zum Ball gefahren war. Hanna ist stolz, als sie den Text noch einmal durchliest. Das war doch schon ein kräftiger Gedankenblitz, darauf kann man aufbauen, denkt sie und wandert wieder in den Garten. Diesmal ohne Tasse, denn der Schrank ist leer, es ist keine Tasse mehr drin. Hanna nimmt sich einen kleinen Korb und macht sich auf in den Garten, nach den Tassen schauen. Auf der Terrasse findet sie einen von Mamas Bechern. Er ist noch halb voll, aber der Kaffee ist kalt. Mit einem Schwung gießt Hanna den Inhalt an die Geranien im Blumenkübel. Dann wandert sie weiter, findet den nächsten Becher unter dem großen Rhododendronbusch, auch einer von Mamas. Eine Schnecke sitzt drin und schaut sich verwundert um, als sie mitsamt dem Becher hochgehoben wird. «Igitt!», ruft Hanna, schickt aber gleich ein «Entschuldigung, ist mir nur so rausgerutscht!» hinterher. Eigentlich mag Hanna Schnecken, aber nicht in Kaffeetassen. Behutsam legt sie die Tasse ins Gras und sagt: «Ich gebe dir fünf Minuten, um in die Freiheit zu kriechen, dann komme ich wieder!» «Herzlichen Dank!», flüstert die Schnecke. «Gerne!», sagt Hanna und geht weiter auf Tassenjagd. Dann stutzt sie, kratzt sich am Kopf, denkt nach – ja, noch intensiver als sowieso schon und kommt zu dem Schluss, dass sie sich verhört haben muss und das nun ein echter Gedankenblitz war. Sie rennt ins Haus, so schnell man das mit einem Korb mit einer Tasse drin kann und schreibt auf ihren Block: Wenn Schnecken in Kaffeetassen wohnen, können sie sprechen! Wie die Geschichte weitergeht, möchtet ihr nun wissen? Das wüsste ich auch gern, ich nehme mir nun meinen Lieblingsbecher mit Kaffee und wandere in den Garten. Dort warte ich, na, ihr wisst es schon! Nein, nicht auf den Gedankenblitz, sondern auf sprechende Schnecken, ich bin nämlich davon überzeugt, dass es die gibt. Ihr auch?
Immer wieder fasziniert mich die Rückkehr der Störche im Frühjahr und etwas wehmütig bin ich, wenn sie sich wieder auf die Storchenreise in den Süden machen. Ein Trost, sie kommen wieder, das hoffe ich jedenfalls.
Storchenreise in den Süden
„Liebster, die Kinder sind längst ausgeflogen. Sollen wir uns auch langsam auf den Weg machen?“
Vater Storch klappert unwillig mit dem Schnabel. Er hat noch keine Lust, die große Reise nach Afrika anzutreten. Es gibt noch so viele leckere Sachen auf der Wiese und das Wetter ist auch prima.
„Lass uns noch ein oder zwei Tage warten“, schlägt er deshalb vor.
Frau Storch weiß, dass ein Widerspruch nichts nützt. Wenn sie doch nur nicht so eine Sehnsucht nach den Kindern hätte, die das Nest schon vor einigen Tagen verlassen hatten und unternehmungslustig gen Süden gezogen waren. Ob sie ihre Kleinen wiedersehen würde?
Als hätte ihr Mann ihre Gedanken gehört, gibt er ihr die Antwort auf die nicht gestellte Frage:
„Wir werden die Kinder einholen, da bin ich ganz sicher. Und nun friss, du brauchst Kraft für die Reise und da oben am Himmel ist es lausig kalt, da muss dich dein Fett wärmen!“
Stolz schreitet die Storchenmutter hinter ihrem Mann her und hält die Augen offen. Sie sucht die Wiese nach etwas Essbarem ab und hat Glück. Ein dicker fetter Regenwurm ist die Vorspeise und dann erbeutet sie noch ein paar Heuschrecken. Seit die Kinder sich selbst ernähren konnten, können die Eltern wieder etwas mehr für sich selbst sorgen und das ist auch gut so. Vor einem Mauseloch verharrt Mutter Storch. War da nicht gerade ein Mäuschen verschwunden? Mal abwarten.
„Die Kinder finden den Weg, sie haben einen inneren Wegweiser. Das weißt du doch!“, sagt Vater Storch, der sich natürlich auch sorgt. Er zeigt es nur nicht so.
„Ja, ja, das weiß ich ja. Trotzdem darf ich doch an sie denken, oder nicht?“
„Sicher, aber mach dir nicht zu viele Sorgen. Wir haben es doch auch ohne unsere Eltern geschafft und in diesem Jahr ist es schon das sechste Mal, dass wir die lange Reise antreten.“
Frau Storch kichert. „Antreten ist gut, ersegeln ist aber besser, oder willst du nach Afrika laufen?“
Ärgerlich klappert Vater Storch mit dem Schnabel. Es ärgert ihn, dass seine Frau immer das letzte Wort haben muss. Seine Frau hingegen ärgert sich, dass das Mäuschen durch das Geklapper gewarnt ist und sicher nicht so bald wieder aus seinem Loch kommen wird. ‚Blödmann!‘, denkt sie, hütet sich aber, das auszusprechen.
Am nächsten Tag machen sich die beiden aber dann doch auf, um mit vielen anderen Störchen in den Süden zu reisen. Als sie beim Treffpunkt ankommen, sehen sie auch ihre Kinder wieder. Ist das eine Freude!
Fast zwei Monate sind die Störche und ihre Freunde dann unterwegs. Ob sie im nächsten Jahr zurückkommen?
Zwei dicke weiße Wattewolken segeln am Himmel. Ab und zu werden sie vom Wind ein wenig angeschoben. Wenn ich hier unten auf der Erde einsam bin, dann kann ich auch allein mit den Wolken segeln, denke ich. Keiner wird mich vermissen, oder doch?
Ich frage mich nur, wie ich da hochkommen soll und ob mich die Wolken auch tragen können. Mein Blick fällt auf die Leiter, die an den Apfelbaum gelehnt ist. Vielleicht könnte ich dort hinaufklettern und vom Baum aus versuchen eine Wolke zu erreichen.
Vorsichtig steige ich von Sprosse zu Sprosse. Als ich an einem dicken Ast angekommen bin, beschließe ich, mich dort erstmal niederzulassen. Ich halte mich gut fest und sitze recht bequem. Von hier oben habe ich einen guten Überblick. Mir fällt ein, dass ich ein Päckchen Kaugummi in der Hosentasche habe. Mein Lehrer sagt immer, dass Kaugummi beim Denken hilft. Also ziehe ich die Süßigkeit aus der Tasche und genehmige mir einen Streifen. Mmh, Kirschgeschmack, lecker.
Ich beobachte meine Gedanken. Wie ich das mache? Ich schließe die Augen und warte darauf, was mir als nächstes einfallen wird. Nichts passiert! Vielleicht hilft das Kauen ja doch nicht. Ich habe es immer gesagt: Manchmal erzählen Lehrer auch Blödsinn. Herr Müller hat uns mal prophezeit, dass es innerhalb der nächsten Stunde regnen würde. Er spüre das in seinem Bein, das vor langer Zeit mal gebrochen war. Ihr ahnt es schon: es regnete nicht. In der nächsten Stunde nicht und in den folgenden auch nicht, eigentlich den ganzen Tag nicht. Es war also Blödsinn.
Ob Herr Müller mich vermissen würde, wenn ich mit den Wolken auf und davon flöge? Bestimmt, denn dann hätte er niemanden mehr, dem er die Schuld für all die Streiche geben könnte, mit denen ich absolut nichts zu tun hatte. Oder vielleicht nur ein ganz kleines Bisschen. Ist ja auch egal. Wenn ich weg bin, dann wird er sich vielleicht Gedanken machen.
Oder Mama? Zu gern wüsste ich, ob sie weinen würde. Mama weint nämlich nie, außer wenn sie Zwiebeln schneidet, dann aber heftig. Klar, sie wäre traurig. Aber da ist ja noch Jonas, mein kleiner Bruder. Der ist sowieso ihr Liebling. Der ist noch klein und macht keinen Quatsch. Jedenfalls noch nicht. „Jakob, du bist doch schon groß!“, sagt sie immer, die Mama. Stimmt, das bin ich. Aber so groß nun auch wieder nicht. Wie gern würde ich wieder einmal in Mamas Bett schlafen. Leider ist der Platz besetzt – dort liegt Jonas.
Kommen wir zu Papa. Dem würde ich fehlen, denn er hätte keine Hilfe mehr beim Rasen schneiden. Vielleicht bin ich ungerecht, denn den neuen Rasenmähertraktor hat er sicher nicht nur eigennützig angeschafft. Er wusste, wie sehr ich das Fahren mit dem Traktor mag. Natürlich habe ich mich gefreut wie Bolle, als er damit angefahren kam. Ansonsten hat Papa nur selten Zeit für mich. Immer gibt es Dinge, die wichtiger sind als ich.
Die Wolken fallen mir wieder ein. Ich sehe sie nicht durch das Blätterdach des Baumes. War wohl doch keine gute Idee, den Apfelbaum als Bahnhof zu benutzen. Sicher waren die Wolken längst weitergezogen – ohne mich.
Ich bin traurig, aber irgendwie auch erleichtert. Es ist nicht fair, sich einfach so aus dem Staub zu machen. Ich habe sie doch alle lieb, Mama, Papa, Jakob und Herrn Müller, aber den nur ein kleines Bisschen.
Mein Bauer, der Josef, hat mir versprochen, mich am Sonntag mit zum Bauernmarkt zu nehmen. Da sind wir früher auch immer gewesen. In den letzten zwei Jahren allerdings hat er mich nicht mitgenommen, sondern den dicken Grünen.
Ich verstehe das nicht, habe ich denn als Ältester keine Vorrechte, so wie der Großvater auf dem Bauernhof? Der darf doch auch alles machen, was ihm Spaß macht. Na ja, fast alles!
Geduld ist nicht meine Stärke, ich kann es nicht erwarten, bis endlich Sonntag sein wird. Dabei sollte ich in meinem Alter doch gelernt haben, dass nicht alles von jetzt auf gleich geht. Gelassenheit, die würde ich mir wünschen. Aber im Motorherzen bin ich immer noch Kind geblieben und das will ich auch gar nicht anders haben.
„Na, mein Kleiner, freust du dich?“, fragt der Josef und tritt mit Schwung an einen der dicken Hinterreifen.
„Aua, das tut doch weh!“, rufe ich.
„Wollen wir doch mal testen, ob du genug Luft hast für eine Spazierfahrt!“, sagt er noch und schon ist er auf die andere Seite gelaufen und tritt nochmal zu.
„Aua!“, kreische ich, aber das stört den Josef nicht die Bohne. Nie hören sie einem zu, meinen immer, dass sie alles besser wissen. Er hätte mich ja nur fragen müssen, ich weiß genau, wie es um meine Luft bestellt ist.
„Alles in Ordnung!“, bemerkt Josef. Habe ich ja gesagt, alles ist okay mit mir. Bis auf den Staub, den müsste mal einer abputzen, am liebsten wäre es mir, wenn der kleine Lukas das machte, denn der ist immer so vorsichtig, weil er mich doch liebt. Das hat er mir jedenfalls gesagt und darauf bin ich besonders stolz. Wenn seine kleinen Hände mich putzen, dann ist das ein so angenehmes Gefühl, dass ich am liebsten wie eine Katze schnurren würde. Aber ich will Lukas nicht erschrecken.
Und tatsächlich, am Samstag kommt mein kleiner Freund. Er hat eine Arbeitshose an und die Gummistiefel und schon geht die Schönheitspflege los. Jetzt verstehe ich auch, warum Josefs Frau immer so gern zum Friseur geht. Ich werde abgespült und eingeschäumt und dann wieder abgespült und dann trocken gerieben. Heiliger Auspuff, ist das gut! Jeden Tag könnte ich das genießen. Aber morgen geht es ja nun erst einmal auf den Bauernmarkt, mit Josef und Lukas. Die Frauen und Großvater kommen mit dem Auto nach.
Am nächsten Tag versammeln sich alle in der Scheune. Ich bekomme noch ein schönes Schild, auf dem steht wie ich heiße, wann ich geboren bin und wie lange ich schon bei Josef lebe. Dann steigt Josef auf, Lukas lässt sich auf den Kindersitz plumpsen und schon geht es los. Mit lautem Getöse und voller Übermut hupend erreichen wir das Gelände, auf dem der Markt stattfindet.
Wohlwollend betrachten mich die Menschen. Ich werde gestreichelt und gelobt. Ist das schön! Das ist wie pflügen, säen und ernten am gleichen Tag, einfach nur traktorisch genial.
Eine anmutige junge Dame interessiert sich besonders für mich. Sie ist Lukas‘ Freundin aus dem Kindergarten und möchte gern mal eine Runde mitfahren.
Dagegen habe ich nichts einzuwenden, schließlich fährt man nicht jeden Tag eine solche Schönheit durch die Gegend. Sie hat ein bisschen Angst, aber Lukas nimmt ihre Hand und hilft ihr beim Hochklettern.
„Ich pass schon auf sie auf“, flüstert er mir zu und dann fährt der Josef mit seiner kostbaren Fracht los, eine ganze Rund ums Gelände.
Ein schöner Tag war das, denke ich, als ich am Abend wieder in meiner Scheune stehe.
„Lasst mich nicht so lange warten, bis ich wieder gebraucht werde!“, bitte ich leise und dann schlafe ich ein, so erschöpft bin ich.
Die Geschichte erzählt von einer Begegnung eines Eichhörnchens auf Futtersuche mit Menschen. In diesem Fall eine gute Erfahrung für beide Seiten.
Willi, das Eichhörnchen
Seit einigen Tagen tobte ein heftiger Ostwind im Wald. Die Waldbewohner wagten sich nicht aus ihren Unterschlüpfen. Kalt war es geworden und alle hatten Hunger. Das Eichhörnchen Willi hatte besonders großen Hunger, doch wie sollte es an Nahrung kommen? Immer wieder steckte es sein Näschen in den Wind und zog sich dann doch wieder in sein gemütliches Kugelnest zurück. Es rollte sich zusammen und regte sich nicht, doch an Schlaf war nicht zu denken, so sehr pfiff der Wind durch die Fichten.
„Wenn das noch ein paar Tage so weiter geht“, dachte Willi bei sich, „dann werde ich jämmerlich verhungern. Hätte ich doch nur von meinem Wintervorrat etwas mit ins Nest genommen.“
Einsam war er, hungrig und traurig.
Erst am nächsten Tag drehte der Wind, es wurde ein paar Grad wärmer und das tat so gut. Willi verließ das Nest, machte ein paar Dehnübungen und turnte dann flink durch den Wald, zur großen Kiefer, unter der er einen Teil seines Schatzes von Samen und Nüssen vergraben hatte. Doch als er dort ankam, sah er das Malheur, die Kiefer war vom Sturm entwurzelt worden und lag nun auf dem Boden. Willi konnte nicht an seine Vorräte, dabei fühlte er sich vor Hunger schon ganz schwach. Glücklicherweise fand er einen Kieferzapfen, den er mit seinen scharfen Zähnen bearbeitete und dessen Samen er genüsslich verspeiste, aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein, er brauchte viele Kiefernzapfen oder Bucheckern, vielleicht sogar Nüsse. Er musste sich also wieder auf den Weg machen, um sein nächstes Versteck zu suchen. Plötzlich hörte er Stimmen und Gelächter, flink kletterte auf die Spitze des nächstgelegenen Baumes und verharrte dort. Seine klugen braunen Augen spähten umher und dann sah er sie kommen.Das mussten Menschen sein. Willi hatte schon von ihnen gehört, aber gesehen hatte er noch keinen.
„Die sind gefährlich“, dachte Willi und zitterte vor Angst. „Wenn sie mich packen, dann ist alles aus!“ Doch die Menschen würden keinem Eichhörnchen etwas zuleide tun, es war der Förster mit seinen beiden Söhnen. Sie wollten nach Schäden schauen, die demnächst dann beseitigt werden mussten.
„Wie schade, schaut her, die alte Kiefer ist auch entwurzelt“, sagte der Förster. Sie hatten schon einige Schäden gesehen, das würde eine Menge Arbeit geben. Willi verhielt sich mucksmäuschenstill. Er hatte Angst, dass man ihn entdeckte und als sein kleiner Magen knurrte, erschrak er, weil er dachte, dass die Menschen es gehört haben könnten. Doch die unterhielten sich weiter und als der kleinere der Söhne eine Brotdose aus dem Rucksack holte und den anderen beiden ein Butterbrot anbot, da lief Willi das Wasser im Mund zusammen. Wenn doch nur dieser blöde Hunger nicht wäre. Vorsichtig schraubte sich Willi am Stamme des Baumes hinunter, um näher bei dem Butterbrot zu sein, das so verlockend aussah.
„Schau, Papa, ein Eichhörnchen, wie niedlich!“
Die drei entdeckten Willi und der blieb einfach sitzen und schaute die Menschen an. So grässlich sahen die gar nicht aus und sie machten auch keine Anstalten, ihn zu fangen.
„Dürfen wir es füttern?“, fragte der kleine Junge. Der Vater hatte nichts dagegen.
„Werft ihm ein paar von euren Erdnüssen hin, die werden ihm schmecken“, schlug er vor.
Willi konnte sein Glück kaum fassen. Schnell holte er sich eine Nuss, flitzte wieder zurück auf den Baum und öffnete die Schale blitzschnell. Zwei dicke Nüsse fand er darin und da unten unter dem Baum, da lagen noch viele davon. Die würde er nachher in seinen Kogel bringen, damit er nicht wieder Angst haben musste vor Hunger zu sterben.
Vielleicht kamen die Menschen ja auch noch einmal zurück und brachten ihm wieder etwas mit. Und wenn nicht? Dann würde er sie suchen!