Wer macht das Wetter

Wer macht das Wetter?

Der kühle Wind vertrieb den Spätsommer von der Bühne. Er fegte durch den Himmel, trieb die Schönwetterwölkchen und erste gelbe Birkenblätter vor sich her und zerrte an den Baumkronen. Mit lautem „Plopp“ fielen die Kastanien und Eicheln aufs Pflaster. Sollte es das etwa gewesen sein? Gab sich der Sommer so schnell geschlagen?
„Bitte nicht! Wind, du kannst dich zur Ruhe begeben, wir sind noch nicht bereit für deine Kühle! Und du, Sommer, bleib hier!“
Laut hallten die Rufe der Frau durch den Tag und die Häuser gaben ihre Worte im Gesang des Halls zurück. Sie stand mitten auf dem Marktplatz und war mit ihrer Bitte an Wind und Sommer nur schwer zu überhören.
Die Leute blieben stehen und lauschten. Einige nickten zustimmend mit den Köpfen, andere ereiferten sich laut: „Endlich ist es nicht mehr so heiß, die Verrückte soll doch still sein! Wir sind froh, dass der Herbst endlich kommt!“, riefen sie.
Die Frau aber wurde nicht müde, den Sommer zu beschwören zu bleiben.
„Das sind doch alles Worte!“, rief sie den Leuten entgegen. „Heute ist euch die Hitze zu heiß, morgen die Kälte zu kalt. Der Herbst wird euch bald zu ungestüm und unberechenbar und dunkel sein, vom Winter ganz zu schweigen. Da nämlich werdet ihr am Fenster stehen, in den Himmel sehen und euch nach dem Sommer sehnen. Ja, genauso wird das sein, ich sage es euch voraus!“
„Der das Wetter gemacht hat, hat sich etwas dabei gedacht!“, sagte ein Mann. „Wir brauchen nämlich alle Jahreszeiten und wenn wir noch so sehr jammern, so wird sich nichts ändern. Leider, leider haben wir Menschen aber schon eingegriffen in die natürlichen Abläufe und das ist nicht gut!“
„So ein Blödsinn!“, rief ein anderer Mann. „Niemand hat eingegriffen. Wir können gar nicht eingreifen, Sie sagten es doch selbst!“
„Wer hat es denn gemacht, das Wetter?“, fragte eine Frau, die ein kleines Mädchen an der Hand hatte.
„Mama, weißt du das denn nicht?“, fragte die Kleine verwundert.
Die Mutter schüttelte den Kopf und sah ihr Kind mit einem liebevollen Blick an.
„Nicht wirklich, nein, wenn ich ehrlich bin, so weiß ich das nicht so genau. Aber ich rate mal. Es … es ist die gute Wetterfee. Stimmt`s?“
Das Kind lächelte.
„Das könnte sein!“, sagte es. „Aber es könnte auch sein, dass das Wetter von Gott kommt, oder?“
„Ja, das könnte auch sein. Vielleicht waren es beide, Gott und die Wetterfee, denn Gott kann auch nicht alles allein schaffen. Er braucht Hilfe, oder?“
Die Mutter schwieg. Es fiel ihr schwer, diese Frage zu beantworten. Zu viel passierte überall auf der Welt gerade mit der Natur und dem Wetter. Zu viel, was Sorgen bereitete und ängstigte und was weder Gott noch alle Wetterfeen des Universums wieder würden richten können, wenn nicht bald Vernunft und Einsicht in die Köpfe der Menschen zurückkehrten.

© Regina Meier zu Verl

Der Igel sucht einen Freund

Der Igel sucht einen Freund
Eine Freundschaftsgeschiche

„Immer bin ich hier allein“, jammerte der Igel. „Ich habe zwar alles, was sich ein Igel wünschen kann, aber ich hätte so gern einen Freund!“
Aha, er war also einsam, der kleine Igel und das kann man ja auch verstehen. Jeder braucht einen Freund, einen, an den man sich anlehnen kann, der einem zuhört, der da ist, wenn es einem schlecht geht. Aber auch dann, wenn es einem gut geht braucht man einen Freund, einen, mit dem man eben alles teilen kann, Freud und Leid.
Unser kleiner Igel hatte sich nun so in seinen Kummer hineingesteigert, dass ihm die Tränen kamen. So richtig dicke Igeltränen waren es und weil er immer trauriger wurde, unterstrich er die Tränen mit einem herzerbarmenden Geheul.
Habt ihr schon einmal einen Igel heulen hören? Nein? Es klingt wie das jämmerliche Schreien eines Kindes und geht einem durch Mark und Bein, ganz ehrlich.
Allerdings hilft es unserem Igel gar nicht, wenn er einfach nur laut heult. Aktiv muss er werden und vielleicht mal einen Blick über den Tellerrand, besser gesagt Gartenzaun, wagen. Denn, dass er im Garten allein ist, das weiß er ja schon.
Also los, kleiner Igel, mach dich auf die Socken und suche dir einen Freund oder eine Freundin, noch ist Zeit, denn schon bald musst du dich nur noch um ein gutes Fettpolster kümmern, damit du den Winterschlaf gut überstehen kannst.
Bedenke aber, dass du deine Regenwürmer, Insekten und sonstige Leckerchen teilen musst, wenn du einen Freund hast. Das macht man so unter Freunden!
„Aber wo soll ich nur hingehen?“, fragte sich der Igel. „Ob ich mal in den Wald spaziere? Das Rotkehlchen hat neulich so ein Loblied auf den Wald gesungen. Vielleicht finde ich da einen Freund, ist doch egal, ob es ein Igel ist, oder ein anderes Tier. Mir ist alles recht, solange ich nicht allein sein muss. Dafür teile ich meine Würmer und alle anderen Leckerchen gern, ganz ehrlich!“, sagte er.
„Na, so richtig kuschelig bist du ja nicht!“, kicherte das Eichhörnchen, das gerade wieder ein paar Nüsschen im Garten vergraben hatte. „Ich kann mir etwas Schöneres vorstellen, als mit dir zu kuscheln!“, rief es noch und sprang davon.
„Dafür bist du aber … ach, da fällt mir gar nichts ein, wie man dich bezeichnen könnte, du, du …!“, rief der Igel wütend und schon wieder kamen ihm die Tränen.
Entschlossen schluckte er sie aber herunter und lief los. Er krabbelte unterm Gartenzaun durch und gelangte auf eine riesige Wiese, auf der die Kuh Berta und ihr Kalb in aller Seelenruhe grasten.
„Hallo!“, sagte der Igel zur Begrüßung. Berta kaute weiter, sie hob erst den Kopf, als sie bemerkte, dass ihr Kalb sich für den stachligen Gesellen interessierte.
„Komm da weg!“, befahl sie dem Kleinen und kaute weiter.
„Entschuldigung, ich wollte nicht stören“, versuchte der Igel die Unterhaltung nochmals aufzunehmen.
„Tust du aber, verschwinde!“, sagte Berta und drehte dem Igel ihren dicken Hintern zu. Sie hob den Schwanz und wäre der kleine Igel nicht schnell weitergelaufen, hätte es wohl ein Unglück gegeben. Völlig außer Atem kam er am Waldrand an und musste erst einmal eine Weile verschnaufen, so schnell war er gerannt.
„Du sitzt im Weg“, wisperte ein feines Stimmchen. Der Igel schaute sich um, sah aber niemanden.
„Ich bin hier unten, bist du blind?“, fragte die Stimme unfreundlich.
„Igel sehen sehr schlecht!“, verteidigte sich der Igel. „Wer bist du denn überhaupt?“
„Ich bin Lotti Ameise und meine Schwestern werden gleich hier eintreffen, wir haben Stöckchen für unseren Ameisenbau gesammelt und müssen hier durch, also troll dich!“, befahl sie.
Der Igel erhob sich und ging ein Stückchen zur Seite. Er kniff die Augen ein wenig zusammen, um besser sehen zu können und tatsächlich, da sah er die Ameisenkolonne, die schwer beladen ihres Wegs zog und Lotti rief, so laut sie konnte: Eins, zwei drei, kommt hier vorbei und eins, zwei drei, kommt hier vorbei!“
Der Igel schüttelte den Kopf. So etwas hatte er noch nie gesehen, aber auch, wenn er sich ein bisschen über Lottis Unfreundlichkeit ärgerte, bewunderte er insgeheim die fleißigen Ameisen.
Er war schon ein wenig hungrig geworden und fühlte sich, als sei er schon stundenlang unterwegs, trotzdem trieb er sich an. „Weiter, alter Junge! Wird schon werden!“
Eine Weile lang traf er auf kein anderes Tier, außer auf eine dicke grüne Raupe, die ihm gerade recht kam. Er hatte nämlich Hunger und freute sich über diesen Leckerbissen.
„Na du!“, sagte die kleine Raupe. Sie hatte eine so niedliche Stimme, dass es der Igel nicht über sich brachte, sie einfach so zu verspeisen. Er konnte sich genauso gut eine Weile mit ihr unterhalten. Was später war, würde man dann sehen.
„Na du!“, antwortete er deshalb recht freundlich. „Wie geht es dir?“
„Ach“, antwortete die Raupe, „ich bin so traurig, meine Freundinnen sind alle schon verpuppt, nur ich bin noch da und finde keinen guten Platz, um es ihnen gleich zu tun. Schätze ich muss als Raupe überwintern!“, sagte die Kleine.
„Das tut mir leid!“ Der Igel hatte Mitgefühl mir der Raupe und brachte es nicht übers Herz, sie zu verspeisen. „Ich muss mir auch bald einen Platz zum Überwintern suchen! Wollen wir uns nicht zusammentun?“, schlug er vor.
„Gern!“, sagte die kleine Raupe. „Dann sind wir beide nicht allein, das stelle ich mir schön vor!“ Sie lächelte den Igel an, wurde aber sogleich wieder traurig.
„Aber, wie soll das gehen? Ich kann nicht so schnell laufen wie du, ich würde dich nur behindern!“
Der Igel schüttelte schnell den Kopf. Er wollte auf keinen Fall, dass die gerade gewachsene schöne Idee wie eine Seifenblase zerplatzte.
„Ich nehme dich einfach mit, du bist klein und zart und wiegst fast nichts. Krabble auf meinen Rücken, das hast du eine gute Aussicht. Du kannst mir sagen, wohin ich gehen soll. Ich sehe nämlich nicht so gut, weißt du!“, ereiferte sich der Igel.
„Aber, aber du hast Stacheln, du würdest mich verletzen!“, sagte die kleine Raupe traurig.
„Nein, das werde ich nicht. Meine Stacheln benutze ich nur, wenn ich bedroht werde, aber schau hier“, der Igel richtete sich ein wenig auf, so dass die Raupe seine Unterseite sehen konnte. „Hier unten und im Gesicht habe ich gar keine Stacheln, du könnte hier einen schönen warmen Platz für dich finden!“
Die Raupe schaute genau hin und nickte dann. „Okay, wir versuchen es.“
Vorsichtig kroch sie am Igelbein hoch und an der Seite lang bis hinter sein linkes Ohr. Dort saß sie sicher und hatte einen guten Ausblick.
Der Igel schlug vor, dass sie gemeinsam in „seinen“ Garten zurückkehren könnten, da es dort wunderbare Verstecke gab und auch genügend Nahrung für das Winterpolster, das er sich noch anfressen musste. Raupen würde er nicht mehr fressen, denn er hatte ja nun eine Freundin und Freunde hat man lieb. Ist doch so, oder?

Was aus unseren beiden geworden ist möchtet ihr wissen? Da unser Igel mit Katzenfutter gefüttert wurde, das die Gartenbesitzer ihm hinstellten, wurde er dick und rund. Die Raupe fraß nichts mehr, im Frühjahr würde sie sich auch verpuppen und irgendwann ein wunderschöner Schmetterling sein. Schon bald konnten sich die beiden einen Platz aussuchen, an dem sie gemeinsam überwintern konnten. Sie redeten und redeten, erzählten sich lange Geschichten, lachten und weinten miteinander und irgendwann schliefen sie eng aneinander gekuschelt ein. Schön, oder?

© Regina Meier zu Verl

Hier lese ich euch die Geschichte vor:

Zeichnung Regina Meier zu Verl

Versteckspiel

Nachdem ich noch eine Tüte mit Tulpenzwiebeln gefunden habe, die es nicht in die Erde geschafft haben im letzten Herbst, fiel mir dieses Gedicht wieder ein. Die Zwiebeln stecke ich aber trotzdem noch in die Erde, kommen sie halt etwas später raus als die anderen, die ich versteckt habe.

Niemand soll entdecken
was sich im Garten tut,
Oma* spielt Verstecken,
das macht sie richtig gut.
Mit ihrem kleinen Spaten
gräbt Oma Loch an Loch,
gar überall im Garten
und etwas weiter noch.
Legt dann in jedes Loch
eine Blumenzwiebel ein.
Den Sinn versteht ihr doch?
Bunt soll’s im Frühling sein!

© Regina Meier zu Verl
* Das bin ich 🙂

Das Birkenblatt

Ein goldgelbes Birkenblatt segelt durch die Lüfte.

Hui ruft es, schön ist das und diese tollen Düfte!

Kommt ihr Blätter, folgt mir nach, Kinder, das macht Spaß,

Wind, du darfst ruhig kräftig pusten, ach ich liebe das!

Ja, es dauert gar nicht lange, da ist die Birke leer,

schon nach ein paar Tagen trägt sie kein Blättchen mehr.

Traurig hängen ihre Zweige, wiegen sich im Wind,

Tränen kullern auf die Erde für jedes Blätterkind.

Die Blätterkinder aber legen auf die Erde ihre Decken

und manches Gartentier mag drunter sich verstecken,

das Igelchen, das kuschelt sich in die Blätterbetten,

dort träumt es wunderbare Träume – wetten?

© Regina Meier zu Verl

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Vom kleinen Trecker, der so gern gebraucht werden wollte (7)

Immer rundum die Apfelbäume (7)

Die Zeit der Feldernte ist so gut wie vorbei. Die meisten Äcker sind frisch gepflügt und teilweise auch schon eingesät. Ab und zu fährt der dicke Grüne noch mit seinem Spritzwerk über die Felder und düngt die Saat. Ganz ehrlich: ich bin nicht so richtig traurig darüber, dass er das machen musst. Ich bin eben schon alt und muss mich auch mal ausruhen. Das darf man, wenn man älter ist. Es heißt ja gar nicht, dass man nicht mehr gebraucht wird, keinesfalls. Die Aufgaben verändern sich. Ihr habt das schon in meiner letzten Geschichte erfahren, als die Katze Violetta acht kleinen Herbstkätzchen das Leben geschenkt hat. Das war aufregend und schön, ja, ja.

Mittlerweile sind Mutter und Kinder ausgezogen. Sie besuchen mich aber täglich und darüber freue ich mich sehr. Auch Lukas schaut regelmäßig nach mir. Er ist nun schon ein großer Junge und hat sicherlich sehr viele andere Dinge im Kopf als mich, seinen alten Freund. Umso mehr freue ich mich eben, wenn er mal wieder reinschaut.

„Na, kleiner Trecker, alles im Lot bei dir?“, fragt er mich und insgeheim muss ich doch grinsen. Diese jungen Leute! Ob die wohl wissen, was genau das bedeutet? Natürlich weiß ich, was er meint, er will nämlich wissen, ob bei mir alles in Ordnung ist. Könnte man auch gleich sagen, oder?

Bei mir ist alles bestens! Ein Lot ist übrigens ein Gewicht, das an einer Schnur befestigt ist. Auf dem Bau hat man so ein Lot benötigt, um festzustellen, ob alles in einer schönen senkrechten Linie ausgerichtet ist. Dafür klettert man nach oben, hält die Schnur gut fest und lässt das Gewicht nach unten fallen. Beim Einbau von Fenstern und Türen ist das wichtig. Aber das interessiert euch vielleicht gar nicht. Ich wollte von Lukas erzählen. Der ist diesmal nämlich nicht allein da. Er bringt seinen kleinen Freund Henning mit.

Lukas fährt mittlerweile schon selbst Trecker. Das darf er auch, aber nicht auf der Straße, dafür benötigt man einen Trecker-Führerschein. Aber auf der Wiese kann er allein herumdüsen und das macht er auch ganz gut und vor allem nicht zu übermütig. Henning ist noch klein, aber groß genug, um auf dem Kindersitz Platz zu nehmen. Ich glaube, dass er ein bisschen aufgeregt ist und deshalb zeige ich mich von meiner besten Seite. Ich springe sofort an und mucke auch gar nicht herum, als Lukas ein wenig zu viel Gas gibt. Ich will unseren Gast nicht erschrecken, deshalb spare ich mir auch das Hupen. Ihr wisst ja, dass ich das vor lauter Freude ab und zu einfach mal so mache, ohne, dass jemand die Hupe gedrückt hat.

Wir drei, also Lukas, Henning und ich fahren vom Hof aus auf die Apfelwiese. Gut, dass der Bauer Josef die Äpfel am Morgen schon aus dem Gras gesammelt hat, denn sonst wären sie unter meinen dicken Reifen gleich zu Apfelmus geworden. Nicht auszudenken, wie viele Wespen dann gekommen wären, vom süßen Duft angelockt. Mir macht das nichts aus, aber wenn sie die Menschenkinder stechen, dann ist das Geschrei groß, es muss wohl heftig weh tun. Margret hat die Falläpfel schon zu Apfelmus verarbeitet, deshalb gibt es wohl heute Abend Kartoffelpuffer mit Apfelbrei. Lukas mag das und sicher mag das sein Freund auch.

Wir haben Glück, die Wespen sind anderweitig beschäftigt und wir können in aller Ruhe Slalom um die Apfelbäume fahren und das macht so großen Spaß, dass die Kinder vor Freude juchzen. Ja, ja, sogar der große Lukas, der mittlerweile zwölf Jahr alt ist, hat Spaß wie früher, als er selbst noch bei Opa Josef mitfuhr.

Später fährt mich Lukas in die Scheune zurück, dort werden Violettas Kinder herzlich begrüßt und geknuddelt. „Ach, sind die süß!“, findet auch Henning und Violetta ist mächtig stolz auf ihre Kinder und ich auch, denn schließlich bin ich bei ihrer Geburt dabei gewesen, also fast so vertraut wie ein Vater, wo auch immer der sein wird. Gesehen habe ich ihn jedenfalls bei uns noch nicht. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.

© Regina Meier zu Verl

Der Igel im Laubbett

Der Igel im Laubbett

Die Katze Minka hatte einen Freund gefunden. Es war der kleine Igel, der den Herbst im Garten der Familie Schulz verbracht hatte. Die beiden verstanden sich wunderbar, tranken ihre Milch gemeinsam aus einem Schälchen, teilten sich die Nahrung, die ihnen von Frau Schulz hingestellt wurde und waren ein Herz und eine Seele.
Als es kälter und immer kälter wurde, suchte der Igel einen Platz, an dem er ungestört seinen Winterschlaf verbringen konnte. Minka war traurig.
„Mit wem soll ich denn spielen, wenn du schläfst?“, fragte sie.
„Ich lass dich ja auch nicht gern allein“, antwortete der Igel, „aber ich muss schlafen, damit ich den Winter überstehe. Du hast es gut, du kannst in den Pferdestall, da hast du es schön warm
Eines Tages kam Herr Schulz mit dem großen Traktor angefahren. Er fuhr direkt auf den Laubhaufen zu, senkte die Treckerschaufel ab und lud das Laub mitsamt dem Igel auf. Dann rief ihn seine Frau zum Kaffee trinken ins Haus. Er ließ den Traktor stehen und eilte in die warme Stube.
Minka, die das alles ängstlich beobachtet hatte, kletterte schnell an der Schaufel hinauf und setzte sich dann auf das Laub.
„Hier werde ich bleiben und meinen Freund beschützen“, dachte sie sich und als Bauer Schulz nach einer Stunde aus dem Haus kam, saß sie noch immer dort und miaute klagend.
„Na, was machst du denn dort oben? Komm sofort herunter!“, befahl Herr Schulz. Doch Minka rührte sich nicht vom Fleck.
Dem Bauern blieb nichts anderes übrig, als die Schaufel langsam wieder abzusetzen, damit die Katze sich nicht verletzte. Vorsichtig kippte er die Schaufel kurz vor dem Boden und Minka, das Laub und der schlafende Igel landeten wieder unversehrt auf der Erde.
„Ach sieh da, eine Igelchen!“, staunte Bauer Schulz. „Du willst ihn beschützen, kleine Minka. Das ist gut. Wir wollen ihm seine Ruhe gönnen.“
So kam es, dass der kleine Igel in seinem Laubbett weiterschlafen konnte. Ja, der Bauer hatte ihn sogar in einen mit Laub gefüllten Karton gelegt und dann einen riesigen Laubhaufen darüber und rundherum gemacht.
Nun wartet Minka auf den Frühling. Jeden Tag besucht sie ihren Freund, der noch lange schlafen wird, bevor die beiden sich wiedersehen.

© Regina Meier zu Verl

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Novembergedanken

Novembergedanken

Dein grauer Mantel wärmt mich nicht, November. Doch hüllt er mich ein, schmeichelt mir und lässt meine Linien weicher erscheinen. Ich habe das bunte Herbstgewand neben das zitronengelbe Sommerkleid gehängt. Das Grau schmücke ich mit farbenfrohen Tüchern, so wie ich meine Fenster mit Kerzenlicht erhelle.
Die Gedanken an das keimende Leben in der Natur verscheuchen die Tristesse, die wieder mal Gast in mir sein will. Ich habe gelernt damit umzugehen und habe mir ein Lächeln ins Gesicht gemalt, versuche es zu halten und siehe da, wie gespiegelt lächeln die Menschen zurück. Wo noch eben Missmut spürbar war, zaubert das Lächeln ein Licht um sie und strahlt immer heller. Freundliche Gesichter, warme Worte, ein Miteinander wie ich es mir wünsche. Es ist so leicht, warum machen wir es uns immer so schwer?
Mein Herz tut sich auf und erkennt die Schönheit der Nebelschleier, gnädig verhüllen sie die Welt, geben ihr etwas Geheimnisvolles. Im Abendlicht funkeln Tropfen wie Glasperlen an feinen Spinnfäden. Ich suche nach Elfen und Waldgeistern in dieser zauberhaften Natur und manchmal habe ich Glück und entdecke ein Waldwesen in einer Baumrinde oder einer vergessenen Blüte. Ich umarme die Bäume, spüre ich Kraft und wünsche mir, dass ich wie sie den Lebensstürmen trotzen kann. Und plötzlich weiß ich: Ich kann! Ich muss es nur wollen und ich will. Dankbar bin ich und demütig. Ich bin eins mit der Natur, sie nimmt mich auf und das wird sie auch tun, wenn meine Erdenzeit zu Ende sein wird. Der Kreislauf des Lebens, es ist die Zeit, in der wir der Verstorbenen gedenken und ihre Gräber schmücken mit Farbe und Licht. Wir tragen sie in uns und sie stehen uns zur Seite, immer, nicht nur im November.
Vorfreude erwacht, kindliches Staunen, das mit großen Augen auf die Lichter schaut, die nach und nach die Fenster erleuchten. Schon erahne ich die ersten Schneekristalle, die auf meiner Nasenspitze schmelzen und mit der Zunge fahre ich über die Lippen, um den Winter zu schmecken. Willkommen, November, ich mag dich und deine Eigenheiten. Dein Geruch ist ausgeprägt in meiner Erinnerung, wie liebe ich den Duft des Laubes. Das Rascheln unter meinen Füßen singt mir ein Lied und ganz leise klingen schon die Glocken des Advents mit.

© Regina Meier zu Verl


Novemberlicht, Foto © Regina Meier zu Verl

Der Streit zwischen Nebel und Herbstwind

Der Streit zwischen Nebel und Herbstwind

„So langsam aber sicher wird es mir zu bunt mit dir!“, schimpfte der Nebel mit dem Herbstwind. „Weh woanders und lass mich in Ruhe nebeln!“, fügte er noch hinzu, blies seine Backen auf und legte neue Nebelschwaden über die Wiese.
„Ich wehe genau da, wo ich will!“, antwortete der Herbstwind mit dröhnender Stimme. „Und wenn du nicht gleich still bist, du undurchsichtiger Geselle, dann rufe ich meinen Bruder, den Herbststurm zur Hilfe!“
„Ja, ja, drohen kannst du, aber das ist auch schon alles! Zieh dich zurück, ich zähle bis drei!“
Der Herbstwind lachte laut auf. Dieser Nebel war wohl verrückt geworden. Er ließ sich von dem doch nichts vorschreiben. Wer war der denn, dass er sich so aufspielen konnte. Ungeheuerlich!
Der kleine Lio stand am Fenster seines Zimmers und schaute traurig nach draußen. Der Nebel lag wie eine dicke Decke über den Blumenbeeten, so dass man die hübschen Dahlien nicht einmal mehr sehen konnte und ums Haus pfiff der Herbstwind. Wie ungemütlich war das, wo er doch gern draußen gespielt hätte. Eine dicke Träne rollte über seine Wange und tropfte auf die Fensterbank. Der Wind, der gerade am Fenster vorbeisauste, hatte es aber gesehen.
„Siehst du, was du angerichtet hast!“, schimpfte der Wind und pustete kräftig über den Boden, so dass der Nebel sich hob und die Sicht auf das Dahlienbeet freigab. „Das Kind weint und das ist nur deine Schuld!“, keifte er.
„Quatsch, mich mag das Kind. Es hat Angst vor dir! Ja, so ist das nämlich!“, der Nebel war außer sich vor Ärger. Langsam aber löste er sich auf und konnte nichts dagegen machen. Die Sonne hatte nämlich den Streit der beiden belauscht und schickte nun einzelne Strahlen durch die Wolken, zuerst nur wenige, dann immer mehr und mehr.
„Du kannst bleiben!“, flüsterte sie dem Herbstwind zu. „Das Kind hat einen Drachen gebastelt und gleich ist die richtige Zeit, um ihn steigen zu lassen, meinst du nicht auch?“
„Aber selbstverständlich!“, frohlockte der Herbstwind.
Und so kam es dann auch. Lios Papa hatte aus seinem Bürofenster ebenfalls die Sonne gesehen. Er streckte seine Arme und sprang dann auf, um seinen Sohn zu holen.
„Komm, Lio, wir lassen den Drachen steigen!“, rief er und Lio war sofort Feuer und Flamme. Vergessen war der Kummer und es machte so Spaß, dem bunten Drachen hinterher zu schauen. Hui, wie der durch die Luft sauste, der Herbstwind tat, was er konnte, hob ihn in die Luft und sauste mit ihm durch die Wolken. Herrlich!
Als Lio später unter seiner Kuscheldecke auf Papas Schoß saß und einen leckeren Kakao trank, schwärmte er: „Der Herbstwind ist mein Freund, ne, Papa?“
Papa grinste, er erinnerte sich noch gut, wie gern er seinen Drachen dem Herbstwind ausgesetzt hatte. Ja, der Herbstwind war auch sein Freund, ganz gewiss!

© Regina Meier zu Verl

Hier kannst du die Geschichten anhören:

Der Oktober und der Klimawandel

See-Idylle
Der Oktober und der Klimawandel

„Oma, erzählst du mir noch eine Geschichte?“, fragte Djamila ihre Oma, als sie wieder einmal bei ihr übernachtete.
„Klar!“, sagte Oma. „Soll ich dir eine vorlesen, oder eine erfinden?“
„Erfinden!“, jubelte Djamila. „Deine Geschichten sind immer toll!“
Oma errötete ein bisschen. Was gab es Schöneres, als ein Kompliment des Enkelkindes? Nichts!
„Also gut, gib mir einen Moment, damit ich meine Gedanken sortieren kann. Dann kann es losgehen!“
Djamila kicherte. Sie stellte sich vor, wie Oma einen Gedanken nach dem anderen auf die Seite legte und sie somit sortierte. Natürlich kannte sie das schon, so wie sie auch schon viele Oma-Geschichten kannte. Also verhielt sie sich ganz still und ließ Oma nachdenken.
Oma drückte den Zeigefinder auf die Nasenspitze, das sah lustig aus, half ihr aber wohl beim Denken. Dann setzte sie an zu erzählen, dabei verstellte sie ihre Stimme. Djamila schloss die Augen.
„Also dann!“
Das Jahr 2018 unterhielt sich mit dem noch jungen Monat Oktober.
„Du bist mir wirklich der liebste Monat von allen!“, schmeichelte das Jahr und sah den Oktober verliebt an.
„Ach komm, das sagst du jedem. Der September hat es mir bei der Übergabe verraten!“, wehrte der Oktober ab. „Du willst ja nur, dass sich die Menschen später an dich erinnern und sagen: Weißt du noch, dieses Jahr war das Allerschönste!“
„Das ist nicht wahr!“, zeterte das Jahr. Es fühlte sich aber ertappt, denn die Monate würden allesamt wiederkommen, es selbst aber wäre unwiederbringlich vorbei mit dem letzten Glockenschlag am Silverstertag.
„Das ist aber doch wahr, außerdem liegt es gar nicht in meiner Macht, irgendetwas daran zu ändern, wie das Wetter wird und ob ich ein goldener Oktober werden kann. Das sind höhere Mächte, die da walten!“, versuchte der Oktober dem Jahr klarzumachen.
„Höhere Mächte? Und die wären?“, fragte das Jahr neugierig.
Der Oktober schwieg eine Weile, doch gerade in dem Moment, als sich eine dicke Wolke vor die Sonne schob, fiel ihm ein, dass er eigentlich gar nicht wusste, was genau da vor sich ging. Er hatte gemerkt, dass sich das Wetter im Laufe der Jahre geändert hatte und dass es plötzlich viel öfter Regen gab als sonst. Der September hatte ihm erzählt, dass der August sich beklagt habe über die große Hitze und Trockenheit in diesem Jahr. Da war etwas im Wandel – im Klimawandel. Ja genau, das war das Wort, dass auch der September benutzt hatte. Da war auf der einen Seite die Trockenheit und Hitze und auf der anderen die Wassermassen, die für Katastrophen sorgten.
„Gib zu, du weißt es auch nicht!“, zeterte das Jahr.
„Keiner weiß etwas Genaues, aber eines ist sicher. Man muss handeln! Sofort!“, sagte der Oktober nachdenklich. Er hatte in der Vergangenheit schon viel erlebt, aber so deutlich wie in diesem Jahr war ihm nicht bewusst geworden, dass es nun galt etwas zu tun.
Doch ebenso wenig, wie der Oktober für das Wetter sorgen konnte, stand es in seiner Macht, den Klimawandel aufzuhalten.
„Na, dann handele du mal, du Schlaumeier!“, versuchte das Jahr den Oktober zu ärgern. „Mir kann es egal sein, ich habe noch gut zwei Monate und dann verschwinde ich in die ewigen Jagdgründe!“
„Das ist nicht lustig!“, schimpfte der Oktober. „Du solltest dir auch Gedanken machen. Es kann ja nicht sein, dass es dich nicht interessiert, was nach dir kommt?

Djamila hat sehr interessiert zugehört. Vom Klimawandel hat sie auch schon etwas gehört, aber so richtig konnte sie sich nichts darunter vorstellen, deshalb fragt sie nach:
„Oma, ist es dir auch egal, was nach dir kommt?“
„Aber nein, meine Kleine. Das ist mir nicht egal, denn ich möchte doch für euch Kinder, dass ihr glücklich seid und in einer gesunden Welt leben könnt!“, sagte Oma.
„Ist die Welt denn krank?“, wollte Djamila wissen.
„Im gewissen Sinne schon, aber wir alle können etwas dagegen tun, dass sie noch kranker wird! Jeder kann was tun!“
„Aber Oma, ich weiß gar nicht, was ich tun soll!“, jammerte Djamila, die richtig traurig war und sich Sorgen um die arme Welt machte.
„Es ist ganz einfach“, begann Oma. „Wenn jeder an seinem Platz mithilft, dann wird es gelingen. Ich gebe dir ein Beispiel: Es fällt viel Wäsche in einem Haushalt an. Die Waschmaschine braucht viel Strom und Waschpulver. Wenn wir alle versuchen würden, möglichst wenig Strom zu vergeuden und weniger Waschpulver benutzen würden, dann würde das der Umwelt schon helfen!“
„Aber Oma, ich kann doch nicht in schmutzigen Sachen zur Schule gehen!“, warf Djamila ein und schüttelte missmutig den Kopf.
„Das sollst du ja auch nicht, aber du könntest dich nach der Schule umziehen und deine guten Sachen ordentlich gefaltet für den nächsten Tag bereitlegen.“ Oma grinste, denn das mit dem „ordentlich falten“ war gar nicht so einfach.
„Ja, aber dann brauche ich doch zweimal Sachen, für die Schule und zum Spielen!“, überlegte Djamila.
„Stimmt, aber die müssen ja nicht täglich gewaschen werden. Wenn du aus der Schule kommst, dann bist du meist noch ganz sauber, nach dem Essen aber schon nicht mehr und dann ziehst du dich um, wären schonmal zwei T-Shirts am Tag. Dann gehst du raus zum Spielen und machst nochmal eines schmutzig, vielleicht sogar die Hose. Das wären dann schon drei oder vier Teile am Tag. So kommt eins zum anderen! Verstehst du?“
Djamila nickte. „Aber die Unterwäsche, die kann ich nicht sparen!“, sagte sie.
„Das sollst du ja auch nicht, Unterwäsche wechselt man täglich, aber das sind so kleine Teile, die fallen nicht so ins Gewicht!“, meinte Oma.
„Ich glaube, ich verstehe. Wenn also jeder in unserer Familie das machen würde, dann hätten wir weniger Wäsche und verbrauchten weniger Strom und Waschmittel, richtig?“, sagte Djamila stolz.
„Genau, und dann müssten Mama und ich nur darauf achten, dass wir die Waschmaschine auch richtig auslasten, also nicht halbvoll laufen lassen, sondern immer nur, wenn sie wirklich voll ist!“, fügte Oma noch hinzu.
„Wir haben noch etwas vergessen – das Wasser!“, rief Djamila eifrig.
„Stimmt! Ein ganz wichtiger Punkt, wir müssen auch Wasser sparen, wenn wir unserer Umwelt helfen wollen!“ Oma freute sich, dass ihre Enkelin mitdachte.
„Es gibt aber noch viele andere Dinge, die wir tun können. Aber jetzt sollten wir erst einmal schlafen. Morgen ist ein neuer Tag und dann reden wir weiter, einverstanden?“, fragte Oma.
„Was ist denn nun mit dem Oktober und dem Jahr? Haben die beiden noch weitergeredet? Oder haben sie sich zerstritten?“, wollte Djamila noch wissen.
„Die waren auch müde, das Jahr war schon alt und brauchte etwas Erholung und der Oktober bestaunte den herrlichen Sonnenuntergang und begab sich dann auch zur Ruhe“, erzählte Oma.
„Und wir zwei reden morgen weiter über den Klimaschutz, da gibt es noch viel zu beachten: das Fahren mit dem Auto, das Fliegen, das Essen von Fleisch und und und …“

Doch Djamila hörte das nicht mehr. Sie war eingeschlafen und sie lächelte im Schlaf.
„Das Kind versteht mich!“, dachte Oma und sie lächelte auch.

© Regina Meier zu Verl

Hier kannst du die Geschichten anhören „Der Oktober und der Klimawandel“