Was Opa unterwegs so denkt

Was Opa unterwegs so denkt

Opa hatte den alten Bollerwagen mit einem Schaffell sowie bunten Decken und Kissen ausgepolstert. Er stellte eine Tasche mit Leckereien hinein, die Oma liebevoll gepackt hatte. Dann machte er sich auf den Weg, die Enkelkinder abzuholen, die sicherlich schon auf ihn warteten. Es war der vierte Advent und in der Nacht hatte es geschneit, der erste Schnee des Jahres.
Er küsste Oma und versprach, die Kinder gut einzupacken. „Ich würde ja mitkommen“, sagte Oma. „Aber du weißt ja, es gibt noch so viel zu tun vor Weihnachten und dann muss ich ja auch noch dem Christkind helfen, die Geschenke zu verpacken!“
„Ja, ja, hilf du nur dem Christkind. Ich werde schon fertig mit den beiden Spatzen. Sie werden viel Spaß haben, wenn sie meinen Bollerwagen entdecken!“, sagte Opa, setzte seine Mütze auf und machte sich auf den Weg. Oma winkte ihm nach, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte. Dann ging sie ins Haus zurück und machte sich gleich an die Arbeit. Im Kühlschrank wartete noch ein Plätzchenteig, den würde sie zuerst verarbeiten.
Opa wählte den Weg am See vorbei. Wie schön es dort aussah, alle Bäume waren mit einer Zuckerschneeschicht bedeckt und der See lag ganz still da. Um diese frühe Morgenzeit gab es auch noch keine Spaziergänger, nur einzelne Tierspuren im Schnee wiesen darauf hin, dass Opa nicht ganz allein war. Trotzdem fühlte er sich ganz und gar unbeobachtet und fing an zu singen: „Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See!“ Wie gut das heute passte. Opas Herz machte einen freudigen Hüpfer, ganz nah fühlte er sich in diesem Moment dem Christkind und dem Weihnachtsgedanken zum Fest seiner Geburt.
Er erinnerte sich daran, wie es früher gewesen war, als er selbst noch ein Kind war. Die Heimlichkeiten rund um das Weihnachtsfest und die Aufregung kurz vor dem Fest fielen ihm wieder ein. Er wollte seinen Enkelkindern gern auch dieses Weihnachtsgefühl vermitteln, doch immer, wenn er ihnen vom Christkind erzählen wollte, dann wehrten die Eltern ab. „Lass doch Vater, das ist nicht mehr zeitgemäß“, meinten sie und das konnte er gar nicht verstehen. Vom Weihnachtsmann sprachen sie. Er bringe die Geschenke und er komme durch den Kamin. Opa gefiel das nicht, aber er musste sich fügen und so hielt er seine Erzählungen zu Weihnachten eher neutral.
Vom Frieden erzählte er und von der Liebe, vom Zusammenhalt in den Familien und von der Barmherzigkeit anderen Menschen gegenüber. Trotzdem liebten die Kinder seine Erzählungen aus der Zeit, in der er selbst noch Kind war und er würde es sich nicht verbieten lassen, davon zu erzählen. So wie Oma sich nicht verbieten ließ, dem Christkind zu helfen.
Es hatte wieder angefangen zu schneien. Wie gut, dass er an die Mütze gedacht hatte, denn er hatte nur noch wenige Haare und da fror man schnell am Kopf. Fröhlich marschierte er durch die verzauberte Landschaft und gelangte an die kleine Brücke unter der lustig ein kleines Bächlein dahinhüpfte.
„Hoffentlich bleiben mir noch ein paar Jahre“, dachte er wehmütig, denn wie das so ist, wenn das Herz besonders bewegt ist, dann kommt auch die Angst dazu, dass es vielleicht das letzte Mal sein könnte. „Ach, mir geht es doch gut!“, sagte Opa laut, um sich selbst zu beruhigen. Er war gesund und was sollte schon passieren?
Wieder fing er an zu singen. „Alle Jahre wieder, kommt das Christuskind!“, sang er und es tat ihm gut, die alten Lieder zu singen. Seine Wangen röteten sich vor Freude und wer ihn an diesem Morgen am See gesehen hätte, der hätte einen älteren Herrn erkannt, der glücklich das Weihnachtsfest erwartete.
Als er in die Straße einbog, in der seine Tochter mit ihrer Familie wohnte, sah er schon von weitem die Kinder am Fenster. Sie drückten ihre Näschen an die Scheiben und als sie ihn mit seinem Bollerwagen entdeckten, war die Freude groß. Sofort verschwanden die kleinen Gesichter am Fenster und im nächsten Moment öffnete sich die Haustür und sie stürmten ihm entgegen.
„Papa, da bist du ja!“, rief seine Tochter und schnell scheuchte sie die Kleinen wieder ins Haus. „Zuerst die Jacken anziehen, sonst erkältet ihr euch noch. Der Opa kommt ja rein zu uns!“
Aber das war Wunschdenken. Es war nicht daran zu denken, den Opa hereinzubitten. Die Kinder waren außer Rand und Band und sie wollten endlich los, mit diesem wunderbaren Gefährt.
Also wurden beide warm eingepackt und mit ein paar Ermahnungen konnten die Drei sich auf den Weg zu Oma machen.
„Wir kommen später nach! Ich muss zuerst noch dem Christkind etwas helfen“, versprach Mama. Auch sie winkte, bis Opa und Kinder nicht mehr zu sehen waren, genau wie ihre Mutter am Morgen, dachte Opa und was hatte sie gerade gesagt? Sie wollte dem Christkind helfen?
Opa grinste, eine breites zufriedenes Grinsen, das anhielt, bis er mit den Kindern bei Oma zu Hause angekommen war. Zwischendurch hatte er aber den Enkelkindern die Schönheit der morgendlichen Schneelandschaft gezeigt und das Lied vom Christkind, das alle Jahre wiederkommt hatten sie auch gelernt.

© Regina Meier zu Verl

Das Weihnachtstheater *

Das Weihnachtstheater

„Wer hat sich denn nur diesen Blödsinn ausgedacht?“, schimpft Mama, als ich ihr erzähle, dass im diesjährigen Weihnachtsspiel fast alle Darsteller Weihnachtsgebäck sind. Ich soll die Rolle eines Zimtsternes übernehmen.
„Na, das war der, der das Theaterstück geschrieben hat“, versuche ich Mama zu erklären. Aber das macht es nicht besser. Mama ist verärgert. So gern hätte sie mich wieder in ein Engelkostüm gesteckt und meine Haare in Engelshaar verwandelt. Mama liebt Engel und sie näht doch so gern.
„Ein Lebkuchenmann, das wäre ja noch möglich oder ein Spekulatius, aber ein Zimtstern. Wie soll man den verkleiden?“, fragt sie und rauf sich die Haare.
„Ganz einfach, hellbraun und weiß!“, schlage ich vor, weiß aber selbst nicht so genau, wie man das umsetzen soll, dass es auch der Zuschauer erkennt. Dabei liebe ich Zimtsterne sehr, ich habe mich über die Rolle sogar gefreut, denn der Zimtstern hat viel Text auswendig zu lernen und das macht mir Spaß.
„Kannst du nicht mit jemandem tauschen?“, fragt Mama hoffnungsvoll.
„Nein, das kann ich nicht – und das will ich auch nicht!“ Jetzt bin ich auch ärgerlich. „Ich frage Oma, die hat immer gute Ideen!“
Mama ist beleidigt. „Dann geh doch zu Oma und viel Erfolg euch beiden, ich bin dann raus!“, wettert sie.
Ich ziehe meine dicke Jacke an, denn es ist lausig kalt an diesem Tag. Dann mache ich mich auf den Weg zu meinen Großeltern, die nur ein paar Häuser weiter wohnen. Unterwegs denke ich fieberhaft nach, wie ich das mit Mama wieder in Ordnung bringen kann. Ich will doch keinen Streit, schon gar nicht in der Adventszeit. Ach, ist das blöd!
„Komm schnell rein, du frierst ja!“, sagt Oma, als sie mir die Tür öffnet. Sie hat immer Angst, dass ich mich erkälte. Opa sitzt in der Küche, er studiert die Sonderangebote. Das ist sein Hobby, er liebt Prospekte und weiß immer genau darüber Bescheid, was wo wie teuer ist.
„Zimtsterne sind im Angebot!“, sagt er dann auch schon, bevor er mich begrüßt. „Grüß dich, Mini!“
„Hallo Opa, ich heiße Djamila und nicht Mini und Zimtsterne sind genau mein Thema!“, verkünde ich und lasse mich auf die Eckbank fallen. „Puh, sie verfolgen mich, diese Zimtsterne!“
Erstaunt blickt Opa von seinem Prospekt auf. „Das klingt aber nicht so gut! Was ist denn los?“
Ich erzähle Oma und Opa von dem Theaterstück, in dem die kleine Hanna sich so sehr danach sehnt, einmal in ihrem Leben auch Weihnachtsgebäck essen zu dürfen. Sie ist nämlich zuckerkrank und darf das nicht. Das Weihnachtsgebäck denkt sich etwas aus, um der Kleinen doch eine Freude zu machen, ohne, dass sie es essen muss. Sie studieren einen Tanz ein und erscheinen in der Nacht zum Heiligen Abend in ihrem Zimmer, um den Tanz ganz allein für sie aufzuführen. Alle sind dabei, Stutenkerle, Lebkuchenmänner, Spekulatiusplätzchen, Printen, der Christstollen … und ich, der Zimtstern.
„Oha!“, sagt Oma. „Eine schöne Idee, aber nicht so leicht umzusetzen!“
„Eben!“, stimme ich ihr zu und erzähle auch gleich, dass Mama eingeschnappt ist, weil ich Omas Rat einholen will. „Das ist blöd, weiß ich ja. Aber sie hatte gar keine Idee und ich auch nicht. Oma, du bist meine letzte Rettung!“
„Printen finde ich viel schwerer“, sagt Oma da auch schon und man kann ihr ansehen, dass es in ihrem Kopf bereits rattert. „Zimtstern, Zimtstern“, murmelt sie vor sich hin. Opa und ich schweigen erstmal, wir wollen sie nicht beim Denken stören. Dann hat sie’s wohl, man sieht es an ihrem funkelnden Blick. Sie verrät aber nichts, zieht nun ihrerseits eine dicke Jacke an und macht sich auf den Weg zu Mama. „Wir müssen was besprechen!“, ruft sie noch. Opa grinst, ich grinse und dann vertilgen wir gemeinsam die Zimtsterne, die in einem Schälchen auf dem Tisch stehen.
Opa schlägt vor, dass wir eine Runde Mau Mau spielen könnten und da bin ich doch gern dabei. Mit Opa Karten zu spielen, das ist eine wahre Freude, er verliert nämlich meist und wenn er sich darüber ärgert, dann ist er immer so niedlich. Hach, ich liebe meinen Opa.
Als Oma nach einer Stunde noch immer nicht zurück ist, beschließen Opa und ich mal nach dem Rechten zu schauen. Die beiden Frauen sitzen mit hochroten Köpfen in der Küche. Vor ihnen liegt ein Zeichenblock, auf dem sie verschiedene Notizen gemacht haben. So richtig erkennen kann ich noch nichts, aber Mama erklärt: Ich nähe ein braunes Unterkleid, darüber kommt aus weißem, fast durchsichtigen Stoff das Oberkleid, das ist der Zuckerguss. Oma bastelt braune Sterne mit weißem Guss drauf, die werden überall am Kleid befestigt und auf dem Kopf wird ein großer Stern thronen. Dann bist du ein Zimtstern, Mini!“
Ich sehe ihr ausnahmsweise das „Mini“ mal nach, weil ich doch so froh bin, dass sie gar nicht mehr ärgerlich klingt und das Kostüm kann ich mir nun gut vorstellen.
„Wir können ja die Haare trotzdem ein wenig beglitzern, dann bin ich eben ein englischer Zimtstern!“, schlage ich noch vor und habe die Lacher auf meiner Seite. Ich werde ein toller Zimtstern sein, ganz bestimmt.

© Regina Meier zu Verl

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Bildquelle Couleur/pixabay

Gruß von Vater*

Gruß von Vater

Irgendwo musste noch Vaters Wintermantel sein, da war ich ganz sicher. Nachdem ich einige Schränke auf dem Dachboden durchwühlt hatte, fand ich ihn. Fein säuberlich mit einem Kleidersack geschützt.
„Was meinst du, Papa? Kann ich ihn verschenken?“, fragte ich mit leiser Stimme.
Ich hatte am Vormittag den Friedel gesehen. Er gehörte zum Bild meiner Stadt wie die Apostelkirche und das Rathaus. Sein brauner Anzug, der dringend eine Reinigung nötig gehabt hätte, war zerschlissen. Ein ehemals weißes Oberhemd und eine Krawatte rundeten das Bild ab, irgendwie wirkte er vornehm, nicht wie ein Penner. Seine linke Hand umklammerte eine Aldi-Tüte, in der er wohl sein Hab und Gut aufbewahrte und in der rechten hatte er eine Bierflasche. Seit vielen Jahren sah man ihn so durch die Fußgängerzone wanken.
Er bettelte nicht. Trotzdem steckten ihm die Leute immer mal wieder einen Euro zu.
Es war kalt geworden und es tat mir Leid, dass er da in seinem dünnen Anzug durch die Straßen lief. Ich wollte ihn aber nicht beleidigen, wenn ich ihm den Mantel schenkte und war sehr unsicher, ob es richtig wäre, das zu tun.
„Er wird sich freuen, mach es ruhig“, hörte ich plötzlich die Stimme meines Vaters und ich blickte mich irritiert um. Da war nichts und doch hatte ich es ganz deutlich gehört.
„Okay“, sagte ich. „Wenn du das sagst!“ Ich lächelte über mich selbst und doch war mir ein wenig unheimlich zumute. Schließlich war mein Vater seit vielen Jahren tot.
Am nächsten Tag brachte ich dem Friedel den Mantel. Ich hatte ihn in eine Sporttasche gepackt und einen Stollen dazugelegt. Ich ging auf ihn zu, reichte ihm die Hand und übergab ihm die Tasche.
„Ein lieber Gruß von meinem Vater!“, sagte ich und sah ein Staunen in seinem Gesicht.
„Frohe Weihnachten!“, sagte er, Tränen blitzten in seinen Augen.
„Frohe Weihnachten“, sagte ich. „Frohe Weihnachten!“

© Regina Meier zu Verl

Weihnachten in der Schule *

Weihnachten in der Schule (1964)

Es ist sehr lange her. Damals besuchte ich die dritte Klasse unserer kleinen Schule. Zwei Jahrgänge teilten sich einen Raum, manchmal auch den Lehrer, der von Bank zu Bank ging und unsere stille Arbeit beaufsichtigte.
In der Vorweihnachtszeit bastelten wir und übten für das Weihnachtstheater. In jedem Jahr wurden die Eltern und Großeltern dazu eingeladen und wir hatten alle sehr viel Freude an den Vorbereitungen.
In jenem Jahr hatte ich sogar zwei Rollen zu besetzen. Zum einen war ich die Maria in der Krippenszene und später im Märchenspiel durfte ich das Dornröschen sein. Ich erinnere mich noch gut an mein Kostüm. Ein rosafarbenes Nachthemd trug ich, das über und über mit roten Rosen aus Krepp geschmückt war. Die knallrote Lippenfarbe schmeckte süß und ich hatte sie abgeleckt, bevor das Spiel begann.
Den Kopf zierte eine rote Krone aus Pappe und meine Füße steckten in leuchtend roten Schuhen, die mindestens zwei Nummern zu groß waren. Meine Mutter hatte sie vorn mit Toilettenpapier ausgestopft, damit ich nicht herausschlüpfte. Als anmutig konnte man meinen Gang sicher nicht bezeichnen, denn so richtig traute ich der Angelegenheit nicht und ich bewegte mich bedächtig. Mit Reinhard, der den König Drosselbart spielte, musste ich dann einen Walzer tanzen. Schade, dass es damals noch keine Videos gab. Zu gern würde ich mir das heute noch einmal anschauen.
Ein Junge in unserer Klasse, ein schüchternes Kind, das kaum jemals etwas sagte und mit dem Lernen auch seine Probleme hatte, sollte auch in das Spiel eingebunden werden. Ich sehe seine großen, bangen Augen vor mir, wenn ich an ihn denke.
Er spielte eine Tanne und musste nur einen einzigen Satz sagen. Es fiel ihm schwer, aber tapfer machte er mit und in der Generalprobe klappte auch alles ganz gut. Er musste rufen: „Nimm mich auch mit, Mareili, nimm mich auch mit!“
Mareili war ein Kind, das die Märchenwesen befreien wollte, die durch einen bösen Fluch zu Steinen geworden waren.
Am Tag der Aufführung waren alle sehr aufgeregt. In mir kroch die Angst hoch, kurz bevor ich mit meinem Drosselbart tanzen sollte. Doch es ging alles gut, bis zu dem Moment, als das Rotkäppchen einen Niesanfall bekam und meine Nase ebenfalls deutlich kribbelte. Alle Märchenwesen hatten sich auf der Bühne versammelt und nacheinander sollten wir Mareili von der Bühne folgen. Dann kam, was kommen musste, ich stolperte in meinen zu großen Schuhen und fiel in die Tanne, die kurz wackelte, mich dann aber auffing. Alle anderen hatten die Bühne bereits verlassen. Da waren nur noch Michael, die Tanne und ich.
Im Publikum wurde bereits gekichert. Oh Mann, war das peinlich. Doch Michael rettete die Situation. Er nahm mich an der Hand und rief: „Nimm uns auch mit, Mareili, nimm uns auch mit!“ Dann stolperten wir gemeinsam von der Bühne, die Tanne Michael und ich. Noch heute bewundere ich ihn dafür, dass er seinen Text nicht vergessen hatte und sogar in der Lage war, auf die veränderte Situation zu reagieren.
Den Drosselbart habe ich später noch oft gesehen, Mareili auch. Sie traf ich erst am letzten Sonntag in der Kirche, denn wir sind beide am Ort unserer Kindheit geblieben. Was aus Michael geworden ist, das weiß ich leider nicht. Auf jeden Fall werde ich ihn niemals vergessen.

© Regina Meier zu Verl

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Oma Socke*

Oma Socke
In unserer kleinen Stadt kannte sie jeder. Ihren richtigen Namen wusste aber fast niemand, jeder nannte sie Oma Socke. Vermutlich hatte sie für jedes Kind unserer Stadt und manchen Erwachsenen Socken gestrickt und diese Socken waren die besten und wärmsten der Welt. Ich weiß das genau, denn auch ich habe so ein Paar Socken besessen und sie gehütet wie meinen Augapfel.
Ihr denkt jetzt sicher, dass es ganz großer Quatsch ist, denn auch andere Menschen können Socken stricken und sogar die gekauften Socken wärmen die Füße und erfüllen ihren Zweck. Aber es ist wirklich kein Blödsinn, den ich euch heute hier erzähle. Das kann mir kein geringerer als der Nikolaus selbst bestätigen. Fragt ihn, wenn ihr ihn in diesem Jahr irgendwo treffen solltet. Ich bin davon überzeugt, dass ihr mir dann glauben werdet.
Was aber war das Geheimnis dieser bunt geringelten Strümpfe? Lange wusste ich das auch nicht, bis ich es vor vielen Jahren erfahren habe. Damals besuchte ich Oma Socke regelmäßig, denn sie konnte nicht nur stricken, nein, sie erzählte auch ganz wunderbare Geschichten. Ich liebte Geschichten und da meine Oma gestorben war, was mich lange Zeit sehr traurig machte, schickte meine Mutter mich zu Oma Socke. Was besseres hätte mir nicht passieren können, denn wenn ich bei ihr war, vergaß ich für eine Weile meine Trauer und irgendwann nahm ich Oma Socke beinahe wie eine eigene Oma an. Das tat uns beiden sehr gut, denn Oma Socke hatte selbst keine Enkelkinder.
„Warum wärmen deine Socken viel besser als alle anderen Socken der Welt?“, fragte ich sie eines Tages. Oma Socke lächelte, zierte sich aber noch ein wenig, mir das Geheimnis anzuvertrauen.
„Wenn ich es dir erzähle, dann ist es ja kein Geheimnis mehr!“, sagte sie. „Aber, ich bin eine alte Frau und vielleicht sollte ich es wenigstens dir erzählen, damit es nicht in Vergessenheit gerät, wenn ich einmal nicht mehr da bin.“
Dieser Satz machte mir ein wenig Angst, denn Oma Socke hatte ja wohl nicht vor, meiner richtigen Oma in den Himmel zu folgen?
„Du musst bei mir bleiben!“, sagte ich deshalb traurig und das Geheimnis war auf einmal gar nicht mehr so wichtig. „Ich brauche dich doch!“
Oma Socke standen Tränen in den Augen. Dabei hatte ich sie gar nicht traurig machen wollen, ich hatte doch nur eine Frage gestellt und nun waren wir beide kurz vorm Weinen.
„Ist schon gut, wir müssen ja alle mal gehen!“, sagte sie und dann lächelte sie wieder. „Pass auf, ich erzähle dir jetzt, warum meine Socken so beliebt sind. Sie haben außer der Wolle zwei Zutaten, die sie so besonders machen.“
Das klang geheimnisvoll und ich wollte nun unbedingt wissen, welche Zutaten das waren. Irgendwie klang das lustig, wie beim Backen.
„Und? Was waren das für Zutaten?“, fragte ich.
„Die erste ist die Liebe!“, sagte sie und strich liebevoll über den fast fertigen Strumpf, den sie gerade in Arbeit hatte. „Man muss beim Stricken Freude empfinden und liebevoll an denjenigen denken, für den sie bestimmt sind!“
Das konnte ich verstehen, schon deshalb, weil in meinem Zimmer ein Bild hing, auf dem folgender Spruch stand: Was man mit Liebe tut, wird immer gut! Mama hatte mir das erklärt und seitdem machte ich sogar meine Hausaufgaben mit Liebe, dann ging es mir viel leichter von der Hand. Ich sagte jetzt nicht „Ich liebe dich“ zum meinen Matheaufgaben, das wäre doch zu viel des Guten gewesen. Aber ich ging mit Freude an die Sache und Freude und Liebe liegen ja eigentlich ganz nah beieinander, oder?
„Und? Die zweite Zutat?“, fragte ich ungeduldig.
„Die habe ich vom Nikolaus empfohlen bekommen!“, behauptete Oma Socke. „Warte, ich zeige es dir!“ Sie griff nach ihrem Haarknoten, löste ihn und ihre weißen Haare fielen über ihre Schulter. Wie ein Engel sah sie plötzlich aus. Ich hätte niemals gedacht, dass Oma Socke so lange Haare hatte. Sie griff ein einzelnes Haar und zog es mitsamt der Wurzel aus. Aua! Dann nahm sie ihr Strickzeug, legte das Haar über den linken Zeigefinger, zusammen mit dem Wollfaden, und strickte es in die nächsten Maschen mit ein.
Dann erklärte sie: „Der Nikolaus hat einmal einige Paare Socken bei mir bestellt, die waren für eine arme Familie bestimmt. Am Nikolausabend wollte er die Socken in deren Stiefel stecken. Aber vergiss nicht, sagte er zu mir, eines deiner Haare in jedem Socken mit zu stricken. Das wärmt besonders gut, der Winter wird hart! Selbstverständlich habe ich seinen Wunsch erfüllt und seitdem stricke ich in jede Socke ein Haar von mir mit hinein! So ist das!“
Ihr könnt euch vorstellen, dass ich erstmal sprachlos war. Aber ich weiß genau, dass es stimmt, denn, wie gesagt, ich hatte auch mal ein Paar Socken von Oma Socke, das ich gehütet habe wie meinen Augapfel.
Jetzt kennt ihr das Geheimnis der besten Socken der Welt. Vielleicht strickt ihr ja auch, dann strickt doch mal ein eigenes Haar mit ein, vielleicht funktioniert es bei euch auch – und: vergesst die Liebe nicht!

© Regina Meier zu Verl
Hier lese ich dir die Geschichte vor

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Das Christkind und die Wolldecke*

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Das Christkind und die Wolldecke

Timo liegt bäuchlings auf dem Fußboden. Er blättert in seinem Bilderbuch. Die Erwachsenen haben keine Zeit für ihn, denn die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest sind in vollem Gange. Susi, die Dackeldame hat es sich neben Timo gemütlich gemacht.
Überall im Haus wird geputzt und gewienert, geschmückt und verpackt, gebacken und gebraten. Köstlich riecht es, nach Leckereien und nach Tannenduft. Timo mag das sehr. Weihnachten ist einfach toll.
Seine gute Laune lässt sich Timo durch nichts und niemanden verderben, auch wenn er gern jemanden zum Spielen gehabt hätte. Doch mit einem Buch wird ihm nicht langweilig, denn er denkt sich zu den Bildern Geschichten aus. Manchmal passiert dann etwas, was man nicht erklären kann. So auch heute!
Timo betrachtet eine Krippenszene. Das Jesuskind ist schon geboren und liegt mit einem strahlenden Lächeln in der Krippe. Die Eltern, Maria und Josef, knien neben dem Kind. Sie sind glücklich, das sieht Timo ihren Gesichtern an. ‚Ihr habt es ja auch gut, ich muss noch auf das Christkind warten. Bei euch ist es schon da!“, flüstert Timo. Der Ochse, der im Stroh liegt, schnaubt leise und wendet sich Timo zu. Oder hat Timo sich das nur eingebildet? Nein, da schnaubt er schon wieder und dann erhebt er sich und kommt direkt auf Timo zu.
„Kannst du mich kurz kratzen, bitte? Ich habe vermutlich einen Floh und den können wir hier im Stall gar nicht gebrauchen. Schließlich ist hoher Besuch anwesend.“
Er blickt in Richtung der Könige, die ins Gebet vertieft sind.
Vorsichtig streckt Timo die Hand aus und greift ins flauschige Fell des Ochsen. Dann wird er mutiger und kratzt dem Tier den Rücken.
„Oh, das tut gut!“, schwärmt der Ochse freudig.
„Ich kann aber keinen Floh entdecken!“, stellt Timo fest.
Der Ochse lacht und wedelt mit dem Schweif.
„Dann habe ich mich wahrscheinlich getäuscht …“
„IA!“, ruft der Esel und die anderen Tiere mahnen empört zur Ruhe.
„Das Kind! Denk doch an das Kind, es braucht seine Ruhe!“, flüstert ein Schäfchen und die Hirten nicken zustimmend und legen den Finger auf den Mund, was so viel bedeuten soll, dass alle ruhig sein sollen.
Timo krault den Esel hinter den Ohren, damit er Ruhe gibt. Die Schafe rücken näher an das Kind heran. „Wir wollen es wärmen, schau nur, es ist ja fast nackt!“, erklären sie Timo.
„Wartet, ich hole eine Decke!“, schlägt Timo vor, weiß aber nicht so recht, was er dem Kind anbieten könnte. Es ist ja so winzig klein. Dann fällt ihm ein, dass seine Mama immer so kleine Deckchen strickt, Maschenproben nennt sie das. Das könnte gehen. Timo sucht in Mamas Handarbeitskorb und findet einen wolligen Lappen, der klein genug ist, um das Kind damit zuzudecken. Als er zurückkommt, hat es angefangen zu schneien in seinem Buch.
„Gut, dass du kommst ruft einer der Hirten. Hilf uns mal, wir wollen ein Fell in die Krippe legen und das Kind darauf betten. Kannst du es hochnehmen?“
Timo ist sehr aufgeregt. Das Jesuskind aufheben soll er. Das ist eine sehr große Ehre. Hoffentlich kann er das auch, wo er doch immer so tollpatschig ist. Schnell legt er die kleine Decke zur Seite und behutsam hebt er das Kind aus der Krippe und legt es in die Arme seiner Mutter. Der Hirte kleidet das Bettchen mit dem Fell aus und Maria legt das Kind wieder hinein. Dann kommt Timos Maschenprobe zum Einsatz. Vorsichtig deckt er das Kind zu. Es lächelt dankbar und Maria summt ein Schlaflied. Es dauert gar nicht lange, da ist das Jesuskind eingeschlafen, schön warm liegend auf einem Schaffell und mit einer wolligen Decken aus Mamas Strickkorb zugedeckt.
Auch Timo ist ein wenig müde geworden und weil Maria so schön singt, schläft er auch ein. Er träumt vom Christkind und den Hirten, vom Ochsen und Esel, von den Schafen und von einem kleinen Floh, der sich vorwitzig beim Dackel Susi einen neuen Platz gesucht hat. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

© Regina Meier zu Verl

Lebensdrabble „Krippenspiel“

Im Krippenspiel spielte ich die Maria. Das habe ich sogar drei Mal gemacht, einmal mit neun, später dann zwei Mal als Erwachsene in der Waldorfschule in niederdeutscher Sprache. Eine ganz neue Erfahrung war das. Als Kind saß ich mit meinem Josef hinter der Krippe und sollte eine Kerze anzünden, wenn Richard anfing zu singen: Ich steh an deiner Krippen hier. Tagelang habe ich geübt, ein Streichholz anzuzünden. Bei der Aufführung hatte ich nur Augen und Ohren für Richard, der wunderbar singen konnte. Das mit dem Zündholz klappte nicht. Richard, ich schicke dir einen Gruß in den Himmel, du bist unvergessen.

100 Wörter

Lebensdrabble „Nikolausangst“

Wie groß war meine Angst vorm Nikolaus. Der kam in echt und er brachte den Knecht Ruprecht mit. Der hatte einen Sack auf dem Rücken, aus dem ein Paar Kinderbeine herausschauten. Beine mit schwarzen Strümpfen und Lederschuhen baumelten bei jeder Bewegung. Und der schwarze Knecht schwang die Rute und schaute grimmig drein. Das war grausam, ich kann die Angst noch immer spüren, die ich hatte. Mama machte dem ein Ende, indem sie mich aufklärte und mir erzählte, wer im Nikolauskostüm stecke, und dass es natürlich nicht „echt“ sei und ich keine Angst haben müsse. Ich fand’s doof, so oder so.
100 Wörter

Claras Puppenstube

Claras Puppenstube

Zufrieden trat Steffen einen Schritt zurück, um sein Werk noch einmal mit gebührendem Abstand zu betrachten. Schön war die Puppenstube gelungen, die sich Carla so dringend zu Weihnachten wünschte. Seine Tochter hatte ihm genau beschrieben, wie ihr Wunsch aussah und er, Steffen, hatte sich bemüht, alles genauso umzusetzen. Eine Puppenstube, die anders war als die, die man kaufen konnte, sollte es sein. Und ganz wichtig: Nichts durfte rosa sein. Die Farbe mochte Carla nämlich nicht leiden. Außerdem sollte ein Platz für einen Esel vorhanden sein. Einen Esel? Steffen fand, dass diese Bedingung am schwersten umzusetzen war. Jedenfalls war ihm das so vorgekommen, doch dann hatte er die Idee gehabt, gleich einen ganzen Stall anzubauen, so wie es damals auch in seinem Zuhause war, auf dem Bauernhof vor langer Zeit.
»Eine Stube mit Stall!« Er grinste. »Das muss mir erst einmal jemand nachmachen.«
»Das ist nichts Neues, Junge!«, brummelte Urgroßvater Hinrich, der mit einem Buch neben ihn saß und las. »Auf dem Land hatte man das früher so. Ich habe das noch manchmal gesehen.«
»Was? Wohnen mit Stall?« Steffen staunte. Er stellte sich das nicht so angenehm vor und sicherlich hatte das doch gestunken!
»Klar, die Tiere haben die Deele mit ihren Körpern gewärmt, so dass im Winter die Kälte nicht in die Küchen kriechen konnte, die war nämlich meist direkt neben der Deele. Erinnerst du dich gar nicht mehr an unseren Hof, mein lieber Steffen?«
»Schon. Aber daran nicht.« Steffen zögerte. »Aber die Stube, die sehe ich noch genau vor mir. Gemütlich war sie und den großen Kamin habe ich über alles geliebt. Es war so kuschelig, so heimisch.« Er zögerte wieder und sagte dann leise: »Wenn mich jemand nach meiner Heimat fragt, so muss ich immer an die Geborgenheit auf dem alten Hof denken.“
Der Urgroßvater schmunzelte. »Daher ähnelt deine Puppenstube wohl ein bisschen unserer alten Deele, nicht wahr?«
Steffen nickte. »Weißt du was? Ich werde auch noch versuchen, ein paar Tiere zu finden. Irgendwo auf dem Dachboden ist sicher noch mein altes Holzspielzeug, ich schaue gleich einmal nach!«, verkündete er.
Der Urgroßvater klappte sein Buch zu und schloss die Augen. Es dauerte gar nicht lange, da war er eingeschlafen und jetzt könnt ihr euch sicherlich denken, wovon er träumte, oder? Richtig, er war ein Kind und befand sich auf dem Bauernhof. Gerade war ein Kälbchen geboren worden. Der Urgroßvater rieb es mit Stroh trocken und durfte ihm einen Namen geben. Wilhelm hatte er es taufen wollen. Das war der Name des letzten Kaisers und von dem hatte ihm sein Urgroßvater so oft und so viele Geschichten erzählt, dass der kleine Hinrich so unbedingt auch einen Wilhelm haben wollte. Aber alle Hofbewohner hatten die Nasen verzogen. Einen Kaiser Wilhelm wollten sie nicht auf dem Hof haben, nicht einmal im Kuhstall. Aber gelacht haben sie noch in der lange in der Familie, wenn sie von dem Willhelm-Kalb sprachen.
Mittlerweile war Steffen wieder vom Dachboden hinabgestiegen und wollte seine Ausbeute an Holztieren dem Urgroßvater zeigen. »Großvati, schläfst du?«, flüsterte er und legte seine Hand sanft auf die Schulter des alten Mannes.
»Nein, nein, ich ruhe nur ein wenig!«, sagte dieser.
»Schau, was ich gefunden habe!« Steffen zeigte einen Esel, ein Schaf und eine Kuh mit ihrem Kälbchen. Der Urgroßvater griff nach dem Kälbchen und schaute es mit Tränen in den Augen an. »Wollen wir es Wilhelm nennen?«, fragte er.
»Sicher, wenn du das möchtest, heißt es jetzt Wilhelm!«, sagte Steffen und als er die glücklichen Augen des alten Mannes sah, freute er sich schon darauf, wenn Carla und der Urgroßvati gemeinsam mit der Puppenstube spielen würden.

© Regina Meier zu Verl

Die bunte Weihnachtsdose

Die bunte Weihnachtsdose

All ihre kleinen Schätze bewahrte Djamila in einer großen bunten Dose auf. Früher waren mal Lebkuchen drin gewesen. Da man Lebkuchen fast ausschließlich in der Weihnachtszeit isst, waren auch weihnachtliche Motive auf dieser Dose zu finden.
Da war auf der einen Seite der bunte Nussknacker, der einem beinahe ein wenig Furcht einjagen konnten mit seinem grimmigen Gesicht. Djamila hatte sich aber vorgestellt, dass er gar nicht böse war, sondern lediglich Zahnschmerzen hatte vom ewigen Nüsse knacken.
Wenn man die Dose ein wenig weiterdrehte, sah man den dicken Weihnachtsmann in seinem roten Mantel, die Daumen in dem breiten braunen Ledergürtel verhakt und breitbeinig mitten im Schnee stehend. Er hatte bestimmt keine Zahnschmerzen. Seine Backen lugten aus dem weißen Gestrüpp seines Bartes wie zwei rotwangige Äpfel und seine kleinen Augen lachten fröhlich und verschmitzt, Am liebsten würde man mitlachen und in sein vergnügtes „hohoho!“ mit einstimmen.
Neben dem Weihnachtsmann prangte eine festlich geschmückte Weihnachtstanne mit unzähligen Lichtern und noch ein wenig weiter schauten zwei Engel aus einer Wolke auf die Erde hinab. Das war Djamilas Lieblingsmotiv auf der Dose, denn Oma hatte einmal gesagt, dass sie, Djamila, einer dieser Engel sei.
Obwohl das Mädchen da seine Zweifel hatte. Mussten Engel nicht immer brav und folgsam sein? Und das war sie bestimmt nicht, sie konnte ganz schön schmollen, wenn es mal nicht nach ihrem Kopf ging. Dann musste sie lachen, denn Papa war auch gerade im Zimmer gewesen und hatte Omas Worte gehört.
„Mama, du hattest schon immer eine rosarote Brille auf, wenn es um deine Enkelin geht“, hatte er schmunzelnd gesagt. Daran konnte sich Djamila noch genau erinnern.
Djamila hatte gelacht, als sie sich Oma mit einer rosaroten Brille vorgestellt hatte. Die Bedeutung dieser Worte war ihr damals aber nicht bewusst gewesen.
„Oma, du hast dich getäuscht“, flüsterte Djamila.
„Du bist das da oben auf der Wolke und neben dir ist deine Freundin Anna, von der du mir so oft erzählt hast.“
Auf Djamilas Lippen lag ein Lächeln bei der Erinnerung an ihre Oma, aber in ihren Augen glitzerten schon wieder die Tränen. Das erste Weihnachtsfest ohne Oma konnte sie sich nicht vorstellen und das wollte sie auch nicht. Sie öffnete den Deckel der Weihnachtsdose und griff nach dem mit Spitze umhäkelten Taschentuch und schnupperte daran.
Sie schloss die Augen. Es roch so schön nach Oma! Wie hatte sie Weihnachten immer geliebt. Und nun sollte das erste Mal das Fest ohne sie stattfinden. Sie drehte die Dose und betrachtete gedankenverloren den geschmückten Weihnachtsbaum. Da hatte sie eine Idee, wie Oma doch mitfeiern könnte und das jedes Jahr. Sie würde eine Weihnachtskugel basteln mit ihrem Bild und glücklicherweise hatte sie ganz viele Geschichten, die Oma für sie gesprochen hatte, und die sie nun immer wieder anhören konnte.
Am Heiligabend hing die Kugel mit Omas Bild am festlich geschmückten Baum. Die Familie saß zusammen und erinnerte sich daran, wie es in den Jahren zuvor gewesen war und die ein- oder andere Träne floss auch an diesem Abend.
Als man später gemeinsam Omas lustige Weihnachtsgeschichten anhörte, konnte man sogar schon wieder ein bisschen lachen und das hätte Oma gefreut, ganz sicher hätte sie das gefreut!

© Regina Meier zu Verl

Hier lese ich euch die Geschichte vor.

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