Vaterfreuden
„Hast du schon gehört, dass die wunderschöne Cleopatra Nachwuchs hat?“, fragt der rote Kater Leo seinen Freund, den getigerten Sam.
„Nein, nichts gehört, interessiert mich auch nicht!“, antwortet Sam schnippisch.
„Hey, mein Freund, was bist du so schlecht gelaunt heute?“ Leo erhebt sich und baut sich vor Sam auf. Der legt den Kopf zur Seite. Seine Miene zeigt deutlich, wie beleidigt er ist.
„Ich weiß es auch nicht von ihr selbst, man redet auf dem gesamten Hof darüber. Die Kleinen sollen ziemlich putzig sein, sind aber weder rot noch getigert!“, weiß Leo zu berichten.
„Nicht? Na, wie sehen sie denn aus, wenn sie weder rot noch getigert sind? Etwa lila?“, fragt Sam und man merkt, dass seine Laune deutlich besser wird.
„Na ja!“, meint Leo und jetzt klingt seine Stimme ein bisschen kläglich.
„Ich wüsste nicht, dass in meiner Linie jemals ein lilafarbenes Wesen zur Welt gekommen ist. Ich verstehe das nicht.“ Er schüttelt den Kopf.
„Das kann ich dir genau erklären.“ Sam grinst. „Die Frage ist nur, ob du es wissen möchtest.“
„Nun lass dich nicht lange bitten, sag schon!“, drängt Leo, aber schon als er es gesagt hat, beschleicht ihn ein sehr komisches Gefühl. Dabei hatte er sich eigentlich gefreut, als er von den jungen Kätzchen gehört hatte.
Als Sam anhebt, zu erklären, was er gesagt hat, unterbricht Leo ihn.
„Lass es lieber, ich will es nicht wissen!“ Er blickt Sam misstrauisch an. „Und wieso willst DU mit das erklären? Was weißt du, was ich nicht weiß?“ Er betont dieses DU besonders und es klingt, als wolle er ihm den Krieg erklären. Oder zumindest ein kleines Kämpfchen unter Gleichgesinnten, die nur für den Moment anderer Meinung sind.
„Ich habe sie beobachtet, die liebe Cleopatra. Ein seltsames Verhalten hat sie an den Tag gelegt und ganz ehrlich, ich hatte sie schon in Verdacht, sich mit dir zusammengetan zu haben. Aber das stimmt ja nicht, denn wenn das so wäre, dann hätte sie dir wohl von den Katzenkindern erzählt, oder nicht?“ Sams Augen funkeln nun verärgert, er hatte die schöne Cleopatra nämlich für sich gewinnen wollen. Und fast wäre es ihm auch gelungen. Fast. Wenn da nicht jene verflixte Nacht im späten Winter gewesen wäre. Er war ihr gefolgt auf ihrem Weg durchs Dorf und er wollte sie fragen, ob sie nicht gemeinsam durchs die Nacht spazieren wollten. Doch dann hatte ihn ein seltsam zischendes Geräusch für einen kurzen Moment abgelenkt und schon war Cleopatra im Dunkeln verschwunden. Die ganze Nacht hatte er nach ihr gesucht, doch es war vergebens gewesen. Sie hatte sich vor ihm versteckt.
Während Sam in Gedanken versunken ist, macht Leo sich aus dem Staub. Das ist ihm doch alles zu albern. Er will zu Cleopatra gehen und sich die Kleinen anschauen. Es nützt doch nichts, wenn man nur über sie redet und gar nicht recht weiß, was Sache ist. Blöd ist das, megablöd sogar.
Die Katzendame hat ihren Platz in der Scheune. Dort liegt sie in einem Nest aus Heu und beschützt ihre Kinder. Als Leo näherkommt, hebt sie kurz den Kopf.
„Na du“, flüstert sie und winkt Leo zu sich.
„Na du!“, flüstert Leo zurück. Er tritt näher an das Nest und betrachtet Cleopatras Kinder. Wie ruhig sie schlafen! Und wie hübsch sie sind! Fast so hübsch wie … er stutzt und taucht seinen Kopf noch näher in das Nest hinein. Ja, das kleine Katzenmädchen da, schimmert sein Fell nicht doch ein bisschen rot? Ein kleines bisschen?
„Sie sind wunderschön!“, sagt Leo ergriffen und fast versagt seine Stimme vor lauter Ergriffenheit. „Herzlichen Glückwunsch!“, flüstert er noch.
„Danke“, haucht Cleopatra. „Und…“, sie lächelt.
„Und?“, fragt Leo.
„Auch dir einen herzlichen Glückwunsch, Papa!“
Leo schluckt, er will etwas sagen, aber er kann nur seine kleine Familie ansehen und bestaunen.
„Meine Kinder!“, murmelt er schließlich und noch nie in seinem Leben war er so stolz wie in diesem Moment.
© Regina Meier zu Verl