Die Geschichtenschreiberin und ihr Liegestuhl

Die Geschichtenschreiberin und ihr Liegestuhl

Ich liebe meinen alten Liegestuhl. Es ist ein wackliger Holzstuhl, an dem man sich beim Aufstellen regelmäßig die Finger klemmt und das tut richtig weh. So oft habe ich ihn schon verflucht und ihn unsanft in die Ecke geschubst. Trotzdem hole ich ihn in jedem Jahr wieder aus seinem Verschlag, denn wenn man erstmal drin liegt, dann kann es keinen besseren geben. Meine Freundinnen beneiden mich heiß und innig um diesen Oldie unter den Stühlen. Und damit komme ich auch schon zu seiner Farbe. Der Stoff ist schlüpferrosa, vor Hässlichkeit schon wieder schön. Ehemals war er pinkfarben, durch die Kraft der Sonne ist er aber mittlerweile so ausgeblichen, dass das Schlüpferrosa es wirklich viel besser trifft.
Sommertags nehme ich schon mein Frühstück im Liegestuhl ein. Ich mag feste Rituale, wozu auch das obligatorische Marmeladenbrot gehört und natürlich Kaffee, aus meinem Lieblingsbecher, dem mit den Glückspilzen.
Auf dem Hocker neben mir muss mein Diktiergerät liegen, weil ich nämlich in meinem Liegestuhl die allerbesten Ideen habe. Wenn ich erstmal darin sitze, dann muss ich sitzenbleiben, denn das Aufstehen fällt mir zusehends schwerer, weil ich ja mit dem Hintern fast auf dem Boden hänge und richtig festhalten kann ich mich am Stuhl nicht. Ich will ihn ja nicht kaputtmachen. Nicht auszudenken, was ich ohne ihn machen sollte, wenn ich eine Sommergeschichte schreiben will. Also: das Diktiergerät liegt bereit und mein Handy natürlich, weil es doch immer mal wieder was zu recherchieren gibt, was nicht auf die lange Bank geschoben werden kann.
Erst neulich hatte ich diese Situation. Ich hatte den Liegestuhl im Wohnzimmer aufgebaut, wollte mir einfach das Sommerfeeling geben, weil eine Sommergeschichte angesagt war. Für den Garten war es aber noch viel zu kalt und die Nachbarn reden schon genug über mich. Die Idee für eine Geschichte war längst geboren, allein das Gefühl dafür fehlte mir noch. Ich liebe es, wenn meine Geschichten möglichst authentisch rüberkommen und dazu gehört, dass ich sie im passenden Möbelstück ersinne. Schreib ich zum Beispiel über eine Krankheit, dann liege ich im Bett, habe Tee auf dem Nachtschränkchen und ein Fieberthermometer im Mund. Aber ich will nicht abschweifen. Also: ich lag im Liegestuhl im Wohnzimmer und wollte etwas über eine dreifarbige Glückskatze schreiben. Die haben einen besonderen Namen und der wollte mir partout nicht einfallen. Recherche war angesagt und dann kam es, das Handy lag nicht bereit, um mal eben ins Internet zu schauen. Ich fluchte laut, entschuldigte mich beim Wellensittich, der dummerweise jedes Wort versteht und quälte mich aus dem Stuhl, der, als ich so richtig zupackte, zusammenklappte und ich mit ihm. Das wäre nicht so tragisch gewesen, wenn nicht der Spielzeugtrecker meines Enkels direkt unter dem Liegestuhl gestanden hätte. Fragen Sie mich nicht, wie er dahin gekommen ist, auf jeden Fall war er da und ich landete mit dem Po direkt auf diesem Eisenteil, das ja unter dem rosa Stoff nicht zu sehen gewesen war, was auch eigentlich egal war, denn gestürzt wäre ich ja auch, wenn ich es gesehen hätte.
Zwei weitere Flüche später hatte ich mich auf die Knie gerollt und zog mich an der antiken Kommode hoch, die glücklicherweise sehr stabil ist und ganz nahe bei mir stand. Du meine Güte, wie schmerzte mein Hinterteil, unglaublich. Da ich noch im Schlafanzug war, zog ich die Hose runter, um den Schaden zu begutachten, konnte mich aber nicht soweit drehen, dass ich einen Blick auf meine hintere Hälfte tun konnte, also stolzierte ich vorsichtig in Richtung Bad, stellt mich vor den Spiegel, rückwärts, und schaute mir über die Schulter. Das hätte ich besser nicht gemacht, denn was ich da sah, das verdarb mir den Tag und den nächsten und die ganze Woche, wenn nicht sogar zwei. Der „Schlagschaden“ war noch gar nicht zu sehen, er schmerzte nur, aber der Hintern, meine Güte, wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich längst eine Diät eingelegt. Verzweifelte Tränen! Sturzbachartig! Dann die Erkenntnis: Der Spiegel geht nicht richtig, genau wie die Waage, wir sollten beides bei Gelegenheit ersetzen. Am Tag später kaufte ich mir eine Zehnerkarte fürs Schwimmbad, schwimmen ist immer gut. Bereits morgens um sechs ziehe ich seitdem meine einsamen Bahnen, ich möchte nicht, dass jemand den blauen Fleck entdeckt.
Mittlerweile habe ich den Schock fast überwunden, den Liegestuhl kann ich nun sogar schon wieder draußen aufstellen, weil der Frühling in diesem Jahr recht zeitig gekommen ist. Unterm Hintern liegt aber jetzt immer ein dickes Kissen, vorsichtshalber, denn man weiß ja nie, wann mein Lieblingsmöbelstück mal wieder verrückt spielt und mich abwirft, nicht wahr?

© Regina Meier zu Verl

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