Nalani und die Ruhe des Himmels
„Weißt du wieviel Sternlein stehen, an dem blauen Himmelszelt. Weißt du wieviel Wolken gehen weithin über alle Welt? Gott der Herr hat sie gezählt, dass ihm auch nicht eines fehlet“, sang Oma leise, während sie ihr Enkelmädchen sanft auf dem Schoß wiegte. Die kleine Nalani* sah die Großmutter aufmerksam an, so, als verstünde sie jedes Wort, das diese sang. Vielleicht war es auch so? Wer wusste schon, was kleine Kinder alles verstanden? Weniger mit den Ohren als umso mehr mit der Weisheit ihrer kleinen Seelen. Oma glaubte fest daran, dass Kinder mit einem Wissen auf die Erde kommen, von dem wir nichts ahnen.
Schon die eigenen Kinder hatte sie so gewiegt und diese Zeit sehr genossen. Sie betrachtete es als das größte Geschenk, auch ihr Enkelkind im Arm halten zu dürfen.
Nalani hatte nun die Augen geschlossen. Ihr kleines Mündchen zuckte im Schlaf und bildete ab und zu ein seliges Lächeln. Wie niedlich das aussah, daran konnte man sich nicht sattsehen. Man muss es einfach lieben dieses entzückende Menschlein.
„So hat Lena auch ausgesehen, wenn sie entspannt geschlafen hatte. Die gleichen Gesichtszüge!“, murmelte die Großmutter. „Und das gleiche, unmerkliche Seufzen beim Einatmen. Wo oft habe ich es gehört … und wie lange nun nicht mehr.“ Nun seufzte Oma auch im Rhythmus von Nalanis Atemzügen. Ganz still war es im Zimmer, nur das Seufzen der beiden Menschen war zu hören und das Ticken der alten Wanduhr, die schon ihren Dienst geleistet hatte, als Lena noch ein Baby gewesen war.
Sie schloss die Augen und fiel in einen leichten Schlaf. Sie sah ein Kind, das dort auf einer Bühne inmitten eines Chores stand. War es Lena, oder doch Nalani? Die Oma konnte es nicht erkennen. Warum sangen die Kinder nicht? Sie mussten singen! Es war doch ein Chor.
„Oma, sing doch weiter“, rief das Kind und nun wusste die Großmutter, dass es Nalani sein musste. Beunruhigt schreckte sie auf und sah direkt in die Augen des Kindes.
„Weißt du wieviel Sternlein stehen, an dem blauen Himmelszelt?“, sang sie leise. Nalani lächelte.
© Regina Meier zu Verl
*Der Name Nalani bedeutet Himmelszelt oder die Ruhe des Himmels. Er kommt aus Hawaii.

Danke für diesen Beitrag… Ich musste sofort an mich selbst denken, denn auch ich bin mit diesem Wiegenlied groß geworden und habe es an meine Kinder weitergegeben. Als ich deine Geschichte gelesen habe merkte ich wieder wie sehr mir doch meine Oma fehlt ….
liebe Grüße
Dany
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Danke schön, Dany,
gerade habe ich mich bei dir als Leserin eingetragen. Auf ein nettes Miteinander!
Liebe Grüße zu dir
Regina
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Danke, für die wunderbare Geschichte.
Gerade jetzt in einer Parkinson-Akutbehandlung ist es Balsam auf die Seele.
Danke sagt Christoph.
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Vielen Dank, lieber Christoph,
alles Gute für Sie!
Herzliche Grüße
Regina
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